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Dennis Johnson: Die wahre Geschichte hinter Penguin Random House

Dennis Johnson: Die wahre Geschichte hinter Penguin Random House

Die Fusion von Penguin und Random House wurde bislang kaum richtig analysiert. Ich dachte zunächst, sie sei etwas Positives im Kampf gegen Amazon. Weit gefehlt. Ein Freund von mir sagt: „Es sind dunkle Mächte im Spiel“.

Obwohl es eine der kulturell und verlegerisch wichtigsten Nachrichten unserer Zeit ist, wäre es ein Leichtes gewesen, die Meldung zu übersehen, dass das Justizministerium der Fusion von Random House und Penguin zugestimmt hat. Man musste schon richtig suchen, um zum Beispiel in der „New York Times“ einen Artikel darüber zu finden. Und das, obwohl das Verlagswesen eine von New Yorks größten Branchen ist. Auch das „Wall Street Journal“ hat nur oberflächlich auf den hinteren Seiten berichtet. Sogar PaidContent, das für gewöhnlich sehr aufschlussreich und detailliert berichtet, hat kaum mehr kolportiert als das jauchzende Statement von Penguin-Besitzer Pearson, dass der Fusion zugestimmt wurde.

Keiner dieser Berichte hat sich mit der Sache sonderlich analytisch beschäftigt. Jene analytischen Daten, die vorliegen, wurden offenbar zum Start einer großen Verharmlosungs-Kampagne verwendet. Beide, die „Times“ und das „WSJ“, haben zum Beispiel geschrieben, dass der neue Gigant, so die Times, „25 Prozent des englisch-sprachigen Publikums-Buchmarkts“ kontrollieren würde. Anfängliche Berichte vom Oktober (so wie jene, die ich zu dieser Zeit in einer MobyLives-Geschichte  zitiert habe) hatten diesen Wert bei 30 Prozent gesehen. Auch das kommt mir noch sehr niedrig vor, aber niemand ist mit einer Analyse einen Schritt weiter gegangen. Zum Beispiel: Wie wirkt sich dieser Marktanteil auf die verschiedenen Arten und Bereiche des Verlagswesens aus? – Ich würde wetten, Penguin Random House wird mindestens 50 Prozent der belletristischen Literatur kontrollieren.

Dementsprechend hat sich natürlich auch niemand Gedanken darüber gemacht, wie die Allianz den Einzelhandel kontrollieren könnte. Wie viel schwieriger wird es für Unternehmen wie Melville House, ihre Bücher in die Geschäfte zu bekommen, wenn ein einzelnes Unternehmen die Hälfte der Belletristik kontrolliert? Und was, wenn ein Buchladen hie und da einen finanziellen Engpass hat? Er wird auf jeden Fall dafür sorgen, dass sein größter und wichtigster Lieferant zuerst bezahlt wird. Penguin Random wird den Verkaufsraum und das Budget kontrollieren. Außerdem ist es eine sichere Sache, dass Penguin Random den Löwenanteil der medialen Berichterstattung erfahren wird.

Na gut, es gibt also, aus welchen Gründen auch immer, keine vernünftigen Analysen über die Auswirkungen des Ganzen auf den Konsumenten-Markt. Aber was ist mit der Tatsache, dass eine solche Marktmacht allen Kartellgesetzen zuwider läuft? Sollte man nicht auch die Tatsache mitbedenken, dass in einem Geschäftsfeld, das von der Diversität seiner Stimmen abhängt, jetzt eine essentielle Stimme weniger agiert?

Darüber wurde nicht berichtet.

Aber vielleicht sollte man auch überhaupt nichts anderes erwarten, da offenkundig auch nichts von alledem für die Entscheidung des Ministeriums relevant war. Es ist ja nicht so, dass sich das Justizministerium dieser Aspekte nicht bewusst gewesen wäre. Mit absoluter Sicherheit wurden sie angesprochen, als die Anwälte des Ministeriums mich im Rahmen ihrer Untersuchungen zu der Fusion befragt haben. Auch beim Fall der Obama-Regierung gegen Macmillan, Simon & Schuster, Hachette, HarperCollins und Penguin hat das Justizministerium das Kartellrecht ignoriert.

Worum ging es also bei der ganzen Sache? Wie viele andere auch, dachte ich am Anfang, dass die Fusion etwas Positives im Kampf gegen Amazon sei. Endlich ein Unternehmen mit genug Gewicht und Schlagkraft, sodass es sich Amazons Aggressivität entgegen stellen kann. Zwar wird Penguin Random ein Drei-Milliarden-Dollar-Unternehmen sein, während das Netz von Amazon im vergangenen Jahr über 100 Milliarden Dollar wert war. Aber Penguin Random wird einen gewaltigen Teil des Marktes kontrollieren! Wie soll Amazon als Buchhändler ohne sie funktionieren? Und da Random House die Bücher von Melville House vertreibt, dachte ich, klasse, vielleicht hat Melville House jetzt endlich die Chance auf ein faires Geschäft.

Doch dann hat ein Insider aus der Buchbranche mir klar gemacht, dass ich ein Idiot war. Random House würde 53 Prozent der neuen Firma kontrollieren, erklärte er. „Und was ist das erste, was passieren wird?“, fragte er mich, als die Neuigkeiten von der möglichen Fusion herauskamen und ich ihm meine Theorie vorgestellt hatte. „Random House wird Penguin sagen, dass sie ganz schnell einen Vergleich mit dem Justizministerium anstreben sollen. Das wird passieren.“, sagte er. „Die Fusion ist nichts anderes als eine tolle Nachricht für Amazon.“

Das ist dann auch genau das, was passiert ist. Und es ist gut für Amazon. Das Unternehmen kontrolliert zum Beispiel wieder 90 Prozent der E-Book-Verkäufe, während das Agency-Modell den einzigen echten Konkurrenten, Barnes & Noble, aus dem Weg geräumt hat.

Und jetzt, Bingo!, die Regierung hat der Fusion erstaunlich schnell zugestimmt.

Worum es bei der ganzen Sachen jetzt eigentlich ging? Mit den Worten meines klugen Insider-Freundes: „Es sind dunkle Mächte im Spiel“. Für Nicht-Verschwörungstheoretiker ist zumindest das Folgende klar: Pearson wollte weg vom Buchgeschäft mit kleinen Gewinnspannen. Random House hat einfach nur eine günstige Gelegenheit gesehen, einen führenden Wettbewerber zu schlucken. Und was die Regierung betrifft, Amazon ist einfach… oh, na gut, dann bin ich auch Verschwörungstheoretiker.

Dennis Johnson ist der Gründer von MobyLives und Mit-Gründer und Co-Verleger von Melville House.

Der Text ist eine Zweitveröffentlichung des Blogs von Johnson, mit freundlicher Genehmigung des Autors. Übersetzung: Torge Frühschulz

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