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Ein ruinöser Beruf

Der Streit um eine angemessene Vergütung von Übersetzern spitzt sich weiter zu. Der Übersetzerverband (VdÜ) hat die Honorare seiner Mitglieder unter die Lupe genommen und festgestellt: Die Einkommenssituation ist „prekär“. 

Zentrale Ergebnisse der Umfrage, an der 227 Übersetzer teilgenommen haben:

  • Nachwuchsproblem: 67% der Übersetzer, die an der Umfrage teilgenommen haben, sind über 45; 28% sind älter als 56. Nur 9% sind zwischen 25 und 35 Jahre alt. Damit zeichne sich ein zunehmendes Nachwuchsproblem ab, so der VdÜ.
  • Vergütung nach Normvertrag: Bei den meisten Übersetzern stimmen die Verträge immer (22%) oder meistens (40%) mit den Normverträgen überein. Doch: Immerhin mehr als ein Viertel gibt an, dass die Verträge so gut wie nie mit den Vorgaben des Bundesgerichtshofs übereinstimmen.
  • Seitenhonorare: Das niedrigste Seitenhonorar liegt im Durchschnitt bei 15,30 Euro, das höchste Honorar bei durchschnittlich 19,75 Euro.
  • Erfolgsbeteiligung: Rund 30% der Übersetzer bekommen keine Absatzbeteiligung. Bei fast zwei Dritteln der Verträge sind prozentuale Beteiligungen am Absatz vorgesehen. 
  • Lizenzerlöse: 40% der Übersetzer werden an den Erlösen aus dem Verkauf von Nebenrechten nicht beteiligt. Die übrigen werden meist prozentual am Verlagsanteil (32%) oder am Verlagserlös (19%) beteiligt. Knapp 7% werden am Verkauf von Taschenbuchlizenzen beteiligt. 
  • E-Book-Verkauf: Fast zwei Drittel (63%) wurden bis 2010 nicht an elektronischen Verwertungen beteiligt. 
  • Einkommen: Das durchschnitte Übersetzereinkommen liegt unter dem Einkommen aller bei der Künstlersozialkasse versicherten freien Autoren. 
  • Rente: Die meisten Übersetzer werden nach dem Eintritt ins Rentenalter, sofern sie nicht weiter arbeiten, zum Sozialfall, so der VdÜ. Denn: Ihre durchschnittlichen Rentenansprüche liegen mit 500 Euro pro Monat mehr als 200 Euro unter dem Satz, der 2007 als Grundsicherung gezahlt wurde (710 Euro monatlich). Die meisten Übersetzer seien deshalb gezwungen über die Altersgrenze hinaus zu arbeiten.

„Die Mehrheit der Verlage praktiziert das Recht des Stärkeren“

Diese Ergebnisse der Umfrage zeigen laut Übersetzerverband:

  • „Literaturübersetzen auf dem deutschsprachigen Markt bleibt ökonomisch ein unattraktiver, um nicht zu sagen ruinöser Beruf, 
  • dem naheliegenderweise der Nachwuchs auszugehen droht.“
  • Es sei fraglich, ob das hohe Maß an Professionalität und die daraus resultierende Qualität der Übersetzungskultur unter diesen Bedingungen erhalten bleiben könne.

Wiederholt fordert der Verband eine von von Verlagen und Übersetzern gemeinsam vereinbarte Vergütungsregel. Denn: „Immer noch praktiziert die Mehrheit der Verlage bei der Vertragsgestaltung das Recht des Stärkeren“, moniert der Verbandsvorsitzende Hinrich Schmidt-Henkel. Und: Viele Verlage würden die gesetzlich geregelte Übersetzervergütung weiterhin untergraben.

Auch wird kritisiert, dass der Carl Hanser Verlag mit Unterstützung des „mächtigen Börsenvereins“, eine Verfassungsbeschwerde gegen die Übersetzervergütung eingereicht hat (buchreport berichtete). Fazit des VdÜ: „Solange es keine gemeinsame Vergütungsregel gibt, hat die Branche keinen Frieden.“

Chronik zum Streit um eine angemessene Übersetzervergütung

Der Streit zwischen Übersetzern und Verlagen gärt inzwischen seit zehn Jahren. Die wichtigsten Eckpunkte: 

  • 2008 scheitern die Verhandlungen zwischen dem Übersetzerverband VdÜ/Verdi und den Verlagen über eine praktikable Vergütungsregel, weil die VdÜ-Mitgliederversammlung eine ausgehandelte Lösung kippt. 
  • Im Januar 2011 setzt der Bundesgerichtshof im Musterverfahren die Grundregeln fest. 
  • Im März 2011 reicht der Hanser Verlag gegen das BHG-Urteil Verfassungsbeschwerde ein, unterstützt wird das Verfahren vom Börsenverein.
  • Juni 2011: Der Übersetzerverband moniert, dass die Verlage sich nicht an das Urteil halten und wirft ihnen systematischen Rechtsbruch vor. Im Dezember 2011 wiederholt der VdÜ die Vorwürfe. 
  • Mai 2012: Der Börsenverein meldet einen ersten Erfolg bezüglich der Verfassungsbeschwerde des Carl Hanser Verlags: Das Bundesverfassungsgericht will Teile des Urhebervertragsrechts überprüfen. 
 

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