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Taugt der Tolino als Waffe gegen Amazon?

Die Kampfansage der Tolino-Allianz ist angekommen: „Der Buchhandel bietet Amazon die Stirn“, heißt es in der „FAZ“. Die „Welt“ analysiert, „wie der Buchhandel Amazons Kindle angreift“. Selbst die „Tagesschau“ spricht von einer „Attacke gegen Amazon“. Uneinig sind sich die Medien nur in der Frage, wie die Schlacht ausgehen wird. Können die Händler mit dem Tolino schießen und treffen?

Das Meinungsbild im Überblick:

  • Die „Bild“ hat den Tolino getestet und lobt zwar die Technik, merkt aber an, dass der günstigere Preis und das breitere Inhalte-Angebot des Tolino möglicherweise nicht ausreichen, um genügend Leser für das Gerät zu begeistern: „Denn viele Vielleser sind schon Kindle-Nutzer. Und die Vorteile des Tolino scheinen nicht groß genug, als dass man dafür umsteigen müsste.“
  • Johannes Haupt von lesen.net sieht den Tolino Shine technisch auf Augenhöhe mit den E-Readern mit integriertem Leselicht von Amazon, Kobo und Bookeen. Er lobt vor allem den offenen Ansatz und die Cloud-Lösung: „Verbunden mit dem offenen und wolkengestützten Ökosystem und der auf den ersten Eindruck gelungenen Hardware ist dieser E-Book-Reader ohne Zweifel das beste, was wir bislang in Sachen E-Reading aus Deutschland gesehen haben. Letztlich muss sich zeigen, wie sich die schöne neue E-Reading-Cloud-Welt der Telekom in der Praxis bewährt.“
  • Das Fachmagazin „Horizont sieht die Chancen der Buchhändler gegenüber Amazon vor allem in der stationären Präsenz und Beratungsleistung. Auch für Medienverlage habe das Modell perspektivisch „großen Charme“: „Sie könnten den Tolino als digitale Vertriebsplattform nutzen, ohne bei der Genehmigung ihrer Apps von den Vorschriften des Betreibers einer geschlossenen Plattform abhängig zu sein.“
  • Die „Welt“ prophezeit, dass Thalia, Weltbild und Hugendubel durch eigene E-Reading-Angebote den digitalen Trend nur verstärken würden und lässt anklingen, dass sie sich damit ihr eigenes Grab schaufeln könnten.
  • In einem weiteren Artikel der „Welt“ wird die Kritik deutlicher formuliert: „Dem Buchhändler um die Ecke dürfte es egal sein, ob er nun wegen Amazon oder der Telekom pleite geht. Dass Buchhandlungen jetzt aber neben neckischen Tassen und Kuscheltieren mit den ,sympathischen’ Tolinos auch noch die Nägel für den eigenen Sargdeckel im Angebot haben werden, damit hört der Spaß wohl auf. Nonbook-Geschäfte gut und schön, aber eine eigene Nonsense-Abteilung?“
  • Der „Focus“ greift (nur in der Print-Ausgabe vom 4.3.) auf ein Bild zurück, um die Nachteile von Amazon gegenüber der Allianz zu beschrieben: „Womöglich stünde in vielen Gärten längst eine Kuh, müssten die Menschen sich entscheiden, Milch ab sofort nur noch bei einem bestimmten Händler zu kaufen. In der E-Book- Branche sind solche Zwangsbindungen normal.“
  • In der Print-Ausgabe von „Werben & Verkaufen“ (4.3.) amüsiert man sich insbesondere über den Namen: „Tolino hört sich eher nach Pizzeria an“, zitiert das Fachmagazin den E-Commerce-Experten Gerrit Heinemann.
  • Die „Frankfurter Allgemeine“ (2.3.) sieht es als großen Vorteil des Tolino, dass der Reader weiteren Händler zur Verfügung stehen soll. „Tolino könnte so zu der Plattform des ganzen deutschen Buchhandels werden und zur einzig nennenswerten Konkurrenz für das Kindle.“ Jetzt liege es in der Hand des Verbrauchers, die Marktverhältnisse zu bestimmen: „Die Alternative ist da. Wenn sie nicht wahrgenommen wird – liegt es nicht an Amazon.“
  • „Natürlich wird es nicht einfach, gegen die Etablierten um Amazon oder Kobo zu bestehen – nicht zuletzt weil man etwas spät auf der E-Reader-Party erscheint und zunehmend auch gegen die Apples oder Androids antritt“, kommentiert Robert Vossen die Erfolgsaussichten im Blog „Basic Thinking“. Doch die Vorzeichen stünden gut, dass sich der „Tolino Shine“ zumindest eine respektable Position auf dem deutschen Markt erarbeiten könne, erklärt Vossen mit Blick auf das geschlossene Ökosystem des Konkurrenten und die jüngsten Amazon-Skandale.
  • Das „Manager Magazin“ ist skeptisch, ob der Kampf gegen Amazon mit der Tolino-Waffe gewonnen werden kann: „Wenig optimistisch stimmen die jüngsten Probleme, die der größte US-Buchhändler Barnes & Nobles meldete. Das US-Unternehmen hatte ebenfalls einen eigenen E-Reader namens Nook auf den Markt gebracht.“ Zwar sei das Gerät technisch gut, doch sei der Einstieg „offensichtlich zu spät erfolgt. Bisher hat er dem Händler vor allem Kosten beschert, ohne den gewünschten Erfolg zu verbuchen.“
Mehr zum Thema unter buchreport.de/analysen/tolino.htm sowie im kommenden buchreport.express 10/2013. 

Kommentare

7 Kommentare zu "Taugt der Tolino als Waffe gegen Amazon?"

  1. Endlich mal wieder ein „Amazon-Killer“! – Zur Versachlichung der Diskussion hilft wie so oft ein Gang zu alexa.com. Halten wir mal den aktuellen Traffic Rank folgender Seiten fest:

    tolino.de 2,078,796 (in Deutschland: 42,149)
    libreka.de 317,991 (14,180)
    pageplace.de 159,152 (9,944)
    amazon.de 59 (4)

    Und der Vollständigkeit halber:
    boerse.bz 1,829 (100)

    • Alexander Rösch | 7. März 2013 um 19:51 | Antworten

      Da haben sie das System von Tolino.de aber nicht ganz verstanden, Herr Bonik. Die Domain tolino.de ist lediglich eine allgemeine Infoseite. Verkauft werden die Bücher über die Plattformen der beteiligten Buchhändler, und da stellt sich das Alexa-Ranking schon ganz anders da:

      Telekom 2.466 (in Deutschland: 100)
      Weltbild 4.609 (207)
      Thalia 14.964 (663)
      Hugendubel 39.123 (2.149)
      Der Club 92.867 (2.951)

      Aber man kann natürlich jede Innovation schon im Ansatz totreden. Sie haben damals auch vorher gewusst, dass Farbfernseher, Telefone mit Touchscreen und flache LED-LCD-Fernseher furios scheitern 😉

      • Da kann man aber, zum Beispiel, nicht pauschal die komplette Telekom reinrechnen. tolino.de verlinkt auf t-mobile, und dort ist es ja auch nur ein Produkt von vielen. Tolino findet sich dort, wenn ich richtig sehe, noch nicht einmal auf der Startseite http://www.t-mobile.de/

        Interessant auch, sich das mal bei Google Trends anzuschauen. Zur Cebit hatte Tolino eine Peak, und seither geht das Interesse daran steil nach unten (außer natürlich beim Buchreport):

        http://www.google.de/trends/ex

        Solche Kurven sehe ich nicht zum ersten Mal, zumal wenn es um Google- oder Amazon-„Killer“ geht. Der Höflichkeit halber sage ich mal: Viel Glück!

  2. Hans Joachim Schleif | 5. März 2013 um 17:59 | Antworten

    Jetzt treffen sich die Großen des Buchhandels und glauben dass sie Amazon mit Ihrer Aktion ängstigen.Ähnlich der Feststellung dass die Verkaufsflächen zu groß sind, kommt auch diese Reaktion viel zu spät.
    Jahre früher, wäre dieses ein großes Ereignis mit Erfolgsgarantie geworden und die Mehrheit der Branche hätte gejubelt. Jetzt gibt es nur
    ein müdes lächeln. Schade!

  3. Die größte offene Frage: Wie zuverlässig ist diese Cloud? Amazon kann für seinen Dienst 5 Jahre vorweisen und eine Position, in der es äusserst unwahrscheinlich ist, dass der Betreiber je verschwindet. Das Tolino-Bündnis zeigt sich selbst hier im Buchreport als unwillige Reaktion auf die Existenz des Herausforderers und somit als potenziell fragil.

    • Thomas Diehl : die Telekom Cloud, damals als Cloud Computing bekannt und auf den Business-Sektor ausgerichtet, gibt es bereits seit 2005. Zuverlässigkeit sollte also gegeben sein. Privat nutze ich deren Mediencenter (Bestandteil der Telekom Cloud) auch schon einige Jahre- vor allem weil’s gefühlt sicherer als die amerikanische Konkurrenz ist und wegen des erheblich größeren Speichervolumens (25 GB for free). Datenzuverlässigkeit war bisher immer gegeben.

      b2t: der Tolino kommt technisch sicherlich an den Kindle Paperwhite heran – die Frage ist daher viel mehr, ob der „Zug nicht schon längst abgefahren ist“. Ich bin gespannt.

  4. Hartwig Schulte-Loh | 4. März 2013 um 17:29 | Antworten

    Der Griff in das militärische Spracharsenal ist vollkommen unangebracht.
    Amazon hat bislang einfach einen guten Job gemacht. Es wird höchste Zeit, dass Kundenorientierung und Qualität wieder in den Fokus rücken.

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