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Mehr Mut zum Paradigmenwechsel

Mit der Initiative „protoTYPE“ (s.u.) will der Börsenverein Verlagen und Buchhandlungen einen Nährboden für innovative Zukunftskonzepte bereiten (hier mehr). Innovationen hat die Branche dringend nötig, meint Dorothee Werner (Foto), Leiterin Unternehmensentwicklung im Verband. Woran es bisher haperte und in welchen Bereichen es neuer Geschäftsmodelle bedarf, erläutert sie im Interview mit buchreport.de

Was war die letzte große Erfindung für die Buchbranche? 

Für die Buchbranche selbstverständlich die E-Reader. Zwar sind die E-Ink-Reader noch nicht optimal; sie müssen insgesamt noch deutlich alltagstauglicher werden. Aber schon jetzt ist spürbar, wie grundlegend die digitalen Möglichkeiten die Prozesse der Branche verändern. 

Die letzte große Innovation aus der Buchbranche heraus ist für mich „Rightslink“, der automatisierte und standardisierte Rechtehandel für Abdruckrechte und andere Kleinlizenzen im deutschen Raum. Dadurch ist es wesentlich einfacher geworden, Rechte für urheberrechtlich geschützte Texte, Textteile oder Bilder einzuholen.

Fehlt es der Branche an Ideen?

Nein, die Ideen sind da. Doch im Alltag fällt es oft schwer, sich die notwendige Zeit dafür zu nehmen. Das ist jedenfalls meine Erfahrung. Festgelaufene Prozesse erschweren die Entwicklung zusätzlich. Oft werden Ideen nur im Stillen entwickelt, obwohl man für weitreichende Innovationen auch das Know-how und die Inspiration von anderen braucht. Und selbstverständlich den Austausch. Wenn ich weiterkommen will, muss ich neu denken. Dieses Umdenken schafft man nicht allein. Ich wünsche unsere Branche mehr Mut zum Paradigmenwechsel – gerade angesichts der notwendigen Geschwindigkeit, mit der Innovationen umgesetzt werden müssen. 

Für welche Probleme braucht die Branche einen Prototyp? 

Wir wollen mit der Initiative „protoTYPE“ einen Nährboden bieten, um digitale Innovationen möglich zu machen: Es fehlen beispielsweise zahlreiche Standards in der E-Book-Herstellung und -Vermarktung oder tragfähige Strukturen für Innovationen rund um Metadaten oder Paid Content. Aber auch Zukunftskonzepte für das stationäre Sortiment, neue Module in der Ausbildung oder andere Themenbereiche können diesen Nährboden nutzen.  

Normalerweise entstehen Innovationen aus marktwirtschaftlichem Interesse… Kann Innovation aus gemeinnützigem Interesse wirklich funktionieren?

Ich sehe da keinen Widerspruch. Natürlich sollen letztlich Standards, Workflows oder Tools entstehen, die dazu beitragen können, Geschäftsmodelle zu entwickeln und innovative Projekte wirtschaftlich zu machen. Diese kann man nicht alleine entwickeln, dafür bedarf es der Diskussion mit anderen Branchenexperten. Dabei gewinnen vor allem die Teilnehmer – sicher alles Kollegen, die in irgendeiner Form auch in ihrem Berufsalltag an Prototypen arbeiten: Sie profitieren vom Austausch und den neuen Blickwinkeln, die sie mit zurück in ihren Arbeitsalltag nehmen können. 

Zu dem Preis, dass ihr geheimes Modell öffentlich geworden ist…. 

Welches „geheime Modell“? Die Teilnehmer müssen kein fertig ausgearbeitetes Konzept vorstellen, sondern vielleicht nur einzelne Elemente. Wenn gute Ideen entstehen, steht es ihnen wie allen anderen frei, diese auch im Unternehmen zu verwenden. Dies ist letztlich ähnlich wie in vielen Kontexten im Netz, wo gemeinsam an Ideen gearbeitet wird. Unser Ziel ist es aber vor allem, kreative Köpfe für „protoTYPE“ zu gewinnen – die Ideen selbst werden in der Gruppe entwickelt. 

Sollte sich der Verband nicht auf den Erhalt der Rahmenbedingungen konzentrieren, statt neue Geschäftsmodelle zu entwickeln? 

Der Verband entwickelt keine Geschäftsmodelle. Wir bieten die Plattformen und Anregungen für den Austausch. Die Rahmenbedingungen zu fördern, zu erhalten und zu festigen, ist eine wichtige Aufgabe des Börsenvereins. Doch ebenso sehe ich es als unsere Aufgabe, den Mitgliedern vielfältige Möglichkeiten des Netzwerkens zu bieten, damit Innovationen entstehen können – wie z.B. auf der Zukunftskonferenz. Der Börsenverein fungiert als ein Knotenpunkt, damit Dinge schneller passieren. Das ist eine echte Serviceleistung für unsere Mitglieder.

Wie geht es weiter, wenn die Ideen entwickelt wurden? Beginnt dann das Wettrennen um die Umsetzung oder werden die Ideen im Sande verlaufen? 

Das Wettrennen um die Umsetzung oder zur Nutzung der Ideen wollen wir nicht verhindern, schließlich hat Innovation auch etwas mit Dynamik und Wettbewerb zu tun. Um zu verhindern, dass die Ideen versanden, begleiten wir die Teams ein halbes Jahr lang. In diesen Monaten haben die Teilnehmer ausreichend Luft um herauszufinden, wie aus ihren Ideen Wirklichkeit werden kann. Oft hapern Innovationen daran, dass die zugrunde liegende Idee nicht so durchdacht ist, dass sie zur Marktreife gelangen kann. Letztlich geht es nicht darum, ein fertiges Geschäftsmodell zu entwickeln – sondern darum, Innovationsgeist sichtbar und spürbar zu machen. 

Die Fragen stellte Lucy Kivelip.


Über „protoTYPE“
Mit „protoTYPE“ will der Börsenverein eine Plattform schaffen, die der Branche Raum bietet für die Entwicklung innovativer Ideen und neuer Geschäftsmodelle. Im Rahmen der Leipziger Buchmesse sollen an zwei Tagen aus ersten Ideen konkrete Projektansätze und Konzepte entstehen, von denen die besten „Prototypen“ ausgewählt und von verschiedenen Teams über sechs Monate, bis zur Frankfurter Buchmesse, zu zukunftsfähigen Modellen weiterentwickelt werden sollen. Die im Rahmen des Projektes erarbeiteten „ProtoTYPEn“ gehören der Branche. Jedem steht es nach Abschluss des Projektes frei, die dort entwickelten Innovationen aufzugreifen und zu Geschäftsmodellen werden zu lassen. 

Die Teams werden durch den Börsenverein infrastrukturell begleitet. Innerhalb des Verbands betreuen das Forum Zukunft und der Arbeitskreis Elektronisches Publizieren (AKEP) den Vorstoß. Unterstützt wird das Projekt von der Leipziger Buchmesse und vom Mediacampus Frankfurt. Interessenten können sich zwischen dem 10. Januar und dem 10. Februar 2012 für die Teilnahme bewerben. Mehr unter innovation-prototype.de.

Foto: © Stephan Sasek

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