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Über die Konstruktion der Erinnerung

Die Autorin Gila Lustiger (Foto: Heike Bogenberger) ist mit dem Jakob-Wassermann-Literaturpreis der Stadt Fürth ausgezeichnet worden, der mit 10.000 Euro dotiert ist. Sie liest zurzeit den Autor Italo Svevo: „‚Aber sie müssen bedenken, dass es eine Autobiografie ist, und zwar nicht die meine‘. – Es gibt wohl keinen zweiten Satz, der den genialen Roman besser auf den Punkt bringt. Svevo formulierte ihn in einem Brief an den Dichter Eugenio Montale und mit ihm umreißt er seine Poetologie von Zeno Cosini. ‚Ich ging wie er, rauchte wie er [Zeno], und ich stopfte in meine Vergangenheit alle seine Erlebnisse, die nur deshalb den meinen gleichen können, weil die Beschwörung eines einzelnen Erlebnisses eine Rekonstruktion ist …‘ Dass jede Form von Erinnerung eine Konstruktion ist, dass man schon übersetzt und in gewisser Weise auch verfälscht, wenn man nur eine Wahrnehmung mit einem Satz einzukreisen versucht, der doch den wohlgeordneten Regeln der Syntax unterliegt, und daher weder die Gleichzeitigkeit der Sinneseindrücke noch die Irrwege der Empfindungen wirklich einzufangen imstande ist, dieses Wissen um die Unzulänglichkeit der Sprache teilen die meisten Schriftsteller der Moderne. Nein, Zeno ist nicht Svevo. Wie könnte er auch, da Svevo doch beschlossen hat, wie Zeno zu denken und zu fühlen.“
Italo Svevo, „Zeno Cosini“. 640 S., 12,99 €, Rowohlt, ISBN 978-3-499-13485-2

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