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Was gute Change Manager können

Was muss ein Change Manager können und repräsentieren? Change-Papst Klaus Doppler kennt wirksame und unwirksame Agenten des betrieblichen Wandels aus Dutzenden von Beratungsprojekten. Wer tatsächlich effektiv wirken möchte, sollte möglichst viele von acht Kern-Eigenschaften haben.

Führen ist in Zeiten permanenter Veränderung immer auch Change Management. Hier wird ein Leitfaden modelliert, anhand dessen jeder Change Manager oder Berater sich einschätzen, positionieren oder Schwerpunkte für seine weitere Professionalisierung setzen kann.

Zeiten massiver Veränderung

Auf die Frage, was einen guten Change Manager und damit auch gute Führung ausmacht, kann es keine allgemeingültige Antwort geben. Führen ist eine Funktion, die je nach akuter Herausforderung, eigener Haltung, gesellschaftlichem Kontext und vorhandenen Fähigkeiten unterschiedlich verstanden und wahrgenommen werden kann.

In Zeiten massiver Veränderungen, die auf Dauer weder kalkulierbar noch vorhersehbar und teilweise widersprüchlich sind und aufgrund der Unsicherheit Angst auslösen (können), sehe ich grundsätzlich zwei Möglichkeiten: entweder eine heldenhafte Führung, abgesichert in festen hierarchischen Strukturen nach dem Prinzip der althergebrachten hierarchischen Ordnung, oder Führung als flexible Funktion, die je nach Bedarf von unterschiedlichen Beteiligten in unterschiedlichen Formen wahrgenommen werden kann. Primat: individuelle Selbstverantwortung und daraus abgeleitet Selbstführung. Im Rahmen von Veränderungsprojekten und Veränderungsprozessen sind je nach Situation unterschiedliche Kenntnisse und Fähigkeiten erforderlich. Auf der einen Seite braucht es spezialisierte Fachkompetenz. Daneben gibt es eine zweite Kategorie von Expertise: Wie gestaltet man erfolgversprechende Change-Prozesse, egal ob als Manager oder als beratender Sparringspartner? In bestimmter Hinsicht überschneiden sich diese beiden Kategorien: Ein Fachmann und ein Fachberater sind dann nachhaltig gut, wenn sie sich nicht nur im engeren Sinn mit der Sache befassen, sondern auch die Vernetzungen berücksichtigen, die notwendig sind, damit die Funktionsfähigkeit sichergestellt ist. Auf der anderen Seite bleiben psychologisch orientierte Prozesssteuerung und Prozessberatung pure Theorie, wenn sie losgelöst vom speziellen sachlich-fachlichen Kontext konzipiert und durchgeführt werden. Neben der Vernetzung von Fachkompetenz und Prozesskompetenz muss der Change Manager auch abwägen, welche Rolle jeweils in der konkreten Situation erforderlich ist, um den anstehenden Change erfolgversprechend zu gestalten:
„nur” ermöglichen und ermutigen … mit beispielhafter Dynamik den Vorreiter machen … bewusst Raum geben, damit die Betroffenen selbst den Freiraum füllen … sich an einer etablierten Rolle orientieren, zum Beispiel Pilot, Lotse, Trainer, Moderator, Coach, Sparringspartner, oder als generelles Vorbild dienen … und anderes mehr.

Dimensionen der Führung

Fachkompetenz, Prozesskompetenz und die Variabilität der Rolle jeweils situationsgerecht anzuwenden und miteinander zu verknüpfen setzt voraus, dass Change Manager sich simultan in drei Dimensionen bewegen: intellektuelles Wissen und Verstehen (Erkennen), emotionale Einstellung (Wollen) und die Bereitschaft zu handeln (Tun). Insgesamt ergibt sich daraus ein Profil, das im Verhalten des Change Managers sichtbar zum Ausdruck kommt, in der Wirkung beobachtet werden kann und an dessen Anpassung an neue Entwicklungen und Herausforderungen der Change Manager beharrlich arbeiten kann:

  • Change Management im Bommersheim HR-Channel auf buchreport.de

    Das Navigationssystem des Change Managers. Bild: campus Verlag

    Ganzheitlich in Kontexten und Vernetzungen denken. Sie können nicht für alles ein versierter Fachmann sein. Doch Sie können sehr wohl über Ihre Fachkompetenz hinaus mit ausgeprägtem Interesse alle relevanten Dimensionen – Umwelt, Strategien, Prozesse, Strukturen, Personen, Ressourcen – beleuchten, um herauszufinden, inwieweit diese in der konkreten Situation Ihres Veränderungsprojekts eine Rolle spielen und zu beachten sind.

  • Ambiguitätstoleranz versus Sehnsucht nach Eindeutigkeit. Dinge sind oft unscharf oder können sich in ihrer Bedeutung schnell verändern. In vielen Fällen müssen vielerlei Aspekte und Perspektiven gleichzeitig ins Kalkül gezogen werden, die sich gegenseitig widersprechen können. Vor diesem Hintergrund wird die Fähigkeit, Mehrdeutigkeiten zu ertragen, zur Voraussetzung erfolgreichen Verhaltens. Wer Eindeutigkeit braucht, kann sich diese nur um den Preis von Verkürzung oder Verabsolutierung von bevorzugten Perspektiven oder persönlicher Engstirnigkeit zurechtbiegen.
  • Reflexionsfähigkeit. Viele Manager wollen sich durch sichtbares erfolgreiches Handeln als „Mann der Tat” profilieren oder glauben, dass dies von ihnen erwartet wird. Doch schon Albert Einstein wusste: „Ist ein Problem erst einmal erkannt, ist der Weg zu seiner Lösung eine Selbstverständlichkeit.” Vor diesem Hintergrund lautet meines Erachtens bei Konflikten die Kernfrage nicht „Was ist zu tun?”, sondern „Was ist los?”. Solange diese Frage nicht ausreichend beantwortet ist, ist Handeln fahrlässig und dient eher der Selbstdarstellung und Imagepflege des Change Managers.
  • Entscheidungs- und Handlungsfähigkeit auch bei Widersprüchen und Unsicherheiten. Peter F. Drucker und C. K. Prahalad haben unabhängig voneinander bereits gegen Ende des letzten Jahrhunderts darauf hingewiesen, dass das technologische, wirtschaftliche und politische Umfeld keine eindeutigen klaren Entwicklungen mehr aufzeigt, sondern volatil, zum Teil brüchig und widersprüchlich ist. Daraus ergibt sich als neue Anforderung an Führung „managing discontinuities” (Unstetigkeiten/Brüche managen). Zur Ambiguitätstoleranz im Rahmen der Wahrnehmung und Beurteilung von Situationen kommt hier ein zweiter Schritt: speziell im aktuellen Zeitdruck auch bei Widersprüchen und Unsicherheiten möglichst früh Entscheidungen treffen und handeln. Denn nur im und durch das Handeln können Erfahrungen gewonnen werden. Wer dazu nicht in der Lage ist, riskiert, mit seinen Ideen zu spät zu kommen. Die parallele Fähigkeit zur Reflexion unterscheidet dieses reflektierte experimentelle Handeln von operativer Hektik.
  • Sich („mikropolitisch”) einmischen. Wollen Sie wirklich etwas bewirken, reicht es nicht, sich nur auf Ihrem sachlichen Feld zu bewegen. In vielen Fällen sind neben den sachlich-fachlichen Aspekten verdeckte mikropolitische Interessen im Spiel, die das Geschehen in eine ungeplante Richtung treiben können. Da geht es unter anderem um Macht, Einfluss, Rivalitäten, Bündnisse, Neid, Eifersucht, Kampf um Anerkennung. Diese können ein Change-Projekt fördern, behindern, blockieren oder viel schneller treiben, als dies sinnvoll wäre. Dieses Kräftefeld der Interessen frühzeitig zu erkennen, zu erkunden und sich einzumischen bedeutet, den eigenen engen sachlich-fachlichen Rahmen zu überschreiten. Ohne ein ausreichendes Maß an eigenem „politischen“ Einfluss werden Sie nur betteln, ermahnen und fordern, aber wenig bewegen können, sondern laufen Gefahr, instrumentalisiert zu werden.
  • Kommunikationsfähigkeit und Offenheit für Feedback. Kommunikation wird häufig mit Information gleichgesetzt. Erfolgreich kommunizieren kann nur, wer vor seiner Information sondiert, wie seine Adressaten eingestellt sind, seine Information entsprechend ausrichtet und sich durch systemische Feedbackschleifen vergewissert, wie die Information angekommen ist und was sie beim Adressaten auslöst. Erst das Feedback ermöglicht es, die unterschiedlichen Einschätzungen, Unklarheiten und offenen Fragen im Rahmen eines anschließenden Dialogs miteinander zu klären.
  • Zuversichtlicher aktiver Coach und engagierter Teamspieler. Hilfe zur Selbsthilfe bedeutet unter anderem, die Betroffenen zu beteiligen. Die Konsequenz: Sowohl in einer formellen Führungsfunktion als auch im Rahmen einer in Selbstverantwortung übernommenen Aufgabe verstehen Sie sich stets als flexibler, integrationsfähiger Teamspieler und zugleich als Coach, der anderen die Spielkunst beibringt und dafür größtmöglichen Raum für Eigeninitiative schafft. Es gibt kein Bedürfnis, alles im Griff haben zu wollen, kein Chefgehabe. Mitarbeiter sehen Sie als Kollegen und Sie vermitteln ihnen gleichzeitig das Gefühl, in guten Händen zu sein – so befriedigen Sie deren Grundbedürfnis nach Sicherheit. Auf gleicher Augenhöhe gewinnen Sie die anderen für sich, ohne Unterwerfung oder Unterordnung (Untergebene) einzufordern. Insgesamt strahlen Sie grundlegend Zuversicht aus.
  • Gelassen mit heiterer Besessenheit. Da Ihnen klar ist, welche vielfältigen Hindernisse sich Veränderungen in den Weg stellen können, sind Sie auch realistisch genug, zu wissen, dass grundsätzlich immer die Möglichkeit des Scheiterns besteht. Deshalb ist Ihnen bewusst, dass Sie nur mit einem gehörigen Maß an Leidenschaft Ihr Ziel erreichen werden. Andrew Grove, Ex-Intel-Chef und Pionier des Silicon Valley, schildert in seiner Biografie mit dem sinnigen Titel Nur die Paranoiden überleben den gnadenlosen Wettkampf im Silicon Valley. Man muss zwar nicht von krankhaftem Verfolgungswahn (Paranoia) befallen sein, aber ohne ein gehöriges Maß an Zähigkeit, ja Besessenheit, gibt es keine nachhaltige Wirkung. Zu groß sind die Verlockungen, bei den vielen Schwierigkeiten klein beizugeben. Beharrlichkeit und letzte Konsequenz sind entscheidende Erfolgskriterien. Auf der Basis dieser Erfolgskriterien fordern die einen kompromissloses leidenschaftliches Engagement, andere raten zu Ruhe und Gelassenheit, weil Menschen so (bequem) sind, wie sie sind. Für welchen dieser beiden Wege sollte man sich entscheiden? Ich denke, es stimmt beides, und schlage deshalb eine dritte Variante vor: heitere Besessenheit. Besessenheit, weil sich ohne unbeirrbaren stetigen Antrieb nichts bewegen lässt. Heiterkeit, weil wir mit all den menschlichen Bequemlichkeiten und Ausreden – inklusive der eigenen – rechnen, die sich diesem Antrieb in den Weg stellen werden. Wir beobachten dies mit einer gewissen Heiterkeit und gewähren trotzdem kein Pardon. Wer nur Besessenheit kennt, ist verkrampft, wirkt verbissen und ist als Führer nicht attraktiv. Wer es aber schafft, seiner Besessenheit, das gesteckte Ziel zu erreichen, einen gehörigen Schuss Heiterkeit beizumischen, weil er die „Psycho-Logik” der menschlichen Natur ins Kalkül zieht, bei dem wird Leidenschaft zum lockeren, unerschöpflichen Antrieb.

Change von Klaus Doppler bei buchreport.de

Klaus Doppler

Change. Wie Wandel gelingt

255 Seiten, campus Verlag, Januar 2017

Gebunden mit Schutzumschlag EUR 28,- (ISBN 978-3-593-50678-4)

Auch erhältlich als E-Book (EPUB und PDF)

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