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99 Cent als digitaler Köder

Vor zwei Jahren tobte der Kampf um die 9,99-Dollar-Einheitspreise von E-Books bei Amazon. Inzwischen experimentieren immer mehr Verlage in den USA mit Dumping-Preisen. Die Strategie ist umstritten.
Wie das „Wall Street Journal“ berichtet, kehren Verlage verstärkt zu Billigpreisen zurück. Als Beispiel verweist das Blatt auf George Pelecanos‚ Kriminalroman „What It Was“, der einen Monat lang in der Digitalversion für 99 Dollar-Cent erhältlich sei, danach koste sie 4,99 Dollar. Der Verlag Reagan Arthur (gehört zu Hachette) hoffe, mit dem Angebot die Leserschaft von Pelecanos zu vergrößern – der Autor sei zwar als Autor für die HBO-Serie „The Wire“ bekannt, als Buch-Autor aber weniger erfolgreich.
Auch bei 100.000 verkauften Exemplaren nichts verdient
Das Rechenbeispiel von Pelecanos: Während sich sein Anteil an einem für 12,99 Dollar verkauften E-Book auf 2,27 Dollar belaufe, erhalte er bei einem 99-Cent-Deal gerade einmal 17 Dollar-Cent. „Wenn wir 100.000 E-Books für 99 Cent verkaufen, verdiene ich nichts, aber die Hoffnung ist, dass die meisten Leser die Bücher mögen werden und wir sie so ins Boot holen“, zitiert das „WSJ“.
Mit der Strategie folgt der Verlag dem Onlinehändler Amazon, der mit dem „Kindle Daily Deal“ E-Books 24 Stunden lang für 99 Dollar-Cent anbietet. Das Pricing des Onliners ist seit dem Start des Kindle-Programms umstritten, weil die Firma aus Seattle Buch-Bestseller zum Standard-Preis von 9,99 Dollar verkaufen will und damit auf Widerstand von großen Verlagsgruppen wie  Hachette, HarperCollins, Macmillan, Penguin und Simon & Schuster stieß. Im November 2010 gab Amazon zähneknirschend den Verlagen die Preishoheit zurückgegeben, inzwischen legen die großen Verleger mehrheitlich mit Hilfe des Agency-Modells selbst die Preise ihrer E-Books fest. 

Hier der WSJ-Redakteur Jeffrey Trachtenberg über das E-Book-Pricing:

Über die Flut an 99-Cent-E-Books wird seit Monaten diskutiert, in den USA sowie hierzulande. Im buchreport-Blog analysierte Wolfgang Tischer, warum „selbstgemachte“ E-Books für 99 Cent für Verlage zum Problem werden können.
„99-Cent-E-Books zerstören das Gehirn“
Darin verwies Tischer auch auf eine Aussage des US-Verlegers Chad W. Post, der davon ausgehe, dass der Verkauf von 99-Cent-Büchern das Gehirn zerstöre: Gerade erst habe er selbst die ersten E-Books für 4,99 Dollar auf den Markt gebracht, da erschrecke ihn die große Anzahl von 99-Cent-Titeln auf der Amazon-Bestsellerliste für den Kindle. Posts Angst: E-Books könnten das Buch zur Wegwerfunterhaltung verkommen lassen.
Auch die Münchner Unternehmensberaterin Martina Steinröder beschäftigt sich seit Jahren intensiv mit der Preisfindung. Öffentlich warb sie beim Kongress „Homer 3.0“ für mehr Experimente:
Steinröder geht grundsätzlich davon aus, dass Amazon und Apple auch hierzulande an möglichst niedrigen Preisen interessiert seien: „Die kritische Preisschwelle wird in Deutschland unter 10 Euro liegen. Im Backlist-Bereich sehe ich da kein Problem, schließlich kosten auch deutsche Taschenbücher oft unter 10 Euro. Im Frontlist-Bereich wird die Situation sicherlich anders sein als in den USA. Die Publikumsverlage haben bei aktuellen Titeln eine recht gute Verhandlungsposition gegenüber den großen Playern. Ich schätze, dass sich die Preise aktueller E-Books im Publikumsbereich bei 20 bis 30% unterhalb der Printausgabe einpendeln werden.“

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