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Zynische Wahl: Friss oder stirb

Anlässlich des Treffens der im Börsenvereien organisierten Buchwelt in Berlin und und  kurz vor der Jahrestagung des eigenen Verbands in Wolfenbüttel vom 17. bis 19. Juni wirft der Übersetzerverband den Verlagen Tricksereien in ihrer aktuellen Vertragspraxis vor. Mit ihrer Haltung verstießen sie nicht nur gegen Gesetz und Urteile, sondern höhlten auch den Branchenfrieden aus.

Statt die vom Bundesgerichtshof als „Mindestvergütungen“ bezeichneten Bestimmungen (hier mehr) zügig umzusetzen, würden die Verlage trotz der im vergangenen Jahr erwirtschafteten Rekordumsätze (zumindest bei Random House und dtv) die Übersetzerhonorare „in bewusster Fehldeutung der BGH-Urteile“ teilweise drastisch senken. Den Übersetzern würden Verträge aufgezwungen, die gegen geltendes Recht verstießen, schreibt der Verband deutschsprachiger Übersetzer (VdÜ.

„Mit dieser Praxis treten die Verlage geltendes Recht mit Füßen und praktizieren ungerührt das Recht des Stärkeren“, ärgert sich der Vorsitzende des Übersetzerverbands, Hinrich Schmidt-Henkel (Foto). Die Übersetzer würden vor die „zynische Wahl“ gestellt: Friss oder stirb. „Wenn du dich traust, mich als Auftraggeber zu verlieren, kannst du ja später noch klagen. Das ist eine Haltung, die nicht nur Gesetz und Urteile verhöhnt, sondern auch den Branchenfrieden aushöhlt.“

Die Verlage müssten die vom BGH festgesetzte Mindestvergütung „ohne weitere Tricksereien“ in ihrer aktuellen Vertragspraxis umsetzen, fordert der Berliner. Und droht: „Für den Fall, dass dies nicht geschieht, prüft der VdÜ weitere juristische Schritte, um den Literaturübersetzern zu ihrem Recht zu verhelfen.“ Gleichwohl strebe der Verband weiterhin Verhandlungen über eine gemeinsame Vergütungsregel auf der Grundlage der BGH-Urteile an.

Beispiele des Verbands für die „Tricksereien“:

  • C. H. Beck verrechne neuerdings gut 20% des Seitenhonorars mit den Beteiligungen, obwohl jegliche Beteiligung laut BGH nicht verrechenbar sei.
  • Bei Piper, Ullstein und Carlsen sollten die Übersetzer im Falle sechsstelliger Verkaufszahlen einer Absenkung der Beteiligung bis auf ein Viertel zustimmen und auf einen Teil ihrer Beteiligung verzichten, falls der Verlag einen besonderen Werbeetat für den Titel einzusetzen gedenke. „Das ist ganz neu: Das schwächste Glied in der Kette soll sich an den Betriebskosten des Stärkeren beteiligen“, schimpft der VdÜ.
  • Marktführer Random House mindere die vom BGH festgesetzte Verkaufsbeteiligung um 25% und hebe zugleich die Verkaufsschwelle, ab der sie gezahlt werden solle, um 60% an. Die Nebenrechtsbeteiligungen senkten die Münchner sogar um die Hälfte.
  • dtv zahle, als hätte es die BGH-Urteile nie gegeben, weiterhin eine „utopisch niedrige Verkaufsbeteiligung“, schütte diese erst ab einer sehr hohen Schwelle aus  und verrechne sie mit dem Pauschalhonorar – ein in den Augen des Übersetzerverbands mehrfacher Rechtsbruch.

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