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Susanne Martin: Kreative Kooperationen, individuelle Formate

Susanne Martin: Kreative Kooperationen, individuelle Formate

Auch bei den Lesungen wird es immer verschiedene Formate nebeneinander geben. Die besondere Herausforderung für alle Literaturveranstalter wird es deshalb sein, nicht nur kreative Kooperationen zu suchen, sondern auch individuelle Formate zu finden.

In der Buch- und Medienbranche findet zur Zeit ein Paradigmenwechsel statt, der gerade erst begonnen hat und von dem noch niemand weiß, wo er hinführen wird. Die Digitalisierung der Inhalte stellt alle BranchenteilnehmerInnen, Verlage, AutorInnen, Buchhandlungen vor ganz neue Herausforderungen. Gerne wird dabei, wie erst am vergangenen Wochenende wieder auf dem Frankfurter Fachkongress zum E–Business, das Beispiel der Musikindustrie bemüht: Die KünstlerInnen verdienen  in erster Linie durch ihre Konzerte und Auftritte und kaum noch an ihren CD- oder Downloadverkäufen. Grund genug, sich vielleicht auch einmal Gedanken darüber zu machen, ob es eigentlich auch eine Möglichkeit für den Literaturbetrieb sein kann, Einnahmen über Literaturveranstaltungen zu erzielen und auch darüber, wie eigentlich Literaturveranstaltungen der Zukunft aussehen können. Darüber wird ja auf buchreport.de im Moment trefflich debattiert.

Als Buchhändlerin, die auch immer wieder Veranstaltungen unterschiedlicher Art durchführt, überlege ich natürlich auch, ob Lesungen klassischer Art eine Zukunft haben, oder ob es eher in die Richtung der Literaturshow gehen wird, wie sie z.B. Frank Schätzing mit seinem Roman „Limit“ zur Zeit vorführt gehen wird. Das finden manche Literaturfreunde ja wahrhaft gruselig, wie eine Diskussion auf der Literaturplattform des Literaturcafe vor einigen Wochen zeigte.

Meiner Meinung nach ist es so wie meistens im Leben – DAS Eine gibt es nicht, sondern es wird verschiedene Formate nebeneinander geben.

So wird es immer Bücher geben, die sich für eine „Wasserglaslesung“ wunderbar eigenen, weil sie von der Sprache leben und nicht nur von der Handlung. Andere Bücher wäre vielleicht auch dafür geeignet, aber der Autor eignet sich nicht für eine Lesung, weil er (oder sie) zwar hervorragend schreiben können, dafür aber nicht gut lesen – angeblich war das ja schon bei Friedrich Schiller so! Da wäre dann vielleicht das Autorengespräch die geeignete Form, bei der dann ein(e) Schauspieler(in) Passagen aus dem Buch vorliest. Manche Bücher haben besonders spannende Handlungen und wirken an besonderen Orten – z.B. war eine Krimilesung in der Pathologie während der Stuttgarter Kriminächte sofort ausverkauft.

Auch wir führen Lesungen inzwischen nicht mehr nur in unserer Buchhandlung durch, sondern auch mit Kooperationspartnern. Ein besonderes Erlebnis beispielsweise war eine Lesung in der örtlichen Kneipe, bei der Wolfgang Tischer „Der Spieler“ von Dostojewskij las – die Lesung wurde musikalisch umrahmt von einem Rockduo. Auch der Lyrikabend, den wir im letzten Jahr gemeinsam mit der Stadtbücherei veranstalteten, war ein voller Erfolg – im Vorfeld hatten wir unsere Kundinnen und Kunden eingeladen, ihr Lieblingsgedicht einzureichen. Eine Auswahl der Gedichte wurde dann von einer Schauspielerin rezitiert.

Und noch eine weitere Möglichkeit der Literaturveranstaltung rückt in den Fokus: Die Livestreamlesung, also die Lesung, die vom Veranstaltungsort aus ins Internet übertragen wird. Osiander machte mit diesem Format bei einer Lesung mit Herta Müller Furore, aber auch die Buchcommunity Lovely Books führt immer häufiger Livestreamlesungen durch, die sich großer Beliebtheit erfreuen. Via Twitter oder Facebook können sich auch die ZuhörerInnen von außen in die Lesung einschalten und Fragen stellen oder kommentieren.

Bleibt die leidige Frage nach der Finanzierung. Leider glaube ich nicht, dass es der Literaturszene gelingen wird, Arenen zu füllen – Ausnahmen wie Bastian Sick oder Frank Schätzing wird es immer geben und sie bestätigen hier die Regel. Aber das Bedürfnis der Leserschaft den Menschen, die die Bücher geschrieben haben, live zu begegnen, das gibt es auf jeden Fall! Die besondere Herausforderung für alle Literaturveranstalter wird es deshalb sein, nicht nur kreative Kooperationen zu suchen, sondern auch individuelle Formate zu finden, die zu den jeweiligen Büchern, AutorInnen und LeserInnen passen. Dann kann vielleicht auch mit Literaturveranstaltungen Geld verdient werden.

Verlauf der Debatte:

Stephan Porombkas erster Text

Kritik von Rainer Moritz

Weitere Kommentare von Benedikt Geulen und Jan Böttcher

Erwiderung von Porombka zu Moritz

Silke Ohlenforst (Harbour Front)

Kommentare

1 Kommentar zu "Susanne Martin: Kreative Kooperationen, individuelle Formate"

  1. Ich meine, daß in einem sinnvollen Auf- und Ausbau von Events für die Buchbranche eine Chance liegen könnte. Ein beobachtbarer Trend (auch aus der Musikbranche) ist der, daß der Mensch in der digitalen Welt auf der anderen Seite ein stärkeres Bedürfnis nach realem Erleben verspürt. Das heisst Kultur, Themen, Kunst, Wissenschaft etc. erlebbar zu machen. Nicht umsonst wurde zum Beispiel auf dem Fachkongress auf dem medicampus ein Abschlussvortrag geboten, der sich mit dem haptisch Erlebbaren von Büchern beschäftigte. Und das spannende war auch hier wieder der Gegenstand. Schöne! Bücher und ein überzeugendes Verlagsprogramm (http://www.typografie.de) in Kombination mit einer überzeugenden Persönlichkeit, die das (re-) präsentiert. Auch das ist ein (kleines ) Live Event.
    Um Themen erlebbar zu machen ist, bei allem Respekt für literarische Werte, ein Markenaufbau wie in zum Beispiel Schätzing betreibt, nicht die schlechteste aller Voraussetzungen, um damit auch ein profitables Tun zu bewerkstelligen. (vgl. Diskussion auf http://www.literaturcafe.de/limit-live-mit-frank-schaetzing/)
    Im Bereich des kleinen und mittleren unabhängigen Sortimentsbuchhandels zusammen mit kleinen und mittleren Verlagen sehe ich da schon Kooperationsmöglichkeiten, die zum Beispiel über einen Dienstleister koordiniert, gesteuert und gebündelt werden könnten, um Mengeneffekte zu realisieren. Ein Problem der Nicht-Profitabilität könnte die Tatsache sein, daß das Event Management sowohl auf Verlagsseite (im o.a. Bereich) und auf Sortimentsseite im o.a. Bereich noch so nebenher geleistet wird und somit keine Bündelungseffekte wahrgenommen werden.
    Ich bin sehr daran interessiert mit Branchenteilnehmern aus dem genannten Bereichen ein gemeinsames Konzept zu erstellen, wie so eine Lösung aussehen könnte. Zu meinem Hintergrund verweise ich gerne auf mein XING Profil ( https://www.xing.com/app/profile?op=myprofile) Ich freue mich über entsprechende Kontaktaufnahme über frauke.ehlers@t-online.de

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