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Adam und Eva im Kauf-Paradies

Diana Jaffé hält Gender Marketing für den wichtigsten aller Marketing-Ansätze für die kommenden Jahrzehnte. Gender Marketing ist weit mehr als nur ein Trend. Was das Gender Marketing ausmacht, was es von anderen Methoden unterscheidet, wie man daraus Lösungen für drängende Probleme generiert, welche positiven Auswirkungen es auf die Positionierung, Markenführung, Produktentwicklung und sonstige Alleinstellungsmerkmale hat, erläutert sie im pubiz-Interview. Nachfolgend ein Auszug.

„Gender Marketing“ heißt die Disziplin, die Sie seit fast 15 Jahren betreiben. Sollen Webseitenbetreiber Gender Marketing betreiben, um das korrekte Miteinander der Geschlechter zu fördern?

Nein. Hier geht es nicht um soziale oder juristische Fragen oder um Fragen der Gerechtigkeit. Es geht ganz klar um wirtschaftliche  Interessen. Es geht darum, der Kundschaft das zu geben, was sie geschlechtsspezifisch möchte, und damit die Wirtschaftlichkeit von Unternehmen zu erhöhen.

Was möchte denn die Kundschaft?

Kundinnen und Kunden kaufen – je nach Warengruppe – sehr unterschiedlich ein. Unsere Untersuchungen haben vier unterschiedliche Kaufarten zutage gefördert: Frauen kennen den Einkauf und das Shopping, Männer betreiben Bedarfs- und Luxuskäufe. Alle vier Arten des Kaufens unterscheiden sich profund. Der Einkauf und der Bedarfskauf dienen der schnellen Besorgung alltäglicher und uninteressanter Waren, wohingegen Frauen beim Shoppen und Männer beim Luxuskauf großes Vergnügen erleben. Männer kaufen auch sehr gern, wann immer eine Anschaffung ihr Hobby betrifft oder den Erwerb eines Statussymbols zum Ziel hat.

Woran erkennen Sie, dass ein Web-Anbieter die Regeln des Gender Marketing nicht beherzigt?

Es beginnt damit, wie die Seite auf den ersten Eindruck aussieht und vor allem, ob die Angebotspräsentation den genannten Kaufarten der Zielgruppen angepasst ist. Wer shoppt, will visuell mit Schönem empfangen und bei der Produktauswahl inspiriert werden, also Neues entdecken. Wer einen lästigen Bedarfskauf hinter sich bringen will, braucht einen schnellen Weg zum Produkt und dann zur Kasse. Shopper und Luxuskäufer erwarten quasi die Stimulierung ihres Belohnungszentrums im Gehirn. Daraus ergeben sich dann sekundäre Fragen wie: Ist die Seite überladen, gibt es eine ordentliche Blickführung, wie ist die Navigation strukturiert, wie viele Produkte werden auf welche Weise dargeboten? Es gibt noch weitaus mehr Fehler, die sich oft bis in die Social-Media-Aktivitäten durchziehen. Wenn beim Online-Kauf etwas schiefgeht, beschweren sich die Kunden, und die Art, wie mit solchen Beschwerden umgegangen wird, strotzt oft vor hanebüchenen Fehlern.

Was ist Ihre Diagnose – wenn Sie mal die Selbstpräsentation der Verlagsbranche im Internet ansehen?

Die Angebote sind zumeist das, was man früher mal als „funktional“ aufgefasst hat. Bei vielen Verlagen fühle ich mich heute wie auf einer Behörden-Homepage. Es scheint, als ob sich viele Verlage nicht entscheiden können, ob sie ihre Informationen auf den Fachhandel oder die Leserschaft abstimmen sollen. Was Endverbraucher anbelangt, so haben sich die Anforderungen an Websites in der letzten Zeit massiv verändert. Das ist vor allem auf die Nutzung von Tablets und Smartphones zurückzuführen. Was wir alle in letzter Zeit als neuen Standard gelernt haben, ist dies: Einfache Strukturen gepaart mit hohem Nutzwert und Konzentration auf das Wesentliche in für das weibliche und / oder männliche Auge appetitlicher Darreichungsform. Interessanterweise schaffen auch viele US-amerikanische Verlage nicht, ansprechende Websites zu entwickeln, dabei stammt der genannte Standard ja aus den USA. 

Heute ist es noch so, dass jeder Verlagskatalog sehr viel besser aussieht als die Webseiten.

Jeder mittelgroße Internet-Händler weiß, wer bei ihm einkauft, jeder Verlag kennt seine Leserinnen und Leser. Demnach ziehen sie nicht alle notwendigen Konsequenzen?

Die meisten Händler kennen ihre Kunden eben nicht genau. Nischenanbieter sind häufig besser als jene, die die breite Käuferschaft erreichen wollen, weil sie oftmals selbst aus der „Szene“ stammen. In unserer langjährigen Beratungspraxis haben wir jedoch gelernt, dass alle anderen Unternehmen ihr Wissen über die Kundschaft massiv überschätzen. Es gibt viele Annahmen über die Kunden oder den Markt, doch diese Annahmen werden zu selten wirklich überprüft. Nicht auf die Beobachtung, was Käufer tun, kommt es an, sondern darauf zu verstehen, warum sie sich so verhalten, also auf echte Consumer Insights, denn nur dann lässt sich eine Interaktion gestalten, die zu einem verbesserten Angebot führt oder Kunden unter Umständen dazu bewegen kann, sich auch anders zu verhalten.Jedes Unternehmen braucht mehr Wissen, und das bekommt man nur, wenn man sich eingehend mit den Kunden befasst. Ich kenne nur ein Unternehmen in Deutschland, das auf der Suche nach Erkenntnissen tief genug gräbt, und der Erfolg gibt ihm Recht.

Diana Jaffé begründete 2003 das Gender Marketing mit und ist seither eine international gefragte Expertin und Keynote-Speakerin auf diesem Gebiet. Im Jahr 2001 gründete Diana Jaffé die Bluestone AG und führt diese als Vorstand. Die Bluestone AG ist spezialisiert auf Konsumentenforschung, auf die Entwicklung geschlechtsspezifischer Marketingkonzepte sowie die Beratung und Fortbildung von Unternehmen im Bereich Gender Marketing. Von 1990 bis 2000 war sie im Marketing zahlreicher mittelständischer und großer Unternehmen sowie in der öffentlichen Verwaltung tätig. Diana Jaffé ist Autorin verschiedener Bücher zum Thema, zuletzt „Was Frauen und Männer kaufen“ (Haufe, 2014), sowie zahlreicher Fachartikel. Diana Jaffé studierte Betriebswirtschaft und Kommunikation und ist Applikationsentwicklerin Client/Server. Sie ist Mitglied im internationalen Hochbegabtennetzwerk Mensa.

Hier lesen Sie das komplette Interview… 

Foto Regine Geisler.

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