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Dagegen sind die Minions Quantenphysik

SPIEGEL Online nimmt sich jede Woche den wichtigsten Neueinsteiger, Aufsteiger oder den höchstplatzierten Titel der SPIEGEL-Bestsellerliste vor – im Literatur-Pingpong zwischen Maren Keller und Sebastian Hammelehle. Diesmal: Fredrik Backmans (Foto: Gaby Gerster) Roman „Oma lässt grüßen und sagt, es tut ihr leid“ steigt neu auf Platz 8 in die SPIEGEL-Bestsellerliste ein. Diskutiert wird die entscheidende Frage: Und das soll ich lesen?

Hammelehle: Oma lässt also grüßen und sagt, es tut ihr leid – was eigentlich?

Keller: Zum Beispiel, dass sie dem Hund im ersten Stock so lange keine Süßigkeiten mehr vorbeigebracht hat. Deshalb muss ihre siebenjährige Enkelin Elsa während der Mieterversammlung hochschleichen und Schokoriegel durch den Briefkastenschlitz werfen und Grüße ausrichten. Kann die Oma nämlich nicht selber machen. Weil sie im Krankenhaus liegt.

Hammelehle: Womit wir beim Thema wären: Erst kommt die Krankheit und dann leider der Tod. Die titelgebende Oma stirbt zu Beginn des Buchs. Man könnte es wohl der Gattung Comedyroman mit ernstem Hintergrund zuordnen, geeignet für kindische Erwachsene und für nicht allzu erwachsene Kinder.

Keller: Also für Elsas und Omas von Elsas. Das ist die Figuren-Grundkonstellation: eine frühreife Siebenjährige. Und eine kindische Erwachsene, die nachts in Zoos einbricht und heimlich auf dem Klo raucht. Eigentlich ist die Grundidee der Geschichte eine Garantie für Rührung: Oma hinterlässt Elsa Aufgaben, die ihr helfen, mit dem Verlust zu leben und sich selbst zu finden. Hat bei „P.S. Ich liebe dich“ oder „Morgen kommt ein neuer Himmel“ ja hervorragend funktioniert. Da muss man schon eine Menge „Superdupers“ benutzen, um so eine Geschichte zu ruinieren. Backman hat das geschafft und ich hoffe, es tut ihm leid!

Hammelehle: Seine Sprache ist allerdings mitleiderregend. Der komplizierteste Satz in „Oma lässt grüßen und sagt, es tut ihr leid“ ist der Titel. Das Buch ist fast durchgehend im Präsens geschrieben, es ist auf geradezu schmerzhafte Form leicht verständlich. Aber ein Roman ist keine Gebrauchsanweisung. „Oma lässt grüßen und sagt, es tut ihr leid“ fehlt eigentlich alles, was einen gelungenen Roman ausmacht. Durch die vielen Witze und Markennamen wird es nicht besser.

Keller: Im Fall von Daim habe ich dafür Verständnis. Nicht dass sich irgendein Leser noch Bounty-Riegel vorstellt! Allerdings hat Backman tatsächlich einen Hang dazu, alles ganz, ganz deutlich zu benennen. Ich weiß gar nicht, wie oft er darauf hinaus will, dass Elsas Oma und Elsas Mutter gegensätzlich sind.

Hammelehle: Im Vergleich zu diesem Buch sind die Minions Quantenphysik. Und jetzt soll ich fragen: Und das soll ich lesen?

Keller: Ja. Im schwedischen Original. Es ist das perfekte Buch für Leseanfänger.

Maren Keller ist Redakteurin beim KULTUR SPIEGEL. Sie lässt ihren Vater herzlich grüßen.

Sebastian Hammelehle ist Kulturredakteur beim SPIEGEL. Er liest gerade „Wer die Nachtigall stört“ von Harper Lee, auch ein Buch mit einem frühreifen Schulkind.

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