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Postskriptum: Kritik in Kürze

Für Aufsehen sorgen derzeit die Memoiren von Keith Richards (Foto), in denen der Rolling-Stones-Star seinem Mit-Rocker Mick Jagger nicht nur charakterliche Defizite unterstellt, sondern auch auf durchaus ehrabschneidende Weise –räusper, räusper – eine bestimmte körperliche Unzulänglichkeit. Wenn die Memoiren Rückschlüsse auf den Umgangston bei den „Rollenden Steinen“ zulassen, staunt man als Leser eigentlich nur, dass Richards und Jagger sich noch nie mit Säbeln oder Pistolen duelliert haben. Vielleicht erklärt eben dieser Umstand Jaggers inbrünstig vorgetragene Klage, er könne keine Satisfaktion erhalten. 

Zecher: Zitiert

Den „Faust“-Kenner wollte offenbar der „FAZ“-Redakteur heraushängen lassen, der einen Artikel über japanische Mangas mit der Überschrift versah: „Uns ist so ganz japanisch wohl“. Die Zeile erinnert zwar an das berühmte Zecher-Lied aus Auerbachs Keller: „Uns ist so kannibalisch wohl / Als wie fünfhundert Säuen.“ Andererseits ist sie aber Nonsens, denn was bitteschön ist denn „japanisch wohl“? Der Zustand, den man nach dem Inhalieren von zehn Flaschen Japanischem Heilpflanzenöl erreicht? Offenbar hat sich der Überschriftenschmied schon ein anderes „Faust“-Zitat auf sehr freie Weise angeeignet: „Denn, was man schwarz und weiß verzapft, / das muss nicht unbedingt was sagen.“  

Revier: Riskant

Wie sorgsam auch die Verwendung gängiger Floskeln überlegt sein will, zeigt der Text zur Ausschreibung des Journalistenpreises „Wildtier und Umwelt“ durch den Deutschen Jagdschutz-Verband (nachzulesen hier), der angeblich „zur fairen, ehrlichen und durchaus auch kritischen Berichterstattung zu Themen aus der Welt der Jagd anregen“ soll. Darin heißt es: „Holen Sie sich die Informationen aus erster Hand und vereinbaren Sie mit uns einen Revierbesuch. (…) Wir haben Sie im Visier. (…) Sie sollten uns mal kennenlernen.“ Aus der Feder passionierter Jäger klingt das durchaus wie eine Drohung.  

Dichter: Demütig

Eine neue feine Auswahl aus dem reichen Fundus der Gedichte von Hans Magnus Enzensberger ist bei Suhrkamp erschienen („Gedichte 1950 bis 2010“). Daraus als Appetithappen hier „Die Zerknirschung“: „Schlimm genug, was wir uns alles geleistet haben: / versäumt, Tante Olga im Altersheim zu besuchen, / unkeusche Gedanken gehegt, Steine geworfen, / Konjunktiv eins und zwei verwechselt, / Neger Neger genannt, Zeche geprellt, / Maikäfer in Zigarrenkisten gesperrt, / Freunde angeschmiert, Frauen verlassen – / ganz abgesehen von den wirklich unverzeihlichen Sachen, / die zu gestehen jedoch zu weit führen würde. / Daß es einst von uns heißen würde, / Gott dem Allmächtigen habe es gefallen, / uns zu sich heimzurufen, / wäre vielleicht übertrieben.“

aus buchreport.express 42/2010

Außerdem im Emilecho.Blog.de:

Emils Petitessen: Thilo und die toten Ratten

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