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Fast nur noch multimediale Bücher

Wie sieht die Medienwelt in 10 Jahren aus? Die Frankfurter Buchmesse sammelt Einschätzungen. Gunter Dueck, Ex-Technologiechef bei IBM Deutschland, entwirft die Vision von Büchern, die mit sehr großem Aufwand multimedial produziert werden. Und kritisiert das Festhalten der Verlage an Produkten der Vergangenheit.
Duecks Beitrag ist im Rahmen des Projekts „Messages from the future“ entstanden, einer Kooperation von Frankfurt StoryDrive mit Audi und newthinking. Weitere Beiträge stammen von Trendsettern der Verlags-, Film- und Gamesbranche, aus Design, Politik, Forschung und Musik. Hier der Überblick.
Wie kommen Sie zu Ihrer Zukunftsvision von Büchern, die mit sehr großem Aufwand multimedial produziert werden?
Das sieht man an den anderen Wirtschaftsbranchen. Es ist im Grunde so etwas wie „economy of scale“: Eine Idee wird weltweit überall ausgerollt. Ganz einfach die Globalisierung. Wenn man Filme macht, die praktisch von allen gesehen werden, Indiana Jones 15 zum Beispiel, dann kann man sich auch 100 Mio. oder 500 Mio. Produktionskosten leisten. Man könnte im Grunde eine einzige Tageszeitung für Deutschland machen, die an alle verkauft werden würde. Man könnte dann fantastische Artikel machen, weil man natürlich viel mehr Geld investieren kann. Stattdessen kümmert man sich um relativ kleine Auflagen und schützt irgendwelche kleinen Autoren. Aber es ist klar, dass das multimediale Buch irgendwie kommen muss und jemand mal die Idee hat, irgendetwas so schön zu bauen, dass es in ganz großer Serie gemacht wird.
Was läuft ihrer Meinung nach bei den Verlagen derzeit falsch?
Ich war einmal auf dem Printmedienkongress, und da hat jemand aus dem Vorsitz einer Institution gesagt, dass sie sich gar nicht so sehr mit elektronischen Medien befassen dürfen, weil in der Satzung der Institution im Grunde stehe, dass sie nur für Printmedien zuständig sind. Es wurde auch gesagt, dass jetzt zehn Jahre lang nachgedacht wurde, wie die alten Wissensmodelle doch noch gerettet werden könnten. Und diese Rettungsmaßnahmen führen dazu, dass sich die hoch qualitativen Services und Produkte der Vergangenheit selbst diskreditieren. Die Buchbranche behauptet, dass sie sehr haptische, wunderschöne, mit Liebe ausgestattete Dinge herstellt. Aber die Bücher sind schon lange nicht mehr in Leder oder Leinen gebunden – das sind irgendwelche Pappdinger mit irgendwelchen hässlichen Umschlägen drum herum. Das ist längst nicht mehr das, was die Verlage anpreisen. Im Prinzip wird das Besondere langsam runtergewirtschaftet, um es noch halten zu können. Die Leute sind oft so verliebt in das Tolle in ihrer schönsten Zeit, in der sie wirklich erfolgreich und geschätzt waren. Das aber gibt es nicht wirklich mehr, und jetzt kommt irgendetwas Neues und man möchte das nicht. Die alten Werte sind also nur noch theoretisch im Hirn, nicht mehr in der Buchhandlung und nicht mehr im Verlag zu finden. Und dieser Sachverhalt killt das Alte und seine Anhänger.
Was müsste Ihrer Meinung nach jetzt geschehen?
Die Aufgabe wäre es, sich wirklich dem Neuen zu stellen und sich zu fragen, wie sich die Kunstform der Zukunft entwickelt. Was ist in zehn Jahren wirklich das Schöne und das, was Freude macht? Das muss man dann irgendwie bauen – wenigstens mal in einer Bastellecke in einem Unternehmen. Ich glaube, die Unternehmen plagt ein Problem: Gehst du in etwas Neues rein, bist du vielleicht schlecht darin. Doch ich glaube, man kann das sehr gut schaffen, man muss aber Lust dazu haben und richtig mit Freude dran gehen. Es ist schwer, wenn man das Neue nicht so wie ein kleines Kind mit staunenden Augen betrachtet.
Zur Person: Gunter Dueck

studierte von 1971-75 Mathematik und Betriebswirtschaft und promovierte 1977 an der Universität Bielefeld in Mathematik. Nach seiner Habilitation 1981 war er fünf Jahre Professor für Mathematik an der Universität Bielefeld und wechselte 1987 an das Wissenschaftliche Zentrum der IBM in Heidelberg. Dort gründete er eine große Arbeitsgruppe zur Lösung von industriellen Optimierungsproblemen und war maßgeblich am Aufbau des Data-Warehouse-Service-Geschäftes der IBM Deutschland beteiligt. 2009 bis 2010 beteiligte er sich in führender Rolle am Aufbau eines neuen strategischen Wachstumsfeldes der IBM Corporation, das auf die wachsende Industrialisierung der IT-Infrastrukturen bis hin zum so genannten Cloud Computing zielte. Bis August 2011 war er Chief Technology Officer (CTO) der IBM Deutschland. Seitdem hat es ihn wegen Erreichens der 60-Jahre-Marke in den Unruhestand gezogen: er ist derzeit freischaffend als Schriftsteller, Business-Angel und Speaker tätig. Gunter Dueck war einer der IBM Distinguished Engineers und Mitglied der IBM Academy of Technology. Er war lange Jahre Mitglied der Präsidien der Gesellschaft für Informatik und der deutschen Mathematikervereinigung. Er ist IEEE Fellow und korrespondierendes Mitglied der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen. Er publizierte satirisch-philosophische Bücher über das Leben, die Menschen und Manager: E-Man (2. Aufl. 2002), Die Beta-Inside Galaxie und Wild Duck (3. Auflage 2003). Seine ganz eigene Philosophie erschien in drei Bänden: Omnisophie: Über richtige, wahre und natürliche Menschen (2. Auflage 2004), Supramanie: Vom Pflichtmenschen zum Score-Man (2003) und Topothesie: Der Mensch in artgerechter Haltung (2004). Der Springer-Verlag publiziert seine Werke unter der eigenen Rubrik Dueck’s World.

Mit freundlicher Genehmigung der Frankfurter Buchmesse

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