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Briten hoffen auf Bescherung

Ähnlich wie in Deutschland startet das Weihnachtsgeschäft auch in Großbritannien von einer guten Ausgangsbasis. Anders als im Einzelhandel auf der Insel insgesamt ist die Stimmung im stationären Buchhandel so optimistisch wie seit Jahren nicht mehr. Der Grund: Nach 48 Wochen geht die Branche laut Nielsen BookScan mit einem satten Polster von 8,8% gegenüber dem Vorjahr in die heiße Endphase des Jahres.

Ob der stationäre Buchhandel in Großbritannien an das gute Weihnachtsgeschäft des Vorjahres, das ein sattes Plus von 9,6% gebracht hatte, anknüpfen kann, ist jedoch fraglich. Die ersten beiden Adventswochen zumindest haben gegensätzliche Zahlen geliefert:

  • Die Woche vor dem 1. Advent haben die rund 6500 Buchverkaufsstellen, die an Nielsen BookScan berichten, mit 2,9% über der vergleichbaren Vorjahreswoche abgerechnet.
  • Die 2. Adventswoche dagegen brachte etwas überraschend ein Minus von exakt 3%. Als einen möglichen Grund führen viele Händler den überraschenden Wintereinbruch mit klirrendem Frost in weiten Landesteilen für die eher verhaltene Nachfrage an (s. dazu auch das anschließende Interview mit Waterstones-Geschäftsführer James Daunt).
  • Für beide Wochen gilt, dass die Warengruppen Kinderbuch und Sachbuch hoch in der Käufergunst standen.
  • Erfolgreichster Autor im Weihnachtsgeschäft ist bislang David Walliams. Dessen Kinderbuch „The Midnight Gang“ (HarperCollins Children’s) behauptet sich seit fünf Wochen an der Spitze der Top-50-Liste von Nielsen BookScan. Der Verlag hat seit Ende Oktober über 400.000 Hardcover verkauft, davon 80.968 Exemplare allein in der Vorwoche.

Nostalgischer Retrotrip dominiert Bestsellerlisten

2015 waren die „Spoofs“ im Weihnachtsgeschäft der große Renner, die mit einem Augenzwinkern und einer gehörigen Portion Nostalgie verfassten Remakes populärer Kinderserien mit Erwachsenen als Zielgruppe. In der Hoffnung auf Wiederholung haben die Verlage in diesem Jahr noch eine Schippe draufgelegt:

  • Michael Joseph hat zu den 8 bereits vorliegenden „Ladybirds for Grown Ups“ bzw. „How it Works“ weitere 9 Titel von Jason Hazeley und Joel Morris herausgebracht.
  • Die Hachette-Tochter Quercus ist mit 5 Remakes von Enid Blytons erfolgreichster Kinderbuchreihe „The Famous Five“ ins Rennen gegangen.

Dass sich die kleinen Hardcover zum Mitnahmepreis (die Ladybirds kosten 6,99 Pfund, die Blyton-Bücher 7,99 Pfund) wieder gut verkaufen werden, war absehbar. Doch an die Stückzahlen von 2015, als Michael Joseph im Weihnachtsgeschäft rund 1 Mio Bände abgesetzt hat, kommen sie diesmal offensichtlich nicht heran (siehe Interview mit James Daunt). Für Spitzenplätze auf den Bestsellerlisten reicht es allemal:

  • In der Sachbuch-Top-15 des „Bookseller“ entfallen 8 Titel auf die Retro-Kategorie.
  • Erfolgreichstes der 3 Blyton-Bücher ist „Five on Brexit Island“ auf Rang 2.
  • Das Michael-Joseph-Quintett wird von „How it Works: The Grandparent“ (4) angeführt.

INTERVIEW

»Es fehlt ein bisschen die Dynamik«

James Daunt

James Daunt ist seit 2011 Geschäftsführer des britischen Buch­filialisten Waterstones.

Das Weihnachtsgeschäft ist auch in Großbritannien angelaufen. Wie zuversichtlich sind Sie für einen guten Jahresabschluss?

Das Jahr war bisher sehr gut zu uns, aber das Weihnachtsgeschäft ist immer eine besondere Herausforderung – und in diesem Jahr vielleicht noch ein bisschen mehr. Die aktuellen Programme der Verlage sind nicht schlecht, aber es fehlt ein bisschen die Dynamik, die 2015 ausgezeichnet hat. Der Hype rund um J.K. Rowling hat diesen Trend im Herbst überspielt, jetzt ist er offensichtlich geworden. Um diese Jahreszeit wünschen wir uns doch Bücher, die es schaffen, Menschen in die Buchläden zu bringen, die sonst nicht unbedingt Buchkäufer sind. Letztes Jahr gab es davon reichlich – nicht nur große Autorennamen und viel Prominenz, sondern Nonsens-Bücher, die eigentlich keinen tieferen Sinn haben, aber trotzdem wie wild gekauft werden. Diesmal ist das Angebot deutlich überschaubarer.

Was lesen die Briten unter dem Weihnachtsbaum?

Die Nachfrage nach Kinder- und Jugendbüchern ist anhaltend hoch, wobei Autoren wie Jeff Kinney, David Walliams und J.K. Rowling eine Klasse für sich sind. Unterhaltungsliteratur läuft querbeet gut, aber die Spitzentitel kommen an die Zahlen des Vorjahres noch nicht heran. Die Leser lassen sich zurzeit einfach sehr schlecht ausrechnen. Sportbücher zum Beispiel. Eigentlich sind sie verlässliche Umsatzträger, doch aktuell herrscht Flaute. In einem Jahr, in dem britische Sportler bei Olympischen Spielen so gut wie nie abgeschnitten haben und in einem Land, in dem Fußball einen Stellenwert wie sonst nirgendwo hat, rangiert das meistverkaufte Sportbuch in unserer internen Bestenliste auf Rang 81 – und das stammt dann auch noch von einem irischen Rugbyspieler.

Ist das Klagen auf hohem Niveau?

Ganz sicher sogar. Es gibt in Großbritannien viele ermutigende Signale, allen voran natürlich die wiedergewonnene Stärke des gedruckten Buches. Die Buchbranche ist in einer sehr guten Verfassung, und zwar auch in Bereichen, in denen das nicht immer so war, sprich gehobene Unterhaltungsliteratur und anspruchsvolle Sachbücher. Unser bestverkaufter Titel ist derzeit ein Buch von Astronaut Tim Peake über seine Zeit an Bord der Raumstation ISS. Das Einzige, was uns wirklich fehlt, sind mehr von den bereits erwähnten Nonsens-Büchern als Türöffner.

Die anhaltende Brexit-Diskussion lässt die Konsumenten kalt?

Das würde ich so nicht sagen. Brexit und die damit verbundene Ungewissheit ist als Thema latent überall dabei; aber zumindest jetzt noch nicht als Konsumbremse. Ob und wie lange dieser Status quo anhält, steht in den Sternen.

Foto: Mike Massaro

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