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Thomas Hoof: Dann soll sie halt der Teufel holen

Sind die Sortimentsbuchhändler Schlafmützen oder Tugendbolde? – Verleger Thomas Hoof zum Raketenstart von Akif Pirinçcis neuem Bestseller „Deutschland von Sinnen“.

Mein beruflicher Weg begann im Sortimentsbuchhandel, und deswegen betrachte ich die Branche mit fortdauerndem, wahrscheinlich sentimentalem Interesse, obwohl ich Ihre innerstädtischen Niederlassungen nicht mehr betreten kann, weil mich die dort zwischen rosa Plüschtieren aufgestapelten Nichtigkeiten stets in tiefe Trübsal stürzen. (Wann endlich macht ein rebellischer Buchhändler mal Front gegen die unfassbare Verniedlichung der Sortimente und schreibt in dicken Lettern über seine Ladentür „Garantiert keine Frauenbücher!“ Er würde sein Glück machen).

Den letzten Kontakt mit meiner Herkunftsbranche hatte ich soeben als Verleger eines nicht nur potentiellen, sondern tatsächlichen Bestsellers, nämlich Akif Pirinçcis „Deutschland von Sinnen“. Der Untertitel „Der irre Kult um Frauen, Homosexuelle und Zuwanderer“ legt freilich nahe, dass es sich hier nicht um ein weiteres Sachbuch-Konfekt für Leute handelt, die der Wirklichkeit nur in einer stark überzuckerten Zubereitung begegnen möchten. Es ist tatsächlich ein wüstes Buch.

Amazon hat gute Algorithmen. Noch nie erschien ein von uns angemeldeter Titel so schnell auf der Plattform. Und innerhalb von zehn Stunden nach der Freischaltung – und vier Wochen vor Erscheinen – war das Buch dort auf Platz vier im Gesamtbüchersortiment. Wir warnten die Sortimenter mit einer ganzseitigen Anzeige im „Börsenblatt“ (eine weitere im „Buchjournal“ folgt), diesen Titel nicht zu verpassen. Vergebliche Mühe.

Nur zehn Tage nach Erscheinen ist die fünfstellige Erstauflage so gut wie ausverkauft – über den Verlagswebshop, Amazon, Libri und Koch-Neff. Bis heute – nachdem das Buch lebhafte Pressereaktionen von der „Bild am Sonntag“ bis zur „Süddeutschen Zeitung“ und ein flirrendes Echo im Internet provoziert hat – melden die großen Filialisten (Thalia, Hugendubel), den Titel in den meisten Läden als nicht vorrätig. Auf den Internetplattformen von buch24.de bis osiander.de sieht es aktuell (am 2. April) mit bis zu zweiwöchigen Lieferzeiten nicht besser aus.

Was ist das nun? Nur eine Verschlafenheit der örtlichen und zentralen Einkäufer? Oder eine fürsorgliche Maßnahme des „KundInnen“-schutzes, auf dass kein rauher Ton in die rosaroten literarischen Plüschwelten der Läden dringe?

Die Entscheidung zwischen diesen beiden Möglichkeiten ist hinsichtlich der Konsequenzen auch fast gleichgültig, denn in beiden Fällen verdienen die Sortimentsbuchhändler nichts anderes, als dass der amerikanische Gottseibeiuns sie sich gänzlich hole. Und der ist ja auch schon gut dabei …

Thomas Hoof, 1948 im Münsterland geboren, gelernter Sortimentsbuchhändler, gründete 1989 das Versandhaus Manufactum. Seit dem Verkauf des innerhalb von 15 Jahren von einem 1-Mann- zu einem 300-Mitarbeiter-Unternehmen gewachsenen Betriebes zum Ende des Jahres 2007 an die Otto-Gruppe beschäftigt er sich – gedanklich, investiv und praktisch – mit land-, waldwirtschaftlichen und verlegerischen Projekten, die in seinem Unternehmensverbund „Thomas-Hoof-Gruppe“ gebündelt sind.

Kommentare

19 Kommentare zu "Thomas Hoof: Dann soll sie halt der Teufel holen"

  1. In einigen Bereichen funktioniert die Buchzensur perfekt: Sie verhindert unbequeme Meinungsäußerungen, läßt schweigende Mehrheiten zu Randgruppen schrumpfen, und das beste ist: die Zensur wird gar nicht erst wahrgenommen, Schon Esther Vilar, die 1971 ein berühmtes Buch veröffentlichte, berichtete, wie sie bereits an fast alle deutschsprachigen Verlage (außer einem) ihr Werk geschickt und Absagen erhalten hatte. Obwohl ihre Argumente überlegen waren, gewannen die Dogmatiker um Schwarzer damals die öffentliche Aufmerksamkeit und bestimmen das geistige Klima bis heute. Andere Meinungen wurden seit den 1980ern gar nicht erst veröffentlicht, wenn sie zu weit entfernt waren von der neuen Ideologie, die von Kleinkind und Kindergarten an mit staatlichen Mitteln aufgedrängt wird. Keine Ideologie zuvor hat das Privatleben dermaßen indoktriniert. Dies gilt bis heute. Auch an Hochschulen wird Ideologiewissenschaft, deren Prämissen bereits Tendenz und nachweislich falsch sind, staatlich und mit Steuergeldern behahlt gelehrt und in Tendenzfächern verbreitet. Objektive Forschung zu solchen Themen gibt es nicht mehr – nur betretenes Schweigen, weil es der Karriere abträglich wäre, sich mit der repressiven Ideologie anzulegen.

    Die meiste Forschung findet gar nicht erst statt. Die meisten Bücher zu wichtigen Fragen entstehen gar nicht erst in solchem ungeistigen Klima. Entstehen Bücher, so zerfetzen LektorInnen es, suchen geradezu nach einer Kleinigkeit, die sie dem Werk anhängen können. Dagegen können Frauen (mit dem erwünschten Bewußtsein) so ziemlich alles schreiben, und werden mit viel geringeren Qualitätsansprüchen gedruckt, medial hofiert, bekanntgemacht und so zum Massenprodukt.

    Wird in seltenen Fällen doch mal etwas geforscht und veröffentlicht, was die Voraussetzungen und Grundlagen des Feminismus widerlegt, so sortiert der Sortimentshandel aus, schweigen Medien und Rezensenten. Ist es nötig, überhaupt etwas zu schreiben, weil es sich nicht länger totschweigen läßt, so ist der Reflex, das ganze Buch zu ignorieren, es voller Vorurteile zu lesen, Inhalt und Argumente komplett zu ignorieren, um genau den einen Satz zu finden, der zurückhaltend genug ist, daß sie ihn aus dem Zusammenhang reißen, völlig sinnentstellt zitieren und damit das Buch verreißen können.

    So ging es dem wichtigen Buch „Das bevorzgute Geschlecht“ von Martin van Creveld. Rezensionen glänzten darin, die wichtigen und gut belegten Aussagen völlig zu ignorieren – die schon in den 1960ern oder spätestens 1970ern veröffentlicht und berücksichtigt hätten werden müssen – um dann sinnentstellend vom Leder zu ziehen, wenn bei irgendeinem unwichtigen Tabuthema die Möglichkeit gewittert wurde, zu diffamieren.

    Auch in anderen öffentlichen Debatten, ob Eva Hermann oder jüngst bei der Rede einer Preisträgerin, scheint genau nach diesem Muster verfahren zu werden: Argumente nicht wahrnehmen, aus dem Zusammenhang reißen, diffamieren, in die rechte Ecke stellen, Thema und Autor / Autorin erledigt.

    So etwas ist keine funktionierende Demoklratie mehr, sondern entspricht dem Geist von Orwells Roman 1984, ist auf dem literarischen Felde nicht mehr so verschieden von Nordkorea, nur daß keine körperliche Gewalt ausgeübt wird bei der Unterdrückung und Diffamierung.

    Wer nicht, wie ich, als Verfasseer unerwünschter, weil politisch inkorrekter Bücher, diese Unterdrückung und die hanebüchenen Ausreden selbst erlebt hat, kann sich von der ideologischen Tendenz in Medien und auf dem Buchmarkt kaum eine Vorstellung machen.

    Daher kann ich gut nachvollziehen, was Herr Hoof meint. Allerdings finde ich es sehr schade, wenn Buchläden aufgegeben werden als Verteidiger der Freiheit.. Historisch kam ihnen eine große Bedeutung bei der Vielfalt zu. Große Platformen wie Amazon bieten zwar Auswege, aber auch dort geht viel in der Masse unter. Ohne einen Verlag oder eine Mode im Rücken ist es auch dort kaum möglich, die Öffentlichkeit zu erreichen.

  2. Daß es Sortimentsbuchhändler gibt, die nicht nur nicht „alles“ anbieten, bzw. sehr rigoros aussortieren, sondern sogar Leute hinauswerfen, die bestimmte Sachen bestellen lassen wollen (z.B. Deutschland von Sinnen, aber auch jeden anderen Hirndreck aus der Manuscriptum-Ecke), finde ich absolut unterstützenswert.

  3. Der Mann vom Otto-Versand hat voll recht!!! Immer Rassismus gegen Amazon, seid ihr neidisch oder macht ihr Tugendterror? Ich war einer der ersten, der sich den Kindle gekauft hat, weil ich da endlich alle schwule Büchern runterladen kann ohne dass es einer sieht. Ich bin Türke in dritter Generation, mein Erbonkel ist nicht religiös, aber wenn er mich mit solchen Büchern erwischt, enterbt der mich. Dagegen ist Amazon so krass gut! Und wenn der Akif auch mal ein schwules Buch bei Amazon rausbringt, bin ich der erste, ders kauft. Der könnte das voll.

  4. Wolfgang Rosenzweig | 4. April 2014 um 19:25 | Antworten

    Ich glaube, hier geht es doch nicht darum, warum sich die paar verbliebenen Buchhandlungen, die noch so etwas wie eine erkennbare Ausrichtung haben (und die ist meistens links, feministisch und „tolerant“), weigern Akifs herrliches Werk auszulegen. Das ist doch klar. Hier geht es um Bahnhofsbuchhandlungen, Fillialisten und andere Sortimenter, die ansonsten jeden Besteller verkloppen und auch vor Sarrazin nicht zurückschrecken. Warum scheuen die sich? Ich würde vermuten, es hat vor allem was mit dem Wort „Frauen“ im Untertitel des Buches zu tun. Ja liebe Buchhändlerinnen, und liebe Frau Moellers, wann kommt die Quote im Buchhandel? Sei es wie es ist, der Hoof wird es verschmerzen können (nicht jetzt auch noch Manufactum boykottieren, die gehören schon lange Otto) und ich bekomme meinen Akif morgen mit der Post, vom einzigen Händler, der ihn noch vorrätig hat. 1. Auflage ist vergriffen und ich freue mich auf ein amüsantes Wochenende. Vor allem darauf, meiner Frau daraus vorzulesen.

    • Ralph Moellers | 5. April 2014 um 20:38 | Antworten

      Quote im Buchhandel gibt es offenbar schon, Frau Rosenzweig. Ganz ohne grüne Regulierung sind wir Frauen in der Mehrheit. Cool, oder?!? Ist natürlich jetzt nicht so super erregend für die Autoren von Männerbücher … also wegen Zensur und so.

    • Stefanie Weidle | 6. April 2014 um 11:53 | Antworten

      Wir linksgrünen Gutfrauen boykottieren schon lange nicht mehr, werter Herr Rosenzweig: Wir girlkottieren.

  5. Ralph Moellers | 4. April 2014 um 17:37 | Antworten

    Ach so, der ist gar nicht so lustig wie der Pirincci ist der Hitler gar nicht!?! Na dann will ich nix gesagt haben.

  6. Natürlich gibt’s „Mein Kampf“ gratis im Netz, auf Deutsch und in etlichen anderen Sprachen. Schauen Sie doch mal bei scribd.com – müssen Sie noch nicht mal deren Flatrate kaufen.
    Hatte deswegen auch schon den Freistaat Bayern angeschrieben, der da ja noch ein paar Monate das Urheberrecht hat und was dagegen tun könnte. Kam aber bislang keine Antwort.

  7. Sabine Hanzlik | 4. April 2014 um 13:45 | Antworten

    Ach, hört man da lautes Wehklagen über die allzu hoch hängenden Trauben! Was für ein Pech aber auch, wenn „lebhafte Pressereaktionen“ und virtuelles „Flirren“ nicht wie üblich vom stationären Buchhandel aufgenommen werden. Wie viele tausende Exemplare hätte man zusätzlich absetzen können, wenn die Bösen doch nur weniger nachgedacht und mehr geflirrt hätten! Stattdessen kommt man nun nicht mal ein bißchen an Sarrazin heran, was für eine Schande.

    Und ganz genau deshalb liebe ich meinen Leib- und Magen-Buchhändler vor
    Ort so, der bietet mir nämlich eine absolut irre Kultstätte für Frauen,
    Homosexuelle und Zuwanderer, für diese faszinierend bunte,
    vielschichtige Welt des Menschseins und Menschseindürfens. Vor allem aber hat
    er Geschmack und muss nicht allen Dreck verkaufen, nur um Profit zu
    machen, weil Kondome und Rasenmäher mal wieder haken. Literatur ist nämlich mehr …

    • Wolfgang Rosenzweig | 4. April 2014 um 19:46 | Antworten

      Ich höre da kein Wehklagen. Der Herr Hoof hat Zugang zu den besten Lagen. Eher amüsiertes Kopfschütteln, in das ich auch nur einstimmen kann. Prost. Ja Ja, diese irren Kultstätten, da geh ich auch immer gerne rein, wenn das Haldol flasht.

  8. susannemartin | 4. April 2014 um 9:29 | Antworten

    Im Gegenteil, Herr Hoof, vielleicht sind wir auch einfach gut ausgeschlafen und praktizieren ein Prinzip, das sich in der Bezeichnung „Sortimentsbuchhandel“ gut ausdrückt: Wir sortieren. Vieles eben auch aus. Und wir erlauben uns eine Haltung. Und, auch wenn Sie es nicht glauben wollen, es gibt tatsächlich KundInnen, die das gut finden.

    • Da kann man Sie, Frau Martin, ja nur beglückwünschen, dass Sie offenbar, neben Claudia Roth, große Teile der Bündnis90/DieGrünen-Bundestagsfraktion zum Kundenkreis Ihrer Sortimentsbuchhandlung zählen können – und die Genannten Ihre vorauseilende Zensur von bestimmten Buchtiteln darüber hinaus ganz prima finden…

      Die große Mehrheit der, auch weiblichen, Leserschaft wird allerdings wohl auch weiterhin eher darauf vertrauen, dass diese schon selber in der Lage ist zu beurteilen, welche Bücher diesen gefallen – und welche eher nicht.

      • Ralph Moellers | 4. April 2014 um 17:44 | Antworten

        Ja, ganz meine Meinung, alles unter Vollsortiment (ca. 2 Mio Titel) ist Zensur. Und das schlimmste: Je kleiner die Buchhandlung desto schlimmer die Zensur, da fallen hundertausende von Titeln der Zensur zum Opfer. Aber dagegen sagt wieder keiner was. Ne, ne … lass mal, da hat der AP schon recht. Ganz schlimm hier.

  9. Burkhard Schirdewahn | 4. April 2014 um 0:57 | Antworten

    Man könnte sagen: hier hat ein Töpfchen sein Deckelchen gefunden. Oder auch: paßt wie A**** auf Eimer.

  10. Ist doch gut, wenn sich Amazon mit dem neuen Akif Pirincci aus dem Imagetief wieder etwas rausarbeiten kann.

  11. Ralph Moellers | 3. April 2014 um 22:57 | Antworten

    Ja, Wahnsinn, nicht wahr. Und der bayrische Staat verhindert als Urheberrechtsverwalter sogar, dass ein anderer Hammer-Bestseller in sechsstelliger Erstauflage gedruckt wird. Mann, sind die blöd! Das würde auch ein „flirrendes Echo“ in den Medien erzeugen. Aber die wirtschaftliche Vernunft ist eben nicht verbreitet in dieser Branche. „Mein Kampf“ wäre so eine tolle Kampfansage an die Frauenbuchverkäuferinnen. Aber nein, sie wollen Hoof’s verlegerische Meisterleistung nicht verkaufen nur weil das Buch so ein rassistischer Dreck ist. Keine Ahnung diese Luschen!

    • Liebe Frau Moellers. Na? Fühlen Sie sich von dem Artikel getroffen, oder warum bellen Sie so laut?
      Übrigens: Wer nicht bei Amazon kauft verpasst was 🙂

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