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Wir hätten mehr Zeit benötigt

Der zur Aufbau-Gruppe gehörende Metrolit Verlag wird fürs erste kein neues Programm auflegen. Im Interview erklärt Verlagsleiter Peter Graf, warum die wirtschaftlichen Erwartungen nicht erfüllt wurden.

Woran hat es gelegen? Warum hat Metrolit trotz des Vertriebsverbundes wirtschaftlich nicht funktioniert?

Seit der Veröffentlichung unserer Pressemeldung erreichen mich zahlreiche Mails und Anrufe.  Aufrichtige Beileidsbekundungen, Lob für das bis anhin geleistete, aber häufig steht Irritation und Verwunderung im Vordergrund: Warum wird die als sehr erfolgreich wahrgenommene Programmarbeit nicht fortgesetzt? Grundlage der Entscheidung sind einerseits die tatsächlich nicht zufriedenstellenden Zahlen, aber auch eine unterschiedliche Einschätzung des bisher Erreichten. Ich glaube, dass sich alle Mitarbeiter und Autoren des Verlages  in einer Weise für den Aufbau und das Programm des Verlages eingesetzt haben, die weit über das normale Maß hinausging. Diese Mischung aus Sachkenntnis, Leidenschaft und echter Hingabe ist ja das Schmiermittel, das vielen Akteuren im Buchhandel, bei den Verlagen ebenso wie im Sortiment, eine Kraft verleiht, die geradezu im Gegensatz zu den ökonomischen Bedingungen steht, unter denen sehr viele von uns arbeiten. Man sollte diese Energie nicht unterschätzen.  Sie ist das eigentliche Kapital.  Meine persönliche Einschätzung ist, dass wir sehr viel erreicht und mehr Zeit benötigt hätten, um uns in den nächsten ein, zwei Jahren auch wirtschaftlich zu konsolidieren. Aber diese Bewertung hat sich letztendlich nicht durchgesetzt und es fehlte an anderer Stelle der Glaube, dass die Stellung,  die der Verlag sich erarbeitet hat, sich rasch in ein positives Geschäftsergebnis ummünzen lässt. Deshalb ist der jetzige Schritt aus meiner Sicht überaus bedauerlich und ich halte ihn für falsch, gleichwohl ist er konsequent. Und weil ich als Mitarbeiter und Mitgesellschafter des Verlages ausscheiden werde, bleibt zumindest der Wunsch und die Hoffnung, dass die anderen Gesellschafter einen Weg finden, Metrolit doch so fortzusetzen, dass die bisherige Arbeit nicht umsonst gewesen ist und das Besondere, das diese Marke vor allem auszeichnet, erhalten bleibt. Und insofern bin ich selbst gespannt, ob und wie es weitergehen wird. Einfach wird das nicht.  Eingebunden in diese Gedankenspiele bin ich nicht mehr, aber um auf Ihre eigentliche Frage zu sprechen zu kommen, neben vielen anderen Faktoren, ist die Frage der richtigen Vertriebsstrategie entscheidend. Ein Programm wie das unsrige ist beratungsintensiv, man muss Vertrauen aufbauen, Vorurteilen entgegentreten, beispielsweise dem, dass Metrolit nur ein Verlag für die großen Städte sei, dass das Programm zu speziell ist, um auch in der Provinz Leser zu finden. Auch das braucht Zeit und eine überdurchschnittliche Presse zu einzelnen Titeln ist heutzutage kein Garant mehr für gute bis sehr gute Buchverkäufe. Ob ein vergleichsweise kleiner Verlag mit einem eher außergewöhnlichen Programm vertrieblich besser in einem Vertriebsverbund  wie der von Aufbau gegründeten VBMV aufgehoben ist oder besser mit einem eigenen Vertriebsmitarbeiter antritt, der die, sagen wir mal 200, für den Verlag wichtigsten Kunden anspricht und betreut, ist dabei eine der interessanten Fragen. Ich glaube, ein kleiner Verlag sollte diese Option zumindest in Erwägung ziehen, die Kontaktpflege in den Handel eigenständiger als geschehen zu organisieren und die bescheidenen Kapazitäten so einsetzen, dass die direkte Leseransprache noch mehr in den Mittelpunkt rückt. Darauf würde ich, stände ich weiterhin in der Verantwortung, fokussieren.

Sind die Zeiten schlecht für aussergewöhnliche Programme?

Deshalb  lässt sich auch diese Frage nicht eindeutig beantworten. Die Wertschätzung, die unseren Büchern entgegengebracht wird und die Verkaufserfolge, die wir trotz allem hatten, auch was das nationale und internationale Lizenzgeschäft angeht, haben mir gezeigt, dass wir vieles richtig gemacht haben. Trotzdem muss man sagen, dass der Buchhandel sich stark verändert hat. Er ist, um ein Bild zu bemühen, immer mehr zu einem Nadelöhr geworden. Es wird schwerer, das Programm in der Breite sichtbar im Markt zu verankern, und andererseits sind da die Leser, die man mit den eigenen Büchern und Stoffen in größerer Zahl begeistern könnte, aber mitunter nur unzureichend erreicht.  Wir haben im Rahmen unserer Möglichkeiten auf eine Mischung aus intensiver Pressearbeit, vielen Lesungen und Veranstaltungen gesetzt, Buchhändlerabende veranstaltet, um unsere Novitäten vorzustellen und beispielsweise während der Frankfurter Buchmesse mit dem „book-bistro“ einen Ort der Begegnung geschaffen. Damit waren unsere Möglichkeiten dann aber auch ausgereizt, sowohl was die Arbeitkraft der wenigen Mitarbeiter als auch die finanzielle Ausstattung anging. Ein Werbebudget, das so groß ist, dass es tatsächlich eigenständig Wirkung entfalten könnte, haben wir, wie so viele andere Verlage unserer Größe, nicht gehabt.

Ist der Handel zu stark auf Mainstream und sichere Titel abonniert?

Ein mutiges Programm braucht mutige und selbstbewusste Buchhändler, die den Mainstream mit dem Besonderen zu verbinden wissen. Da wünscht man sich als Verleger mitunter schon mehr Innovation, aber die lässt sich nicht erzwingen, man muss mit jedem Programm aufs Neue neugierig machen und überzeugen und dazu braucht man, das ist nun mal das bestechendste Argument, vor allem den weithin sichtbaren Bucherfolg. Den muss man sich erarbeiten, Autorinnen und Autoren mittelfristig aufbauen und durchsetzen. Denn wir konnten auch nie wirklich tief in die Schatulle greifen und vermeintliche Bestseller einkaufen. Wer nicht an den Lucky Punch glaubt, muss Konzepte entwickeln und sich auf andere Weise programmatische Substanz aufbauen, und manchmal braucht das mehr Zeit als einem zur Verfügung steht. Und die eigentlich wunderbare Tatsache, dass auch andernorts fantastische Programme aufgelegt werden, soll ja auch nicht verschwiegen werden. Es nehmen immer noch so viele Akteure an diesem Wettstreit teil, dass es einem durchaus den Atem verschlagen kann. Und ein gutes Programm alleine reicht längst nicht mehr aus, um ans Ziel zu kommen. Dennoch glaube ich, dass es auch zukünftig für das ungewöhnliche und gut ausgestattete Buch einen Markt geben wird. Aber man muss ihm auch Platz einräumen wollen.

Hat dem Programm die Spitze gefehlt? Ist es auch ein Zeichen für die wachsende Schere zwischen Spitze und zweiter Reihe?

Auch bei Programmen von 6 bis 8 Titeln pro Halbjahr hat sich vielerorts die Erkenntnis durchgesetzt, dass man auf Spitzentitel setzen muss. Das ist aber auch eine Selbstbeschränkung, denn man entzieht den übrigen Büchern so automatisch einen Teil der Aufmerksamkeit, suggeriert, dass diese Bücher womöglich weniger wichtig und schlechter verkäuflich sind. Das ist bei einem Programm wie dem des Metrolit Verlags jedoch gefährlich. Das Programm ist so aufgestellt, dass es in der Summe dann funktioniert, wenn jedes Buch seinen Beitrag am Gesamterfolg leistet. Die Erfahrung hat gezeigt, dass wir auch mit sehr gut lesbaren Stoffen und einer überdurchschnittlich großen und positiven Medienpräsenz nur schwer über eine gewisse Schwelle hinauskommen.

Sind die Marketingbudgets für Bücher ohne Bestsellerhoffnung einfach zu klein?

Vielleicht liesse sich das im Einzelfall durch ein größeres Marketingbudget, wenn es klug eingesetzt wird, ändern, aber woran soll man das im Vorfeld festmachen? Die Zahl der Vormerker ist auch bei vom Vertrieb und dem Buchhandel sehr positiv eingeschätzten, also als gut verkäuflich geltenden Titeln, überschaubar.  Das Geld, das man für flächendeckende Werbung einsetzen müsste, also für das mehrmalige Schalten von Anzeigen in den überregionalen Feuilletons und für Online-Kampagnen, übersteigt unsere Möglichkeiten. Da ist schnell eine Größenordnung erreicht, bei der man sich fragen müsste, ist es nicht sinnvoller, für dieses Geld ein halbe Stelle einzurichten und so noch mehr für das einzelne Buch tun zu können? Wir hatten beispielsweise einen Krimi im Programm, den viele bedeutende Publikumsverlage gerne im Programm gehabt hätten und wo die Taschenbuchrechte ein vielfaches von dem erlöst haben, was wir für den Titel ausgegeben haben und das Buch stand über Monate auf der Krimibestenliste. Ein Roman, der sich, davon bin ich überzeugt, in einem größeren Verlag erheblich besser verkauft hätte. Es war auch so ein schöner Erfolg, doch solch ein Buch zeigt auch die Grenzen auf, innerhalb derer sich ein noch junger Verlag bewegt. Selbst ein in jeder Hinsicht überzeugendes „Produkt“ geht nicht automatisch durch die Decke und man braucht schon sehr viel Mut, um so viel Geld in die Bewerbung eines solchen Titels zu stecken, um die Verkaufszahlen dadurch spürbar nach oben zu schrauben. Denn geht es schief, ist auch dieser ökonomische Erfolg direkt wieder verspielt. Der Hundertmeterlauf ist nicht die Paradedisziplin kleinerer Verlage, es ist die Mittelstrecke und da ist vor allem Ausdauer gefragt. Einem mittleren Erfolg muss man weitere folgen lassen bis die Zeit für einen Bestseller reif ist.  

Was nehmen Sie für Ihre eigene Arbeit aus der Metrolit-Erfahrung mit.

Ich bin stolz auf das, was wir in kurzer Zeit geleistet haben und natürlich traurig, den Weg in dieser Form nicht weitergehen zu können. Aber wenn die Bedingungen stimmen, mache ich weiterhin das, was ich am besten kann und am liebsten tue: mich in den Dienst guter Bücher stellen. Ob als Verleger oder als Mittler, darüber werde ich in den nächsten Wochen nachdenken. Ich bin jedenfalls keineswegs entmutigt, nur ein bisschen erschöpft.

Fotos: Verlag

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