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Schöne Ebooks – gibt es die wirklich?

„Ein Unfug, ein Beschiß und ein Niedergang“, wetterte orthographisch nicht ganz korrekt ein Buchdesigner über Ebooks, und „Zur Ästhetik des Ebooks kann ich gar nichts schreiben, denn es gibt sie nicht.“ Bei den Praktikern des elektronischen Lesens sind differenziertere Stimmen zu hören – allen voran bei Robert Goldschmidt. Er hat es sich zur Aufgabe gemacht, die schönsten deutschsprachigen Ebooks zu finden und auszuzeichnen. Ein Auszug aus dem Interview, das Goldschmidt pubiz.de gegeben hat (hier komplett zu lesen).

Robert Goldschmidt, schon das zweite Mal suchen Sie in diesem Sommer „Die schönsten deutschsprachigen eBooks“ für Ihren Deutschen eBook Award. Ein schönes Ebook – gibt es sowas überhaupt?

Würde ich nicht daran glauben, hätte ich ich ein ernstes Problem, den Award zu rechtfertigen. Natürlich ist Schönheit ein subjektiver Begriff, der auch immer vom persönlichen Empfinden geprägt ist. In der Jury versucht das Team allerdings Urteile zu fällen, die transparent und für jeden nachvollziehbar sind. Die Wahl der Sieger des letzten Jahres wurde auch mit großer Zustimmung aufgenommen, was unsere Arbeit in dieser Hinsicht bestätigt. Andererseits ist uns auch bewusst, dass Begriffe wie „Ästhetik“, „Design“, „Schönheit“ ein weites Feld für persönliche Interpretation zulassen. Insofern kann ich auf die Frage antworten: Ja, schöne Ebooks gibt es, aber keine Perfektion. Der Award soll dies beweisen. Wenn Leute sagen. dass es keine schönen Ebooks gibt, frage ich mich eher, warum sie dann nichts an dieser Situation ändern. 

Die wenigsten werden einem E-Reader, Tablet oder Smartphone jede Schönheit absprechen. Aber was sich auf den Bildschirmen zeigt, ist doch mit Verlaub Lesefutter, das nach Lesefutter aussieht.

Lesefutter, wie Sie es nennen, ist keine Erfindung der Digitalisierung. Das haben Verlage schon lange vorher in Print geübt und auf Ebooks übertragen. Häufig hört man als Argumente für Ebooks, dass sie nichts wiegen und keinen Platz wegnehmen und dass der Leser Schriftgröße oder Schriftart selbst auswählen kann. Das ist eine Argumentation, die auf der völligen Unabhängigkeit des Textes von seiner äußeren Form basiert, um es mal positiv auszudrücken. Ich finde das durchaus in Ordnung, da der Text oder vielmehr der Inhalt auch für sich alleine sprechen darf. Das sollte Literatur schon leisten können. Die Form kann aber auch dem Inhalt dienen, um ihn zu erläutern, um ihn einzubetten oder um ihn künstlerisch zu komplementieren. Die Entscheidung, einem Ebook eine eigene Form zu geben, die auch im Rahmen des Awards eine Rolle spielt, steht und fällt mit dem Anspruch der Autoren, Verlage und Leser an das Werk. Diese Werke haben es verdient, gefördert zu werden. 

Was ist denn dann Ihre Definition von Ebook und – noch wichtiger – von Nicht-Ebook im Kontext des Award? Sind multimediale Produktionen wie die von „Matter“ oder „deepr“ nicht genauso Ebooks wie ein enhanced Ebook?

Ich kann keine eindeutig Definition dazu abliefern. Wir haben festgestellt, dass fünf Personen sechs Meinungen dazu haben, was ein Ebook ist und was nicht. Alle sehr eindeutigen Definitionen, die eine scharfe Abgrenzung ermöglichen, waren sehr unbefriedigend und orientieren sich zu stark an den Vorstellungen, die man bei gedruckten Büchern kennt. Bei Printtiteln hat sich nie wirklich die Frage nach einer Buchdefinition gestellt, da es hierfür Hilfsmittel wie die ISBN oder die Erklärung der UNESCO gibt, die jedoch auch eher willkürlich wirkt. Mit Ebooks wird die Frage danach, was ein Buch ist, erstmals wirklich relevant. Das finde ich sehr spannend. Eine Definition dient ja schließlich der Abgrenzung gegenüber anderen Medienformen, ist also identitätsstiftend für eine Branche. Werden diese Grenzen zu eng gefasst, bekommen wir Innovationsprobleme, da wir auch unsere Spielräume und unser Denken begrenzen. Ebooks sind sehr starken, vor allem multimedialen, Entwicklungsprozessen unterworfen. Daher ist eine Definition zum jetzigen Zeitpunkt kaum allgemeingültig. Diesbezüglich spielt der Award auch eine große Rolle, da wir mit den Siegern und Nominierten den Begriff eBook progressiv erweitern wollen. Sie können also daran ablesen, was für mich auf jeden Fall Ebooks sind. 

Es gibt in Deutschland alt etablierte Institutionen, die sich mit Fragen der Ästhetik und Funktion bei Medienprodukten befassen. Wären das keine geborenen Partner?

Das analoge Äquivalent des Deutschen eBook Awards ist der sehr bekannte Preis der Stiftung Buchkunst für das schönste deutsche Buch. Mit dieser Institution zu kooperieren, wäre sicherlich eine gute Möglichkeit, Synergien zu schaffen. Gleichzeitig könnte man damit auch ein Statement dafür liefern, dass Print und Digital nicht zwangsläufig getrennt betrachtet werden müssen. Man sieht dies deutlich anhand der Literaturpreise, die in der Regel nur Printtitel berücksichtigen. Diesen Weg wollen wir grundsätzlich nicht gehen.

Leider hat sich dieses Jahr keine Kooperation mit der Stiftung Buchkunst ergeben. Die Gründe sind mir leider nicht bekannt. Wir stehen aber einer Zusammenarbeit weiterhin aufgeschlossen gegenüber.

Das komplette Interview ist auf pubiz.de zu lesen.

Robert Goldschmidt begründete 2014 den „Deutschen eBook Award“, der die schönsten deutschsprachigen Ebooks auszeichnet. Unterstützung erfährt er von einer wechselnden Jury und von Sponsoren – unter anderen der Web-Agentur Wirth & Horn, der Frankfurter Buchmesse, der APPSfactory und der Akademie der Deutschen Medien. Im Hauptberuf ist Robert Goldschmidt nach Stationen bei Wirth & Horn, dem GRIN Verlag, wissen media und dem Kunstmann Verlag Projektmanager bei der Agentur Docmine. Robert Goldschmidt studierte nach einer Buchhändler-Ausbildung Buchwissenschaft an der Universität München.

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Fotos: Vedat Demirdöven

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