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Silicon Valley im Visier

In seinem Buch „Das Digitale Debakel“ (DVA) beschimpft er Mark Zuckerberg und andere Stars der US-Tech-Branche. Im Interview mit SPIEGEL ONLINE spricht Andrew Keen (Foto: Michael Amsler Photography) über die Gefahren der digitalen Revolution.
SPIEGEL ONLINE: Sind Sie ein Antikapitalist?
Keen: Nein. Man kann den Kapitalismus und den Markt und seine Exzesse kritisieren, ohne Antikapitalist zu sein. Genau wie man das Internet kritisieren kann, ohne gegen das Internet zu sein. Man kann Technologie kritisieren, ohne gegen Technologie zu sein, und Amerika, ohne Antiamerikaner zu sein. Was ich kritisiere, ist eine bestimmte Art des globalen, libertären Kapitalismus, in dem der Markt vollständig dominiert und von dem manche Menschen finden – besonders gewisse libertäre Typen im Silicon Valley -, dass er keinerlei Beschränkungen bedarf, keiner Gesetzgebung, keiner Regulierung.

SPIEGEL ONLINE: Verkörpert das Silicon Valley für Sie das Schlimmste am Kapitalismus?

Keen: Nein. Die Wall Street verkörpert vermutlich das Schlimmste daran, und sie produziert nichts von bedeutsamem Wert. Einiges von dem, was aus dem Silicon Valley kommt, ist ungeheuer kreativ und wertvoll. Es gibt aber im Silicon Valley gewisse Figuren, etwa den Star-Investor Peter Thiel oder den Uber-Gründer Travis Kalanick, die einige der schlimmsten Züge des Kapitalisten verkörpern.

SPIEGEL ONLINE: In Ihrem Buch „Das digitale Debakel“ greifen sie einige der Leitfiguren des Valley auf sehr aggressive Weise an. Thiel und Kalanick haben Sie schon erwähnt, Mark Zuckerberg nennen Sie autistisch… Sind Sie wirklich so wütend?

Keen: Ich bin tatsächlich wütend darüber, welche Welt da gerade entsteht. Ich glaube, immer mehr Menschen sind zornig über eine Welt mit immer schärferer Ungleichheit. Ich habe gelesen, dass 0,1 Prozent der Bevölkerung in den USA jetzt mehr Reichtum besitzt als 90 Prozent der übrigen Amerikaner. Das ist natürlich nicht nur das Silicon Valley, aber es hat einen bedeutsamen Anteil daran. Zuckerberg, Larry Page, Sergey Brin, Jeff Bezos, die haben alle um die 30 Milliarden Dollar, sie alle gehören zu den 20, 30 oder 40 reichsten Menschen der Welt. Ich bin nicht neidisch auf diese Art von Reichtum, weil er mir abstrakt erscheint. Ich greife Kalanick an, weil er ein wirklich übler Kerl ist. Er verkörpert die schlimmste Sorte Hybris und Arroganz des libertären Unternehmers, und seine Firma Uber ist wirklich übel. Er ist ein fieser, furchteinflößender Kapitalist, der Verbraucher übers Ohr haut, seine Partner irreführt und so weiter.

Interview: Christian Stöcker

Der Brite Andrew Keen war einst selbst Unternehmer im Silicon Valley. Seine Firma Audiocafé scheiterte jedoch schon in den Neunzigerjahren. Nun ist er einer der schärfsten Kritiker der US-Tech-Branche und ihrer Protagonisten. In seinem Buch „Die Stunde der Stümper“ rechnete er mit nutzergenerierten Inhalten ab, die er für eine Quelle von Verdummung und Verflachung hält. In „Das digitale Debakel“ attackiert er jetzt die Stars des Silicon Valley.

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