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Kein reines Zweckbündnis

Viele Verlage beobachten die Selfpublishing-Szene in erster Linie, um sich die schönsten Kirschen herauszupicken. Das ist nicht genug, meint Marguerite Joly (Foto). Die frühere Epubli– und heutige Ullstein-Unternehmensentwicklerin zeigt im Interview, warum beide Seiten voneinander lernen sollten. Marguerite Joly ist neben Matthias Matting (selfpublisherbibel.de) Referentin des buchreport-Webinars zum Thema Selfpublishing am 15. April. Hier weitere Infos.

Verlage, Selfpublisher – wie schätzen Sie aktuell diese Beziehung ein? Ist dies mehr als ein Zweckbündnis?
Seit einigen Jahren sieht man schon, dass es mehr als ein reines Zweckbündnis ist: Es gibt von beiden Seiten eine immer offenere Annäherung und ein Interesse für die Arbeitsweisen des anderen. Verlage haben durch ihre jahrzehntelange Erfahrung eine enorme Expertise, die von Selfpublishern geschätzt wird, Selfpublisher sind weniger an Traditionen gebunden und deswegen oft unerschrockener. Insofern können beide Parteien voneinander lernen. Die noch größere Vielfalt auf dem Markt kommt schließlich den Lesern zu Gute, denn genau für sie sollen die vielen guten Geschichten – egal in welcher Form – herausgebracht werden! 
Bislang setzen Verlage vorwiegend in der Genreliteratur auf Selfpublisher (wie bei ihren Imprints „Midnight“ und „Forever“). Ist das erst der Anfang? 
Die Genreliteratur ist ein Bereich, in dem Selfpublisher sehr erfolgreich sind und in dem sie sehr gut eine eigene Leserschaft aufbauen können. Für Selfpublisher ergibt sich durch die Zusammenarbeit mit Verlagen eine neue Vielfalt an Publikationsmodellen. Sie können sich aussuchen, welches Buch sie wie veröffentlichen wollen. Viele wählen den Verlag, wenn sie inhaltlich neue Wege gehen wollen, denn da hilft natürlich ein starker Partner, der eine andere Zielgruppe erreicht und eine neue Positionierung ermöglicht. Emily Bold, die ja auch als Selfpublisherin sehr erfolgreich ist, hat sich genau für dieses Zusammenspiel aus digitalem und traditionellem Verlegen entschieden. Sie hat bereits sehr erfolgreich ein Ebook bei Forever veröffentlicht und wird im Ullstein-Programm des Sommers mit einem Taschenbuch vertreten sein.

Wie wird sich das Rollenverständnis der Verlage durch den Selfpublishing-Boom verändern? 

Es hat sich schon verändert. Die Vielfalt an Angeboten und Modellen wächst, die Verlage bestimmen in diesem Bereich stärker ihren Kurs und erfinden neue Wege und Möglichkeiten des Verlegens. Viele Verlage arbeiten z.B. mit einem veränderten Verständnis für die Transparenz ihres Angebots. Bei Midnight und Forever war uns von Anfang an klar, dass wir unseren Vertrag und das Angebot, das wir Autoren machen, offen auf unserer Webseite kommunizieren wollen. Die Autoren, die ihre Manuskripte einreichen, wissen genau, worauf sie sich einlassen. Das macht die Arbeit für beide Seiten einfacher, weil die Erwartungen klar abgesteckt sind. Für uns ist es außerdem wichtig, den direkten Draht zu unseren Lesern zu haben und gleichzeitig auch die Autoren in ihrer Kommunikation mit ihren Lesern so gut wie möglich zu unterstützen. Auch da verändert sich das Selbstverständnis!

Was muss passieren, damit die Kindle-Betsseller-Charts perspektivisch keine reinen Selfpublishing-Festspiele werden?

Ich denke, es ist wichtig, seine Leser nicht nur über die Charts zu erreichen, sondern auch verstärkt über andere, eigene Vermittlungswege. Und genau das tun wir bei Midnight und Forever. Darüber hinaus ist uns vor allem auch bei den Digitalverlagen eine programmatische Linie wichtig und eine Positionierung in einem Preissegment, das möglichst viele Leser erreicht. 

Kommentare

2 Kommentare zu "Kein reines Zweckbündnis"

  1. „Was muss passieren, damit die Kindle-Betsseller-Charts perspektivisch keine reinen Selfpublishing-Festspiele werden?“ – „Werden“? Soll wohl „bleiben“ heißen. – Die Antwort hat Amazon schon gegeben: Preise runter, wenn man den Profit maximieren möchte.

  2. Vielen Dank für die Einsicht, dass es den Verlagen immer weniger um den Inhalt und gute Manuskripte geht! Stattdessen werden hier Geschäftsmodelle propagiert, die zeigen, dass es nur um höhere Novitätenzahlen auf dem Markt geht. Selfpublishing ist gleichbedeutend mit unzureichenden inhaltlichen Lektoraten.
    Selber aber wandert Joly vom modernen Arbeitgeber zum „Klassiker“…

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