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Lucy Mindnich: Vergesst Amazon!

Lucy Mindnich: Vergesst Amazon!

Das Internet bietet die einfache Lösung. Was früher der Buchhändler katalogwälzend für den Kunden bibliografiert hat, sucht dieser jetzt (und auch mancher Buchhändler selbst) mit schnellen Klicks zielführend auf ama­zon.de. Doch was passiert mit den Kunden, die gar nicht wissen, was sie suchen? All jene sollten die Buchhändler be­dienen und zeigen, dass sie mehr sind als eine gut geölte Suchmaschine, auch im Netz.

Die Online-Schiene gewinnt an Bedeutung Auf lange Sicht kann sich kein Buchhändler dem Internetkanal entziehen, denn:

  • Immer mehr Online-Käufer erwerben im­mer häufiger Produkte im Netz und geben dort immer mehr Geld aus.
  • Dank der weitverbreiteten Smartphones und Tablets kaufen die Kunden ihre Waren jederzeit und jederorts im Internet ein.
  • Bei steigender E-Book-Nachfrage wird der Vertriebsweg Online weiter gewinnen.
  • Spätestens mit der nachwachsenden Generation kommt auf den Handel eine Kundengruppe zu, für die der stationäre Einkauf nur die zweite Wahl ist.
  • Die Internetseite wirkt imagebildend und strahlt zurück auf das Ladengeschäft. „Der Online-Shop ist ein Flagshipstore mit Signalwirkung“, erklärt der E-Commerce-Experte Gerrit Heinemann im buchreport.magazin 2/2013.

Offline finden, online kaufen

Wer die Bedeutung des Online-Handels für sich erkannt hat, vergleicht sich meist mit dem Marktführer. Selbst Thalia bezeichnet Amazon als „Maß der Dinge“. Entsprechend orientieren sich auch die meisten Shop-Lösungen an der großen Datenbank. Doch: Auf Amazon und in den standardisierten White-Label-Shops finden nur jene ein Buch, die einen bestimmten Titel oder Begriff suchen. Alle Übrigen müssen sich an Algorithmen, Bestsellerlisten oder den (wegen Fälschungsverdacht in Verruf geratenen) Kundenrezensionen orientieren.

Eine Studie der Codex Group offenbart: Zwar kaufen die meisten US-Bürger (61%) ihre Bücher im Internet, doch nur 7% der Online-Käufer stoßen im Netz auf diese Titel. Sie holen sich stattdessen Rat bei Freunden oder stöbern im Geschäft. Auch hierzulande gilt: Die Kunden wollen geführt werden durch den Dschungel der Neuerscheinungen. Und nicht einmal Amazon schafft es, dieses Bedürfnis zu bedienen. Eine Chance für den Buchhandel.

Profil zeigen im Netz

Das Ziel ist also ein Online-Shop, der primär auf Empfehlungen setzt, statt auf Kundenrecherche:

  • Profil: Die Sortimenter könnten ihre Buchauswahl online zur Schau stellen – jene Bücher, die sie auch im Laden prominent präsentieren. Statt im Briefmarkenformat sollten sie die Cover, analog zur Frontalpräsentation im Regal, groß in den Vordergrund rücken.
  • Sortiment: Auch in Unterkategorien und Genres sollte eine Auswahl gezeigt werden.
  • Empfehlung: Als weiteres Kriterium und Gü­­­tesiegel können Literaturpreise und Me­dienrezensionen dienen oder eine Vernetzung von Empfehlungen, wie sie Versandbuchhändler René Kohl vorschlägt.
  • Kostproben: Dank Lese- und Hörproben sowie Buchtrailern können die Kunden auch online einen ersten Eindruck gewinnen.
  • Suche: Das Suchfeld ist dann ein zusätzlicher Service für den Zielkauf, nicht der Kern.

Ein Teil des Erfolgs von Amazon besteht darin, gezielt Marktlücken angesteuert zu haben. Für Buchhändler gilt daher die Devise: Von Amazon lernen, heißt, Amazon zu vergessen und es anders zu machen.

Lucy Mindnich ist Redakteurin bei buchreport.

Kommentare

2 Kommentare zu "Lucy Mindnich: Vergesst Amazon!"

  1. Ohne hier ein Pauschalurteil fällen zu wollen: Viele Buchhändler sind selbst schuld daran, dass sie von den Kunden nicht als qualifizierte Berater angesehen werden. Gerade bei großen Filialisten tummeln sich Mitarbeiter, die schlichtweg viel zu wenig Wissen um Autoren und ihre Bücher haben. Sind das alles Praktikanten und Aushilfskräfte? Ich fürchte nicht. Wer das Glück hat, beruflich mit Büchern arbeiten zu dürfen und sogar beruflich lesen darf, wird mir wohl zustimmen: Es kann nicht sein, dass der interessierte Kunde Autoren und Titel besser kennt als die vermeintliche Fachkraft. Gleiches erlebe ich, wenn Verlagsvertreter/innen mir Programme präsentieren und schließlich kleinlaut zugeben, dass sie praktisch nur ein oder zwei Titel überhaupt selbst gelesen haben. Amazon hat den Vorteil, dass durch die Leserkommentare jeder sich schnell ein Bild von den Büchern machen kann, die ihn ansprechen. Und bei aller Kritik an der Kommentarfunktion: nicht alle Kommentare sind Fake oder gezielte Marketingaktionen der Verlage und Autoren. Das wäre wohl von der Menge her gar nicht möglich. Und bei aller Liebe zum klassischen Buchhandel sind Kommentarfunktion, nahezu unbegrenzte Verfügbarkeit und der schnelle Versand nicht einfach weg zu diskutieren. Wer in etwa weiß, was er lesen möchte ( = eine Autorenempfehlung hat, sich für einen Titel oder ein Thema interessiert, Schwerpunkte von Verlagen kennt), ist online sehr gut bedient. Diese Vorteile kann allenfalls eine Fachbuchhandlung wett machen, in der Mitarbeiter tätig sind, die selbst gerne und viel lesen und für die der Job eine Berufung ist.

  2. ‚Qualität statt Quanität‘ heißt das – wenn ich es mal für mich auf den Punkt bringe.

    All die Großen haben das Problem der Masse. Auch wir Buchpiraten überfordern die Nutzer mit unseren 23.000 Titel. So wie die Käufer bei Amazon in einem Meer von Infos ertrinken, so ertrinken sie bei uns in einem Meer von Downloads. Viele – da bin ich sicher – archivieren nur noch die Titel.

    Es gilt den Leser – den Von-Anfang-bis-Ende-Leser – wieder zu entdecken. Und das – in der Tat – können die Großen nicht leisten – selbst wenn sie es wollten.

    Wenn nur die Kleinen vor Ort das Ebook – auch das Handling für die Kunden – entdecken würden, dann hätten sie einen Fuß in der Tür! Und wenn sie auf Begrenzung statt Unbegrenzung setzen würden, dann könnte daraus sogar ein Geschäft werden!

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