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Bernd Sommerfeld: Wegweiser zum Wir-Gefühl

Welches Interesse haben Verlage und Buchhandlungen an Facebook, Twitter & Co.? Viele PR-Menschen sehen in ihnen in erster Linie Sicherheitsrisiken und erkennen nicht ihre Möglichkeiten.

Zur Buchmessen-Podiumsdiskussion: Das neue „Wir“-Gefühl in der Kundenbindung: „Wie sich durch Social-Media-Foren wie Twitter, Facebook und Myspace Zielgruppen finden und binden lassen“
Mittwoch, 14.10.2009, 12:30-13:30 Uhr  Raum Entente, Halle 4.C.

Welches Interesse haben Verlage und Buchhandlungen an diesen sozialen Netzwerken?

Zur Vorbereitung auf diese Diskussion habe ich einige Gedanken aufgeschrieben. Wer wie ich im Web unterwegs ist und privat die sozialen Medien wie Facebook und Co. ausprobiert hat, wird es wahrscheinlich als ganz praktisch empfinden, Leseempfehlungen von Leuten seines Vertrauens angezeigt zu bekommen.

Beim Microblogging-Dienst Twitter schreiben meist Journalisten, PR-Leute, Firmen, Geeks und vielleicht auch manche Prominente. Obwohl Twitter für viele Websites zu einem wichtigen Traffic-Lieferant geworden ist, sind die News-Ströme sehr flüchtig. Fast perfekt und konkurrenzlos ist die Real-time-Suche.

Weltweit das größte, für mich bedeutendste Netzwerk ist wohl Facebook. Wäre diese Community ein Staat, wäre dieser der Viertgrößte der Welt. Auf Facebook treffen sich i.d.R. eher Freunde, Kollegen und Bekannte. Diese Verbindung ist intimer und nachhaltiger. Zunehmend werden mehr Verlage hier aktiv:  Kein&Aber, Volland&Quist, The Groove, Hanser, Lehmanns. O’Reilly, Wiley und Addison-Wesley. Es gibt bereits erste Rankings.

Diese sozialen Netzwerke wachsen im Vergleich zu  anderen Internet-Diensten sehr schnell, nicht nur bei den  Mitgliederzahlen, sondern auch bezüglich des Stellenwerts in Marketing und Kommunikation. Es ist unbestreitbar, viele Dinge erfährt man über Twitter als Erstes. Aber das beliebte Twitter bedient weitere Funktionen, Identitäts- Beziehungs- oder Wissensmanagement. Googelt oder Bingt man den Begriff „Netzwerk Sozialität“, versteht man vielleicht die Wirkungsweise dieser Netzwerke besser: Der Nutzer will nicht wie beim Radio oder Fernseher passiv bleiben. Er will die Möglichkeit haben zu agieren, Kommentare zu hinterlassen und Einfluss zu nehmen. Er will auch Lernen und Kontakte knüpfen. Hier werden nicht nur Gedanken, Ideen und Tipps ausgetauscht oder Nachrichten gefiltert. Für den Buchhandel ist dabei wichtig: Die persönlichen Lesetipps anderer Nutzer mit ähnlichen Interessen sind immer noch erfolgreicher als jeder Empfehlungs-Algorithmus. Der englische Guardian erhält mittlerweile mehr Klicks von Twitter als von Google!

Noch viele  PR-Menschen erfassen die Sichtbarkeit und den Nutzen dieser Dienste nicht und sehen vorrangig Sicherheitsrisiken darin. Und die meisten Verlage sehen den Sinn von Online Marketing z.Z. in erster Linie darin, den Konsumenten zum Kaufabschluss zu bringen. Mit welchen Mitteln ist  dabei zweitrangig, nur schnell muss es gehen. Aber ein zentrales Thema ist, was hier viele noch nicht begriffen haben: das Zuhören. Schon deshalb kann man Social Media nicht einfach an eine Agentur abgeben und hoffen, den großen Wurf zu landen. Vielleicht sollten Mitarbeiter im Umgang mit Social Networks erst geschult werden, damit Sie die Dynamiken hinter Firmen- und Eigenreputation kennen und verstehen lernen…

Bernd Sommerfeld, Ur-Blogger der Branche und Buchhändler bei Lehmanns in Berlin

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Kommentare

1 Kommentar zu "Bernd Sommerfeld: Wegweiser zum Wir-Gefühl"

  1. Bernd Sommerfeld weist auf etwas absolut Zentrales hin: Zuhören ist in Netzwerken wie Twitter das Wichtigste. – «Märkte sind Gespräche.» – Diesen zehn Jahre alten Leitsatz des «Cluetrain Manifesto» haben leider immer noch zu wenige wirklich verstanden.

    Ebenso sollte man zu Gesprächen etwas beitragen können – etwas, das anderen Menschen nützt, das sie informiert, das ihnen neue Sichtweisen eröffnet, das sie überrascht oder erfreut. Eigentlich der uralte Gedanke des Horaz: «prodesse et delectare» – «nützen und erfreuen» – sollen die Dichter.

    Dies vermögen allerdings nur Individuen, nicht korporative Phrasendreschmaschinen, die zehnfach abgeschliffene, offiziöse Verlautbarungen oder blutleere «Unternehmensphilosophien» von sich geben müssen. Menschen hören nur Menschen zu.

    Die Basis guter Gespräche ist Vertrauen – gegenseitiges Vertrauen der Gesprächspartner und Vertrauen von Unternehmen in die, die für sie sprechen. Sollten Mitarbeiter dann Lust haben, ihr Unternehmen oder dessen Produkte schlecht zu reden, liegt das meist am Unternehmen. Außerdem: Es gibt keinen Unterschied zwischen «nützlicher» Kommunikation und scheinbar Zeit vergeudendem Smalltalk. Noch die absurdeste Alberei kann Teil von Märkten als menschlichen Gesprächen sein.

    Demgegenüber dürfte es Unternehmen schwerfallen zu begreifen, dass Mitteilungen aus der Preisklasse «Der neue Blubb von XY ab heute im Handel!» in aller Regel kaum einem nützen – und dass sie eher wenige erfreuen. Vor allem aber: «Ich liebe es» ist schlicht kein Satz, den Firmen sagen können.

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