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Wahl zwischen Pest und Cholera

Die von buchreport publik gemachte Diskussion über Konditionen und Marktmacht des deutschen Download-Primus Audible gewinnt an Fahrt. Nachdem Argon-Vertriebschef Kilian Kissling das Abomodell der Berliner verteidigt hatte, reagiert Hörbuch Hamburg-Chef Johannes Stricker mit einer scharfen Kritik am Onliner – und an der Hörbuch-Verlagsbranche selbst:

„Die Frage ist grundsätzlich entscheidend für die Zukunft der Hörbuchverlage: Wie begegnen wir dem Gerätewandel (vom CD-Player zum mp3-Player) mit unseren Produkten? Wie werden wir auch in Zukunft die in den letzten Jahren immer besser und qualitativ hochwertiger gewordenen, von Presse und Konsumenten, aber auch von (Buch-) Autoren  umworbenen Produktionen refinanzieren und unsere vielfältigen Programme kalkulieren können?

Der Erfolg des Hörbuchs vor 15, 20 Jahren war ganz eng verknüpft mit der Einführung von Walk- und Disc-Man, zu Zeiten der Schallplatte und Tonband hätte es nie diesen Boom geben können.  Wir haben noch nie so viele  Konsumenten gehabt, die die Lust am Hören von Literatur für sich entdeckt haben.
Und wir alle haben ein großes Interesse daran, dass der Erfolg weitergeht und sich der Markt nicht wieder von selbst zuschraubt, weil wir kein verändertes Geschäftsmodell finden, dass sich für alle Beteiligten (Verlag, Händler, Konsument) attraktiv ist.

Wir müssen nicht in die USA oder zur Musikindustrie blicken, um zu sehen, dass der Downloadumsatz in den nächsten Jahren an Gewicht gewinnt, auch für uns Hörbuchverlage in Deutschland entwickeln sich die Downloadumsätze zu einer nicht mehr vernachlässigbaren Größe.

„Download-Markt wird von einem Monopolisten beherrscht“

Umso bedrohlicher ist für uns die Situation, dass der deutsche Hörbuch-Download-Markt quasi von einem Monopolisten beherrscht wird, der mindestens 85% Marktanteil hat und den Verlagen Konditionen aufzwingt, die entfernt davon sind, fair zu sein und auch in Zukunft den Verlagen ermöglichen können, die Hörbücher in gleichbleibender Qualität und in der bisherigen Breite von Top-Unterhaltungs-Bestsellern bis  hin zu anspruchsvolleren literarischen Titeln anzubieten. Dass Downloads neue Hörer dem Hörbuch zuführen, stimmt nur noch zum Teil und in Zukunft immer weniger. 

Inhalte im Netz zu kaufen wird immer bequemer, selbstverständlicher und üblicher, und da muss man schon sehr naiv sein zu glauben, dass hier proportional zu der nachlassenden Beratungskompetenz und abnehmenden Angebotsbreite  im stationären Handel keine Abwanderung vom Buchhandel ins Netz stattfindet. Downloads substituieren mehr und mehr das haptische Hörbuch! (was nicht heißen soll, dass die CD zukünftig keine Bedeutung mehr haben würde. Als Geschenk bspw. oder  als sicherer Datenträger, der auch dann noch da ist, wenn die Festplatte abstürzt, wird die CD auch weiterhin ihre Berechtigung behalten).

„Verlage haben Download-Geschäft nicht ernst genommen“

Man muss die (angeblich für alle Verlage gleichen) Konditionen nicht benennen und es braucht auch nicht mal viel Phantasie, um zu ahnen, wie gering die Erlöse sind, die bei den Verlagen, Autoren und Sprechern landen, wenn der Downloadpreis für den Kunden bei 9,95 Euro brutto liegt.  Und das  wohlgemerkt auch für Titel, die im (physischen) Handel 24,95 oder 39,95 Euro kosten! Glaube keiner, dass audible.de diese Form der Kundengewinnung und -bindung (nämlich das Niedrigpreis-Abo) selbst finanziert. Das funktioniert nur, weil die Verlage bis jetzt bereit waren, sich dieser Art von Geschäftsmodell mit entsprechend eingeräumten de facto-Rabatten auf den Downloadpreis zu beugen. Anfangs weil man es bei den Verlagen nicht so ernst nahm (oder Mitgesellschafter war und den „Laden zum Laufen bringen“ wollte, was zur damaligen Zeit durchaus verständlich, aber kurzsichtig war,)  mittlerweile, weil die Abwanderung vom stationären Handel zu audible.de nicht mehr zu leugnen ist und die Downloaderlöse bei audible.de oftmals Bestandteil der Kalkulation geworden sind.

„Nur noch die Wahl zwischen Pest und Cholera“

Welcher Buchverlag wäre eigentlich bereit, alle seine E-Books zu einem Einheitspreis von sagen wir mal Euro 4,18 netto in den Handel zu geben? 
Bedenkt man dann noch, dass audible.de vertraglich abgesichert der exclusive Zulieferer ist für alle Hörbuchinhalte an iTunes, dem größten Player für Downloads im Markt, dann ist auch klar, dass die Hörbuch-Verlage im Grunde genommen zur Zeit nur noch die Wahl haben zwischen Pest und Cholera: Entweder Sie bieten ihre Inhalte audible.de zu den vorgegeben Konditionen an, oder Sie machen keine Umsätze im immer wichtiger werdenden Markt.

Übrigens: wer sagt, dass der Kunde nicht bereit ist für gute Produktionen auch im Download-Abo mehr zu zahlen als die 9,95? Hat das audible.de mal ausprobiert? Und warum eigentlich nicht? Weil man das Geschäftsrisiko lieber den Verlagen überlässt?

Und: Warum ist es bei iTunes möglich, dass alle Inhalte-Anbieter (ausser den Hörbuchverlagen) ihre Preise selbst festlegen können, auf der wichtigsten Hörbuchplattform aber nicht?

„Geschäftsmodell gemeinsam gestalten“

Wenn wir es nicht schaffen, das Geschäftsmodell „Hörbuch-Download“ gemeinsam mit den Downloadplattformen (und das ist nun mal zur Zeit fast nur audible.de ) so zu gestalten, dass auch die Verlage einen fairen und attraktiven Erlös aus den Downloadumsätzen erhalten, um die in den letzten Jahren  immer besser gewordenen Produktionen rezufinanzieren, dann passiert früher oder später  das, was in niemandes Interesse liegen kann: Die Kuh, die man über die Jahre gut gefüttert und genährt hat, wird geschlachtet.“

Kommentare

2 Kommentare zu "Wahl zwischen Pest und Cholera"

  1. Ich kann Johannes Stricker nur zustimmen und danke ihm für die klare Beschreibung der Situation. Insbesondere sein letzter Satz sollte uns allen zu denken geben.

  2. ich bin sehr froh, dass diese Diskussion entflammt ist. Wir haben uns zu sehr darauf verlassen, dass die Portale die Awareness des Hörbuches steigern und viel mehr Menschen zum Hörbuch führen, das ist aber nicht geschehen, die Anzahl der Käufer ist ja seit langem nicht merklich gestiegen.
    Wir sind gerne bereit an der Diskussion und an Verhandlungen mitzuwirken. So geht es tatsächlich nicht weiter.

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