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Herren im Hühnerhaus hoffen auf goldene Eier

Barry Cunningham und Klaus Humann (Foto: mit Programmleiterin Anja Kemmerzell) spreizen gemeinsam die Federn: In den vergangenen Wochen wurden die ersten Bücher von Chicken House Deutschland ins Sortiment geliefert. Der „Harry Potter“-Entdecker und der Carlsen-Chef hoffen auf viele junge Leser.

Achterbahnfahrten auf den Umsatzkurven waren für Carlsen in der Vergangenheit der Normalfall: Der deutsche Verlag von Joanne K. Rowling wurde in jedem fetten „Harry Potter“-Jahr raketenartig in die Höhe katapultiert. 2009 konnten die Hamburger wegen der „Bis(s)“-Bestseller der Amerikanerin Stephenie Meyer erneut die Sektkorken knallen lassen. Der Umsatz kletterte um satte 70% auf 82,6 Mio Euro.

Für die breitere Aufstellung, aber auch als Ausrufezeichen hinter den hohen An­sprüchen im Kinder- und Jugendbuch hat Carlsen mit dem britischen Verlag The Chicken House das Tochterunternehmen Chicken House Deutschland ins Rennen geschickt. In den letzten Wochen wurden die ersten Bücher ausgeliefert; die Erwartungen sind hoch.

Herren im Hühnerhaus sind Carlsen-Chef Klaus Humann und der „Harry Potter“-Entdecker Barry Cunningham. „Das Besondere an Chicken House ist Barry Cunningham. Es gibt sicher kaum jemanden im gesamten englischsprachigen Bereich, der eine so gute Nase für Bücher hat, die Kinder und Jugendliche wirklich lesen wollen“, schwärmt Humann. Der Brite hat während seiner Zeit bei Bloomsbury der damals völlig unbekannten Joanne K. Rowling den Weg zum Autorinnendebüt geebnet.

Alle anderen Verleger hatten sie zuvor mit ihrem „Harry Potter“-Manuskript abgewiesen und nach Hause geschickt. Mit seinem Verlag The Chicken House, den er 2000 gründete und der 2005 an Scholastic (USA) verkauft wurde, verhalf er auch der deutschen Jugendbuch-Königin Cornelia Funke zu einem Auftritt mit internationalem Echo. Kein Wunder, dass man in Hamburg bei dieser Vorgeschichte von neuen goldenen Eiern träumt. Die Details der Kooperation:

  • Chicken House Deutschland surft nicht auf der All-Age-Welle, die generationen­übergreifend auch ein älteres Publikum mit in den Blick nimmt. Aufgebaut und gepflegt wird ein Kinder- und Jugendbuchprogramm, das sich, so Humann, „thematisch ausdrücklich auch an Jungen richtet“.
  • Der Verlag verfügt über das exklusive Zugriffsrecht auf alle Titel des britischen Partnerunternehmens, das nach wie vor von Barry Cunningham geführt wird.
  • In jedem Programm sollen künftig sechs bis acht Titel erscheinen, bei der Preisgestaltung liegt die Bandbreite zwischen 9,95 und 16,95 Euro.

Taschenbücher in der Pipeline

Als Programmleiterin hat Humann Anja Kemmerzell an Bord geholt. Die Kinder- und Jugendbuchexpertin war bis zu ihrem Wechsel unter das Dach von Chicken
House Deutschland verantwortliche Lektorin für das Bilderbuchprogramm des Thienemann Verlags. Kemmerzell und Humann blicken schon beim Start des ersten Programms weit in die Zukunft und denken an die Verlängerung der Verwertungskette. „Es wird auch Chicken-House-Taschenbücher geben“, kündigten sie an. Beim Marketing wurde bereits zur Premiere eine breite Klaviatur bespielt, wobei die Einbeziehung des Internets in die komplette Werbestrategie eine wichtige Rolle spielt.

Der Titel „Flutland“ von Emily Diamand (352 Seiten, 14,95 Euro) liefert dafür ein Beispiel. Der Fantasy-Jugendroman – von der Originalausgabe wurden in Großbritannien laut Verlag über 60000 Exemplare verkauft – entführt die jungen Leser in eine Zukunft, in der die Klimakatastrophe Wirklichkeit geworden ist. Die Protagonisten der Story kämpfen in einem überschwemmten England um ihr Überleben. Chicken House Deutschland will mit dem Plot auch die PR-Wellen hochschwappen lassen.

Im Rahmen einer Mitmach- und Gewinnspielaktion werden Jugendliche aufgefordert, ein eigenes Flutszenario zu beschreiben. Die besten Beiträge werden anschließend auf der Webseite www.chickenhouse.de vorgestellt. „Dieses Buch geht garantiert nicht unter“, trommelt der Verlag selbstbewusst im Handel. Dafür soll im Sommer flankierend auch eine bundesweite Promo-Offensive in Schwimmbädern sorgen. Dort werden groß­flächige Plakate aufgehängt und auf den Liegewiesen Leseproben verteilt.

Für den Spitzentitel „Numbers“ von Rachel Ward (368 Seiten, 13,95 Euro) hat die Werbeabteilung vor dem Erscheinen Mitte März ein Alternate Reality Game (ARG) durchgeführt. Vorbereitet wurde das ARG bereits Ende 2009 mit einem Casting, für das sich nach Verlagsangaben Kinder und Jugendliche aus ganz Deutschland beworben hatten. Nach dem Startschuss im Februar erlebten die Teilnehmer im Internet und bei Live-Events in Hamburg eine eigens für das Buch entwickelte Vorgeschichte. Dramatische Situationen, unheimliche Geschehnisse, spannende Abenteuer – das Eintauchen in eine Parallelwelt kam bei der Zielgruppe offenbar an. Kemmerzell: „Die aufwendige Aktion hat dem Titel eine hohe Aufmerksamkeit beschert.“

Suche nach neuen Schreibtalenten

Zum Konzept von Chicken House gehört auch die Suche nach neuen Schreibtalenten, die Cunningham in seinem Heimatland in Kooperation mit der „Times“ vorantreibt. Mit dem Blatt hat er erfolgreich einen Wettbewerb für angehende Kinder- und Jugendbuchautoren aufgezogen. Die „Flutland“-Autorin Emily Diamand kam auf diesem Wege zu ihrem Debüt.

Chicken House Deutschland ist gemeinsam mit der „FAZ“ auf ähnlichen Pfaden unterwegs: Gesucht werden Manuskripte für Kinder und Jugendliche von Autorinnen und Autoren, die mit der Einsendung ihren ersten Schritt in die Öffentlichkeit wagen. Zur fünfköpfigen Jury, die über den Gewinnertext entscheidet, gehören Cornelia Krüger (Hugendubel), Jürgen Hees (Buchhandlung Herwig), Tilman Spreckelsen (FAZ), Anja Kemmerzell und die Bestsellerautorin Isabel Abedi.

Am 11. Dezember wird der Gewinner des Talentwettbewerbs bekannt gegeben. Eine Veröffentlichung bei Chicken House Deutschland ist der Preis.
„Die Buchhändlerinnen und Buchhändler trauen uns eine Menge zu. Dafür möchte ich mich bedanken“, kommentiert Humann die Resonanz zum Programmstart. „Jetzt müssen wir es beweisen.“
Rainer Uebelhöde, uebelhoede@buchreport.de

www.chickenhouse.de

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