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Dieser Gesetzesentwurf schadet allen

Der Referentenentwurf des Bundesjustizministeriums zur Reform des Urhebervertragsrechts (PDF) sorgt weiter für Verstimmung in der Branche. Nachdem zuletzt die Kurt Wolff Stiftung vor dem drohenden „Turbokapitalismus“ warnte, folgen Verlage, Autoren und Agenten mit einem offenen Brief an die Regierung. Ziel: Das geplante Rückrufsrecht für Urheber kippen.

Initiatoren des Briefs, über den der SPIEGEL in der aktuellen Ausgabe 51/2015 berichtet, sind die Agentin Elisabeth Ruge und die Verleger Jonathan Landgrebe (Suhrkamp) und Jonathan Beck (CH Beck).

Hintergrund des offenen Briefs: Sollte der Gesetzesentwurf durchgewunken werden, könnte ein Autor, sobald fünf Jahre seit seiner Manuskriptabgabe vergangen sind, die Rechte vom Verlag zurückrufen, falls ihm ein besseres Angebot vorliegt. Der ursprüngliche Verlag muss dann die neuen Konditionen des Gegenangebots akzeptieren, er hat ein „Vorkaufsrecht“ – oder er verliert den Autor. 

Diese Regelung helfe weder den Verlagen noch den Autoren, so die Initiatoren der Kampagne. „Unter dieser Voraussetzung wird es den Verlagen unmöglich, Risiken einzugehen und in Bücher mit langfristiger Perspektive zu investieren, gerade dann, wenn mit ihnen eben keine kurzfristigen Gewinne verbunden sind“, heißt es in einer Erklärung zum Brief. „Unter solchen Voraussetzungen wäre es Verlagen nicht einmal mehr möglich, Übersetzungen ins Ausland zu vergeben, da sie auch den ausländischen Verlagen nur für wenige Jahre die Möglichkeit zur Veröffentlichung garantieren könnten. In der bisherigen Form stellt der Gesetzesentwurf alles in Frage, wofür die Verlage, die mit ihren Autorinnen langfristig zusammenarbeiten möchten, stehen.“

Unter den Unterzeichnern sind auf Verlagsseite u.a. Wolfgang Balk, Nicola Bartels, Jörg Bong, Siv Bublitz, Gunnar Cynybulk, Marcel Hartges, Daniel Kampa, Antje Kunstmann, Jo Lendle, Helge Malchow, Thomas Rathnow, Georg Reuchlein, Andreas Rötzer und Joachim Unseld. Von Autoren-Seite gibt es u.a. diese Befürworter: Hans Magnus Enzensberger, Durs Grünbein, Jürgen Habermas, Peter Handke, Ulrike Kolb, Alexander Kluge, Sibylle Lewitscharoff, Charlotte Link, Judith Schalansky, Ingo Schulze, Uwe Tellkamp und Frank Witzel. Unter den Agenten ist neben Elisabeth Ruge Peter S. Fritz der bekannteste Name. 

Der Brief im Wortlaut:
Sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin Merkel,
sehr geehrte Frau Staatsministerin Grütters,
sehr geehrter Herr Bundesjustizminister Maas,
sehr geehrter Herr Bundeswirtschaftsminister Gabriel,
das im Koalitionsvertrag zwischen CDU/CSU und SPD vereinbarte Vorhaben, die wirtschaftliche Lage von Autor*innen und anderen Urhebern zu verbessern, ist selbstverständlich zu begrüßen. Die nun vorgelegte Gesetzesnovelle, die die Planungssicherheit von Verlagen durch neue Ausstiegsklauseln für Autor*innen auf wenige Jahre nach Erscheinen eines Buches reduziert, ist jedoch kontraproduktiv. Sie verbessert wenn überhaupt, dann höchstens die Stellung von wenigen Erfolgsautoren, auf Kosten der langfristigen Bindungsfähigkeit vor allem der mittleren und kleinen unabhängigen Verlage. Das dient weder dem Interesse der Autor*innen noch der Bewahrung unserer vielfältigen Kulturlandschaft.
Hinzu kommt, dass wir uns in einer Phase befinden, in der Verlage in neue Technologien, Formate, Geschäftsmodelle investieren müssen, um das deutschsprachige Verlags- und Buchwesen mit seiner bedeutenden, reichhaltigen Tradition zukunftsfähig zu machen. Wie soll das geschehen, wenn es keine ausreichende Planungssicherheit gibt? Dieser Gesetzesentwurf schadet allen, nicht zuletzt den Autor*innen.
In den Medien wird ein Verteilungs- und Interessenkonflikt zwischen Autor*innen und Verlagen heraufbeschworen, dem wir mit diesem gemeinsamen Brief entschieden widersprechen möchten. Wir wünschen uns ein Urheberrecht, das neben der urheberrechtlichen Kreativität und Selbstbestimmung der Autor*innen auch die Leistungen ihrer Verlage schützt und die vertrauensvollen, langfristigen Beziehungen zwischen Verlagen und Autor*innen fördert, statt sie zu untergraben.

Kommentare

3 Kommentare zu "Dieser Gesetzesentwurf schadet allen"

  1. Dar Urhebervertragsrecht gilt nicht nur für Buchautoren sondern für viele alle anderen Urheber ebenfalls. Dort sind fünf Jahre aktive Verwertungszeit teilweise ein Traum. Was alle Kritiker gern übersehen bzw. verschweigen, ist die Möglichkeit, lt. § 36 auf die Branche abgestimmte Regelungen zwischen Verwertern und Vereinigungen von Urhebern abzuschließen. Auf diese Weise können z.B. auch abweichende Fristen rechtsgültig vereinbart werden.

  2. Man kann das Thema mit einem einfachen Titel gut zusammenfassen:
    Much Ado About Nothing

  3. Krokodilstränen und fadenscheinige Argumente
    Den Krokodilstränen, die Verleger hier weinen, finde ich eher zum Lachen – und die Argumente fadenscheinig. Autoren sollen und müssen ein Recht zur Rückholung nach 5 Jahren haben!! Und das auch, wenn kein Folgeverwerter winkt! Das Recht, Verträge frei zu gestalten und auch wieder zu kündigen, muss einfach für beide Parteien gegeben sein. Und ich frage mich, wieso sich der Gesetzgeber hier schon wieder einmischt und einen auf „wir müssen die armen Autoren schützen“ mimt.
    Hinzu kommt:
    1) Verlage verwerten die meisten Bücher meist viel kürzere Zeit als 5 Jahre, oftmals nur 2-3 Jahre. Nur Standardwerke leben länger. Nach 2-3 Jahren „sitzen“ die Verlage auf den Rechten und rücken sie nicht wieder an die Autoren heraus, weil sie das Buch als E-Book noch vermarkten wollen, selbst wenn sich dann nur 3 Exemplare pro Jahr verkaufen. Insoweit sollten Autoren einen Schlusstrich ziehen können nach 5 Jahren.
    2) Auch die ausländischen Lizenzen sind heutzutage schon längst alle zeitlich befristet und laufen auch nicht länger als 3-4 Jahre.
    3) Das Buchgeschäft ist sehr, sehr schnellebig geworden. Heute kräht kein Verlag mehr danach, was er vor 5 Jahren publiziert hat.
    4) Meiner Beobachtung nach sind Verlage an „Folgeverwertungen“ von Büchern, die in anderen Verlagen liefen, kaum interessiert. Nur Longseller und gemeinfreie Werke werden von Verlag zu Verlag weitergereicht.
    4) Der Interessenkonflikt zwischen Autoren und Verlagen ist längst schon da (siehe konstante Abwanderungswelle von Autoren Richtung Selfpublishing). Er wird durch den Gesetzentwurf weder gelöst noch heraufbeschworen.
    5) Zufriedene Autoren werden nach 5 Jahren nicht abwandern zur Konkurrenz. Doch unzufriedene müssen die Möglichkeit zur Vertragskündigung haben.
    Verlage wollen alle Rechte am liebsten bis in die Ewigkeit besitzen – doch für 99 % aller Autoren wird herzlich wenig getan. Und als Argumente werden dann die 1 % Bestseller ins Feld geführt, für die angeblich eine längere Vermarktungszeit nötig ist. Dabei ist nach 5 Jahren schon der nächste Ken Follett, der nächste Dan Brown usw. auf dem Markt. Der Gesetzentwurf ist so genauso überflüssig wie der Protest dagegen.

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