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Gräben schließen und Lösungen finden

Nina George (Foto: Urban Zintel) ist nicht nur international als Bestsellerautorin erfolgreich, sondern engagiert sich auch für Autorenrechte und Branchenthemen. Im buchreport.de-Jahresrückblick bilanziert sie die Diskussionen des Jahres 2015 und plädiert für „bewusstes gegenseitiges Wohlverhalten“.

Das hat mich am meisten gefreut:

Am 1. und 2.12.15 ist das Thema Urheberrecht bei der Zukunftskonferenz Urheberrecht in der Akademie der Künste Berlin in der Politik angekommen. Justizminister Maas, Kulturstaatsministerin Grütters, EU-Kommissar Oettinger haben sich klar positioniert – nach einer fast zu langen Zeit des Zögerns.

Ob Rechtsdurchsetzung, Piraterie und Urhebervertragsrecht, übergeordnete Fragen wie Datenschutz, Verantwortung der Intermediäre, der Hoster und Provider, Gefahren der Informationsmonopole, oder die Entscheidung, in welcher digitalen Gesellschaft wir mit welchen Werten, Regeln und neuen Offenheiten miteinander leben wollen: mit diesen Themen war ich jetzt vier Jahre auf ehrenamtlicher politischer Tournee. Jetzt endlich wird wahr- und ernstgenommen, was uns Autorinnen und Autoren schon lange bewegt und uns – in Gestalt der Piraterie aber auch der einst so polemisch-substanzlosen Netzpolitik – durchaus gedemütigt und unumkehrbar geschadet hat.

Wir müssen nun Gräben schließen und Lösungen finden, die nicht nur für eine Legislaturperiode sexy sind oder nur einem Beteiligten nutzen, sondern die eine Zukunft der diversen, wirtschaftlich wie inhaltlich unabhängigen Literatur garantieren. Wir müssen Zugang zu unseren Werken weiterhin ermöglichen – aber zu Bedingungen, die wir Schaffenden verantworten wollen. Und können.

Abgesehen davon freue ich mich sowas von über den immensen Erfolg des „Lavendelzimmers“ in den USA, das erst auf der New York Times Bestsellerliste landete, und zurzeit zu den beliebtesten Büchern des Jahres der US-Bibliothekare als auch der Buchhändler von Barnes & Noble gehört.

Das hat mich am meisten geärgert:

Die zunehmende Hitze, mit der in sozialen Medien aufeinander losgegangen wird. Und wie dieses Verhalten von Krawall-Medien wie heise.de durch (bewusst?) verzerrte Zitate nicht gerade verhindert wird. 2015 war das Jahr des Zorns. Ich habe gegen Hass-E-Mails an mich – ausgelöst durch Themen wie E-Books und Wiederverkauf: Risiken und Nebenwirkungen – Strafanzeige gestellt, die Hass-Schreiber sind inzwischen verurteilt.

Es scheint mir sehr viel Enttäuschung und Wut zwischen manchen Autorinnen und manchen Verlagen zu geben; diese zum Teil berechtigte Wut kulminiert dann aber in einem überzogenen und informationsresistenten VG Wort Bashing betreffs Verlegerbeteiligungen an der Privatkopievergütung. Natürlich muss man über diese Fragen deutlich reden; doch in welchem Ton?

Die Teilnehmer der Buchbranche wollen, so scheint mir, generell immer weniger voneinander wissen: Warum z.B. sind Autoren und Autorinnen enttäuscht, sollten Verlage genauer hinhören? Und Autorinnen und Autoren ebenso: Warum sind Verlage entsetzt, wenn ihnen Leistung und Notwendigkeit abgesprochen wird?

Hört einander zu, redet miteinander, bleibt differenziert: Wir sind eine vielfältige Branche, wir müssen zusammen Lösungen finden.

Das war mein größter Irrtum:

Zu glauben, dass Reden, Informieren und Zuhören helfen, um die Hitze zu lindern. Aber ich werde diesen Irrtum weiter führen.

Das habe ich 2015 am liebsten gelesen:

Jon Kalman Stefansson. Und freundliche Worte.

Diese 3 Punkte stehen auf meiner persönlichen Agenda 2016:

  • Eine ordentliche Lese-Tour mit „Das Traumbuch“ hinlegen
  • Ab und an keine Agenda haben.
  • So leben, dass ich nicht am Ende bedaure, nichts gesagt oder etwas gewagt zu haben.

Das muss sich in der Buchbranche 2016 ändern:

Ich plädiere für bewusstes gegenseitiges Wohlverhalten. Wir Buchmenschen leben in einer Symbiose. Sie ist derzeit einer heftigen Evolution unterworfen, Machtpositionen werden neu verhandelt. Diese nötige Entwicklung sollte uns nicht vergessen lassen, dass wir daneben viel größere Probleme haben. Sie heißen Amazon, Google, Piraterie, Handelsware E-Leserdaten, und eine grassierende Mentalität zugunsten von Konsum und Bequemlichkeit, statt zugunsten von Freiheit und Kultur.

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