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Ehrhardt F. Heinold: Digitale Transformation – mehr als ein Buzzword?

 

Erhardt F. Heinold (Foto: Beate Bodenhagen)

Befindet sich Ihr Verlag, Ihr Unternehmen auch in der „digitalen Transformation“? Dann sind Sie in guter Gesellschaft, denn die digitale Transformation (DT) ist die Massenbewegung der Wirtschaft und der Gesellschaft, ist das Fitnessprogramm, dem sich jede und jeder stellen muss, um zukunftsfähig zu werden. Doch was heißt DT konkret? Oder ist DT nur ein weiteres Buzzword, mit dem letztlich ein ganz normaler Veränderungs- und Innovationsprozess beschrieben wird?

Fangen wir vorne an, beim Adjektiv „digital“. Was wird alles durch die Digitalisierung verändert? Eine scheinbare triviale Frage, alles längst diskutiert und beschrieben. Dennoch, die Auflistung der in einem Verlag betroffenen Bereiche zeigt, wie weitreichend die Digitalisierung Verlage verändern kann:

  • Geschäftsmodell: Freemium, Flatrate, Plattform, E-Commerce, E-Learning, Softwarelösungen, Workflowlösungen, um nur einige Stichworte zu nennen: Das ist alles neu, muss anders gedacht und umgesetzt werden.
  • Produkte / Services: Digitale Produkte sind anders als gedruckte – natürlich, klar. Aber wie viel anders, das ist Verlagen erst langsam bewusst geworden. Selbst ein simples E-Book, das den Text 1:1 wiedergibt, ist an technische Rahmenbedingungen (Hardware, Software) gebunden, wird anders vertrieben (Download), abgerechnet, muss intern anders betreut und organisiert werden. Onlineplattformen oder anspruchsvolle Apps sind überhaupt nicht mehr mit klassischen Verlagsprodukten ver-gleichbar, vielleicht gibt es noch eine Schnittmenge beim Content, aber schon dieser muss für solche Produkte ganz anders aufbereitet und angereichert werden. Radikal ist hier vor allem die Anforderung, jetzt wirklich die Kundenperspektive einzunehmen, der alte Hut „Kundenorientierung“ bekommt eine ganz neue Bedeutung.
  • Marketing: Neue Formen direkter Kundenbeziehungen, Echtzeitkommunikation, neue Möglichkeiten der Datenaggregation und -auswertung, neue Herausforderungen durch Plattformen und digitale Netzwerke – kein Zweifel, das Marketing verändert sich radikal.
  • Vertrieb: E-Commerce-, Download- und Flatrateplattformen fordern die Verlagsbranche heraus, sie bilden eine noch größere Macht als der stationäre Handel; neue Chancen durch den Direktvertrieb, neue Möglichkeiten der Preisbildung (trotz Preisbindung) – auch der Vertrieb steht vor fundamentalen Veränderungen.

Schon diese kleine Stichwortliste zeigt, wie groß die Veränderungen durch die Digitalisierung sind – so fundamental, dass in vielen Branchen die (erfolgreichen) Innovationen von außer-halb kommen, von Start-ups, die das Neue verstehen und umsetzen, und nicht mühsam das Alte ins Neue transferieren wollen oder müssen.

Transformation: Mehr als eine Ergänzung des Bestehenden

Das Substantiv „Tranformation“ beinhaltet schon Bewegung und Veränderung. Und tatsächlich – wenn ein Verlag die eben skizzierten Herausforderungen der Digitalisierung meistern möchte, muss er sich transformieren – betroffen sind alle Bereiche:

  • Verlagsleitung / Management: Muss den Wandel anstoßen, ermöglichen und beglei-ten und dafür die richtigen Rahmenbedingungen schaffen (u. a. im Controlling, in der Personalführung und -ausstattung, in der Unternehmenskultur, in der gemeinsamen Ausrichtung auf ein Ziel).
  • Unternehmenskultur: Agiles, abteilungsübergreifendes und projektbezogenes Arbeiten, Fehlerkultur, permanente Veränderung, Lernkultur – schon diese Stichworte zeigen, dass eine solche Transformation nicht nur ein paar neue „Skills“ fordert, sondern ein neues „Mindset“, eine neue Unternehmenskultur.
  • Produktentwicklung: Hier sind neue Vorgehensweisen gefragt, der Kundenbedarf muss neu ins Zentrum gerückt werden, nicht mehr die klassische Marktforschung gibt die Richtung vor, sondern neue, agile Methoden führen zu einer iterativen Produkt-entwicklung mit Prototyping und Minimal Viable Products. Vorbild ist die Softwarebranche, prozess- und abteilungsübergreifendes Arbeiten wird Standard.
  • Workflows: Die Digitalisierung durchdringt alle Prozessschritte, Schnittstellen werden neu definiert, Automatismen und Standards eingeführt, Datenflüsse sollen so reibungslos wie möglich ablaufen. Der moderne Verlag ist prozessorientiert, Workflows bilden die Basis.

Die digitale Transformation stellt die Aufgabe, einen fahrenden Zug zukunftsfähig zu machen, im laufenden Betrieb die Weichen richtig zu stellen, oder sogar in neue Triebwagen oder in eine ganz neue Antriebs- oder sogar Transporttechnik zu investieren, um im Bild zu bleiben. In jedem Fall ist DT eine Herausforderung, die nur gelingen kann, wenn die Radikalität der Veränderung erkannt und vom obersten Management getragen und befördert wird. Oder anders gesagt: Eine Stabsstelle Business Development ist ein guter Anfang, aber keine Lösung für einen umfassenden Transformationsprozess.
Und deshalb: Digitale Transformation ist kein Buzzword, sondern ein Veränderungsprozess, der, durch immer neue Rahmenbedingungen hervorgerufen, für immer mehr Verlage überlebenswichtig wird.

Der Text ist zuerst im HSP-Newsletter 2/2017 erschienen.

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