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Städte und Händler sind gefragt

Die Innenstädte verlieren an Kundenfrequenz und mancherorts auch dadurch bedingt an Attraktivität. Mit der Veranstaltungsreihe „Allianz der Innenstädte“ wollen der Handelsverband Deutschland (HDE) und der Deutsche Gemeinde- und Städtebund (DStGB) dem Trend entgegenwirken. HDE-Hauptgeschäftsführer Stefan Genth (Foto: Die Hoffotografen) erklärt im Interview, wie das geschehen kann.

Das Problem ist erkannt, aber kann die Allianz mehr als ein in den Wind gesprochener Appell sein? 

Bei der Allianz für die Innenstadt geht es vor allem darum, dass vor Ort alle für die Stadtzentren relevanten Akteure an einen Tisch kommen und gemeinsam über Problemlösungen sprechen. Deshalb war die Veranstaltung in Hannover auch nur der Auftakt zu einer Reihe, mit der wir in diesem Jahr durch alle Bundesländer touren werden. Ich freue mich sehr, dass es hier gelungen ist, gemeinsam mit dem Deutschen Städte- und Gemeindebund ein Format zu entwickeln, dass viele wertvolle Anregungen und Ideen für lebendige Zentren liefert.

Wie kann die Abwärtsspirale der Attraktivität gestoppt werden, wenn immer mehr Läden schließen? 

Die Kunden wünschen sich hoch attraktive Innenstädte mit guter Atmosphäre und hoher Aufenthaltsqualität. Daher muss in eine gute Platzgestaltung aber auch in Baukultur investiert werden. Wir reden von sauberen Straßen und Fußgängerzonen und guter Verkehrsanbindung für Auto, öffentlichen Nahverkehr und das Fahrrad. Das Einkaufserlebnis für die Kunden muss stimmig sein, der Branchenmix in der Stadt interessant. Stadt und Handel sind gleichermaßen gefragt, die Innenstädte als attraktive Standorte zu erhalten. Daher haben wir auch mit dem Deutschen Städte- und Gemeindebund die Allianz für Innenstädte gegründet.

Gleichzeitig brauchen die Händler vielerorts auch politische Unterstützung. So ist beispielsweise die Ladenöffnung ein wesentlicher Faktor für vitale Innenstädte. Die Kommunen müssen ihre heute schon bestehenden Spielräume bei der Genehmigung von Sonntagsöffnungen besser ausnutzen. Die Hinzurechnungen von Mieten und Pachten bei der Gewerbesteuer müssen endlich entfallen. Für viele Händler kann das ansonsten in schlechten Jahren existenzbedrohend werden. 

Eine große Chance in Bezug auf die Gewinnung neuer Kunden liegt in der Digitalisierung, so dass die von Ihnen beschriebene Abwärtsspirale keine Einbahnstraße sein muss. Die große Verbreitung von Smartphones ermöglicht neue Kundenservices. Dazu müssen die Innenstädte digital werden. Das fängt bei öffentlichen WLAN-Netzen an und geht weiter bis hin zum Einsatz von Beacons und digitalen Coupons.

Wie lässt sich eine hoffnungsvolle Allianz schmieden aus klammen Kommunen, Händlern mit Umsatzrückgängen und Vermietern? Wo soll das Geld herkommen? 

Es geht gar nicht nur um Geld. Es geht vor allem um mehr gegenseitiges Verständnis zwischen allen Akteuren. Wenn alle an einem Strang ziehen, haben am Ende auch alle etwas davon. Vermieter brauchen finanzkräftige Mieter, Kommunen wollen vitale Zentren und die Händler sind auf hohe Kundenfrequenzen und ein attraktives Umfeld angewiesen. Gemeinsam können alle Beteiligten voneinander profitieren. 

Wie steht es um die Bereitschaft: Lassen sich Filialisten und Standorthändler zu lokalem Gemeinschaftsmarketing oder Kinderbetreuungsangebot zusammenbringen? 

Ja, der Einzelhandel ist vielfältig. Wenn aber alle Parteien feststellen, dass sie am Ende profitieren, dann klappt das auch mit gemeinsamen Aktionen. An einigen Orten funktioniert die Zusammenarbeit schon heute gut. Es gibt sehr erfolgreiche Citymanagementgesellschaften, Werbegemeinschaften und Business Improvement Districts, die alle unter ein Dach bringen. In anderen Regionen müssen wir noch daran arbeiten. Genau dieses Zusammenrücken soll die Allianz für die Innenstadt mit befördern.

Wenn der stationäre Handel nicht mehr wächst, sondern eher schrumpft, wo bleibt die Perspektive? 

Derzeit liegt der Umsatzanteil des Online-Handels im deutschen Einzelhandel zwischen neun und zehn Prozent. Der E-Commerce wächst allerdings seit Jahren zweistellig. Es ist also keineswegs so, dass der stationäre Handel völlig von der Bildfläche verschwindet – er steht nach wie vor für 90 Prozent des Umsatzes. Die Zukunftsperspektive liegt für viele stationäre Händler in der Verknüpfung von stationärem und Online-Geschäft. Ein Stichwort ist hier Click & Collect, also online bestellen und die Ware dann im Laden abholen. Dieser Multi- oder Crosschannel-Handel hält viele Chancen für die Handelsunternehmen bereit. Die Zukunft ist nicht online gegen stationär, sondern die Kombination aus beidem.

Geht die Schere zwischen Metropolstandorten und Kleinstädten weiter auseinander?

Wanderungsbewegungen innerhalb von Deutschland weisen einen eindeutigen Weg in Richtung der Großstädte und Metropolen. Die Formel klein gleich schwach und groß gleich stark ist jedoch zu eindimensional. Weitere Faktoren wie die Lage im Raum, das touristische Potenzial, die Zentralität oder auch der bestehende Branchenmix bestimmen ebenfalls die Zukunftsaussichten der Städte.

Es ist zwar richtig, dass sinkende Kundenfrequenzen in den kleineren Gemeinden den Handel stärker treffen als in den frequenzstarken Oberzentren. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass die B-Lagen in diesen Städten ebenfalls hoch betroffen sind und die Frequenzverluste in den A-Lagen besonders signifikant sind.

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