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Wo verkaufen Sie Hörbücher, Herr Stricker?

Die Restrukturierung der Filialisten verändert den Handel. Welche Vertriebswege fürs Hörbuch wichtiger werden, berichtet Johannes Stricker.

Die Buchfilialisten wollen ihr stationäres Geschäft massiv verkleinern. Was bedeutet diese Entwicklung für die Hörbuch-Verlage?
Seit der Frühzeit des Hörbuchs sind Ketten wie Thalia oder Hugendubel immer wichtige strategische Partner für die Audioverlage und das Medium. Die meisten sind sehr engagiert, haben ihr Personal geschult und ihr Hörbuchsegment gepflegt. Wenn diese Partner jetzt in großem Stil ihre Flächen verkleinern, ist das natürlich keine positive Entwicklung.
Wie stehen die Chancen, dass kleinere und mittlere Sortimenter stärker aufs Hörbuch setzen?
Hier sehe ich ein großes Potenzial. Diese Händler werden möglicherweise nicht die ganze Breite des Hörbuchprogramms anbieten, aber da sie ihre Kunden sehr gut kennen, können sie durch eine Auswahl Akzente setzen. Hörbücher müssen aktiv verkauft werden, das gelingt besonders inhabergeführten Buchhändlern, die sich durch individuelle Beratung vom Wettbewerb absetzen wollen.
Verschieben sich die Vertriebswege mehr in Richtung Nebenmärkte?
Der Elektronikfachhandel mit Media Markt und Saturn gewinnt immer mehr an Gewicht. Im Online-Versand ist Amazon dominant. Bei ausgewählten Titeln spielen noch Drogerien eine gewisse Rolle. 
Können Saturn und Co. die Ausfälle im Buchhandel kompensieren?
Sicher gewinnen wir dadurch neue Zielgruppen, allerdings eher mit Titeln, die sich von selbst verkaufen. Literarisch anspruchsvolle Hörbü­cher werden in den Elektromärkten so gut wie nicht nachgefragt.
Weil das Fachpersonal fehlt?
Ja, und weil es dort eine andere Kundenstruktur gibt. Bei der Masse der populären und Spitzentitel können die Elektronikmärkte etwas wettmachen, aber insgesamt sind sie kein wirklicher Ersatz.
Wie sieht es mit dem digitalen Hörbuchvertrieb aus?
Dieser Bereich entwickelt sich rasant, wir haben bereits einen Umsatzanteil von im Schnitt 20%. Das erleichtert vor allen Dingen die Kalkulation und ermöglicht uns, auch weiterhin eine Breite von Titeln anbieten zu können. Wobei auch der Download-Vertrieb stark durch Topseller ge­prägt ist: Mit weniger als 10% der Titel erwirtschaften wir 50% unserer Umsätze. Das spitzt sich in diesem Bereich sogar noch stärker zu als bei den physischen Hörbüchern.
Was bedeutet das für Ihr Programm?
Wir versuchen nach wie vor auch  Titel umzusetzen, die sich möglicherweise nicht leicht rechnen, die aber für das Medium wichtig sind. Ein aktuelles Beispiel: Das Hörspiel „Vier Lehrmeister“ von Liao Yiwu wird kein Megaseller werden, wenn wir davon 1000 Exemplare verkaufen, bin ich glücklich. 
Die Fragen stellte Till Spielmann
Zur Person: Johannes Stricker

ist im Mai 2008 vom Hörverlag zu Hörbuch Hamburg gewechselt, wo er seit Oktober 2009 die Geschäfte führt. Geboren 1963 hat Stricker nach dem Stu­dium der Germanistik und Skandinavistik in vielen unterschiedlichen Berufen gearbeitet, u.a. als Übersetzer, Altenpflegehelfer, Lehrer Deutsch für Ausländer, Redaktionsassistent und Buchhändler.   

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