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Petra van Cronenburg: Ein Jahr Kindle

Petra van Cronenburg: Ein Jahr Kindle

Ein Jahr habe ich nun meinen Kindle, währenddessen verstummen zum Glück langsam die recht überflüssigen Diskussionen zwischen Menschen, die dadurch das Abendland bedroht sehen, und Nerds, für die das Gerät schon wieder „out“ ist, weil sie alle halbe Jahre neue Elektronikspielereien kaufen. E-Books sind für mich so selbstverständlich geworden wie Luxus-Kunstkataloge oder Hardcover aus dem Antiquariat.

Ich nutze meinen Reader zum Herumführen von Recherchematerial ebenso wie zum entspannten Lesen ohne Lesebrille oder zum Transport einer dicken Bibliothek in Wartezimmer. Verteufelt gut: Der Soforteinkauf zu jeder Tages- und Nachtzeit hat mir schon oft die Bettlektüre in letzter Minute gerettet

Nach einem Jahr zeichnet sich für mich ein neues Leseverhalten ab:

  • Ich lese mehr und schneller, dank Augenschonung.
  • Ich lese unerbittlicher. Dank Leseproben hat Schrott keine Chance. Wenn ich sie denn anschaue … (s.u.).
  • Ich lese sehr viel mehr fremdsprachige Originale. Schuld daran: die Preispolitik deutscher Verlage.
  • Ich lese sehr viel mehr Klassiker als sowieso schon und entdecke ständig neue dazu.
  • Ich kaufe fast keine Taschenbücher mehr, das Geld reinvestiere ich in edel gemachte Hardcover.
  • Ich lese wieder SF und Phantastik (keine Fantasy), weil endlich der Zugang dazu da ist (im Gegensatz zum stationären Buchhandel).

Auf meinem Reader findet man deshalb vor allem:

  • die typische Einmal-Leseware
  • reine Unterhaltung zur Entspannung
  • kostenlose Klassiker (und dadurch auch kostenpflichtige Ausgaben)
  • Bücher, bei denen das ausländische E-Book billiger ist als alle deutschen Ausgaben
  • Recherchematerial wegen der praktischen Such- und Markierfunktion
  • Risikoware (Bücher, die ich mir nie gekauft hätte, die mir aber dringend jemand empfohlen hat und die mich dank Leseprobe überzeugen konnten.)

Ich kaufe Bücher aus Papier 

  • die ich dringend „greifbar“ besitzen will
  • die ich sicher öfter als einmal lesen werde
  • die vom Verlag wertig und liebevoll gestaltet wurden
  • illustrierte Sachbücher, Coffee Tables und Kunstbände
  • historische Bücher
  • die mich über viele Jahre begleiten sollen
  • die ich verschenken will

Schwer, eine Bestenliste zu finden, es waren viele gute Bücher dabei. Viele gute Bücher habe ich nicht gelesen. Viele, die andere gut finden, finde ich gar nicht gut. Und ganz ärgerlich ist das Durchwühlenmüssen von immer mehr absolut schrottigen Büchern (wäre das nicht mal eine eigene Kategorie wert?), Spam-Books und wirklich betrügerischen Ausgaben zwielichtiger Macher, die oft die Suchergebnisse verstopfen. Gerade in Sachen Recherchematerial stolpere ich immer häufiger über Copy&Paste-Ausgaben aus Wikipedia und anderen gemeinfreien Quellen, die zu Fantasiepreisen angeboten werden und oft sogar die Verlagsausgaben in der Suchausgabe verdrängen. Ich warte auf den Shop, der Self Publishing anbietet, aber kriminelle Ware und Spam-Books ächtet.

In meinem Trash-Ordner landeten insgesamt sechs Bücher, die kompletter Müll waren. Ich hatte die Bücher ohne Leseprobenansicht sofort heruntergeladen, weil sie kostenlos, also kein Risiko waren. Kriterien: Lektorat, Korrektorat, Aufbereitung von Inhalten. Der wirklich unerträgliche Müll kam von 3 Self Publishers, 1 Kleinverlag und 2 Konzernverlagen. Damit halten sich Verlage und Self Publishing genau die Waage.Die Tendenz, Bücher zu produzieren, die in meinen Augen Müll sind (fehlendes oder unsägliches inhaltliches und sprachliches Lektorat; Inhalte, die wahrscheinlich auch Tante Erna nicht braucht), steigt leider bei Konzernverlagen signifikant an. Ich habe fast schon eine persönliche Black List, bei wem ich mich nie bewerben wollte, aus Angst vor so einem Lektorat. Wenn Self Publisher Müll fabrizieren, kann man das wenigstens mit dem Hobbyfaktor entschuldigen, aber bei einem Verlag?

Kurzum – die ganz großen Gewinner sind bei mir in diesem Jahr die Indie-Verlage und die wirklich in jeder Hinsicht professionell arbeitenden Indie-Autoren. Erstere finden körperlich in meine Bibliothek, letztere auf den Reader.

Was das Kaufverhalten betrifft: Wenn mein stationärer Buchhändler einen E-Book-Shop hätte, der folgende Kriterien erfüllt, würde ich nicht mehr bei Amazon herunterladen:

  • Usability, Sicherheit und Bequemlichkeit ähnlich wie bei Amazon
  • sowohl Ware von Verlagen wie von Self Publishers
  • internationale Bücher

Was mich absolut abtörnt, sind Shopfreuden wie diese hier.

 Petra van Cronenburg studierte Theologie und Judaistik mit den Schwerpunkten Religionswissenschaften und Kirchengeschichte in Tübingen und absolvierte eine Volontariatsausbildung zur Redakteurin. Sie lebt heute als freie Journalistin, Buchautorin, Texterin und Übersetzerin in Frankreich.

Der Artikel ist zuerst im Blog von Petra van Cronenburg erschienen. Hier die Webseite der Autorin.


Kommentare

4 Kommentare zu "Petra van Cronenburg: Ein Jahr Kindle"

  1. Ich empfinde das Lesen von E-Büchern auf einem Reader – habe mich schlussendlich auch auf ein Kindlegerät festgelegt – ebenfalls die Augen nicht so belastend wie das Lesen eines Papierbuchs. Ich nutze mein Lesegerät nun gut zwei Jahre und lese seitdem auch mehr und breitgefächerter als zuvor.
    Die eben gelesene sinngemäße Äußerung, so zu empfinden kann ja nicht sein und ist Augenwischerei ist für mich eigentlich nur ein Ausdruck der Gesinnung, technische Artikel abzulehnen.
    Sie erinnert mich an die Meinungen, die vor ca. 25 Jahren (keine Ahnung mehr, wann genau das war) geäußert wurden, als die CD die Schallplatte ablöste. Und wer von den damaligen CD-Feinden hört heute noch regelmäßig Schallplatten?
    Ich mache es ähnlich wie die Autorin des Beitrags, eine bewusste Kaufentscheidung für bestimmte Sorten Papier-Bücher, Verbrauchliteratur aber als nicht einstaubende E-Buchdatei. Wobei ich bei manchen Büchern erst für mich eine E-Datei kaufte und später zum Verschenken ein Papierbuch. Man sollte das nicht als konkurierende Systeme ansehen und seine persönliche Befürwortung oder Ablehnung zum Maß der Dinge machen. Petra van Cronenburg hat das in ihrem Beitrag nicht gemacht, sie schilderte ihre ganz persönliche Erfahrung.

  2. Angelika Siebrands, die Antwort ist ganz einfach: Unter allen Geräten konkurrierten für mich zum Schluss Kindle und Sony. Ersteren wählte ich schlicht wegen des Preis-Leistungs-Verhältnisses, weil ich mir sage, dass Reader technisch eine gigantische Entwicklung vor sich haben und für ein Autorengehalt 99 Euro eher zu verschmerzen sind. Ich wusste ja auch noch nicht, ob ich E-Books mögen würde. Zweitens gebe ich meine Verlagsbuch-Backlist als E-Book selbst heraus und brauche das Gerät für den Reality-Check. Drittens lebe ich in Frankreich und Amazon war so freundlich, mich international freizuschalten. Buchhändler gibt es hier nur in Städten …

    Warum nicht mein Leib- und Magenbuchhändler in Deutschland, zu dem ich gern eine Stunde fahre? Der hat damals E-Books abgelehnt. Grundsätzlich. Inzwischen hat er einen E-Shop mit eben jenem abschreckenden Link am Ende meines Artikels. Wrum sollte ich für ihn über Google gehen? Ist Google besser als Amazon? Warum gibt es Amazon-Bashing, aber kein Google-Bashing? Ich mag nicht via Google einkaufen.

    Im Endeffekt setzt mein Buchhändler aber trotz (oder wegen?) des Kindles mehr Geld mit mir um als früher. Bei ihm kaufe ich Papier und hier geht – wie oben beschrieben – mein Trend eindeutig zu teureren Büchern und Hardcovers. Ich kaufe bei ihm keine Billigtaschenbücher mehr, sondern Edelware.

    Und ich bin vollkommen offen beim nächsten Reader / Shop, wenn man mich überzeugt.

  3. abtörnend finde ich (persönlich) den leicht arroganten Ton des Artikels, aber seis drum… Der kritisierte Link (KNV.digital) stellt lediglich eine App für Android-basierte Geräte vor, keinen eigenen Shop. Und gibt es nicht die Kindle-for-Android-App? Die im wesentlichen genauso funktioniert?

    Schwer nachvollziehbar auch die Kritik an Copy-n-paste. Kostenlose Klassiker sind toll (behauptet der Artikel) – aber nichts anderes. Da hat auch jemand Google durchstöbert, vielleicht neu getippt oder umwandeln lassen, aber sonst? Mir macht es schon was aus, wenn (gerade bei Klassikern) ich eine willkürlich edierte, unkommentierte und fragwürdige Ausgabe lesen soll. Das Ganze kostenlos? Nicht einmal dann… Wo bleibt der selbst postulierte Anspruch? Und die kostenlosen Klassiker bei Amazon sind nicht besser als die, die man sonst für 0.- nachgeschmissen bekommt.

    Warum man aufgrund kostenloser Klassikerausgaben auch kostenpflichtige Ausgaben auf Ihrem Reader findet – ist mir schleierhaft und wird auch im Artikel nicht erläutert. Letzter Punkt meiner Kurzkritik:

    Mehr und schneller lesen, weil der Reader augenschonender ist – als was, bitteschön? Als das gedruckte Buch?? Nicht im Ernst, hoffe ich. Das Ganze klingt schon sehr nach Augenwischerei. Ich bin übrigens kein Feind von Ebooks, ganz im Gegenteil, ich bin nur kein Freund der überall-und-gratis-Mentalität. Und genau die sehe ich hier, verbrämt mit einem pseudo-Luxus-Verständnis. Indie ist ja so toll – na sicher, aber deswegen ist nicht alles andere vom Teufel. Ende meiner Kurzdurchsage.

  4. Dazu kommen täglich Gratisbooks (Buchpreisbindung – ist da was!?), eine Ausleihfunktion (im Aufbau) und eine Prime Flatrate (in Planung). Ach, du schöne neue Welt von Amazon!

    Soweit die eine Hälfte des befüllten Readers. Die andere Hälfte der Nicht-PvB-Reader mit illegalem Content flüsterheimlich angereichert.

    Also tritt Amazon an mit dem legalen Content, und die Buchpiraten treten an mit dem illegalen Content. Hab ich wen vergessen?

    Keine Ahnung, wie der Diskussionstand bei den Verlagen ist, aber wir Buchpiraten diskutieren bereits eine digitale Landschaft, in der es nichts als diesen Kindle-Indle-Schrott gibt.

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