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Keine Frage der Verkäuflichkeit

Michael Lemling (2.v.li.) ist in diesem Jahr der Buchhändler in der Jury-Runde des Deutschen Buchpreises (Lothar Müller, Michael Lemling, Hubert Winkels, Martin Lüdke, Richard Kämmerlings, Iris Radisch, Daniela Strigl, v.li., Foto: Börsenverein, Deutscher Buchpreis). Im Interview spricht der Geschäftsführer der Münchner Buchhandlung Lehmkuhl über seine Erfahrungen.

Welche Unterschiede zeigen sich in der Jury zwischen Sortimentern und Rezensenten?
Die Literaturkritiker sind vielleicht etwas eloquenter in der Formulierung ihrer Urteile. Ansonsten arbeitet ein literarisch orientierter Buchhändler ja recht ähnlich. Es ist unsere tägliche Arbeit, Urteile über tatsächlich gelesene Bücher zu fällen. Allerdings haben wir für unsere Empfehlungen in der Regel nicht so viel Zeit und Platz wie die Kritiker. In der Buchhandlung kommt der Aspekt hinzu, dass wir bei der Beratung konkret einen Kunden vor uns haben, für den das Buch passen muss. Da treten dann die persönlichen Vorlieben mitunter ein Stück weit zurück.

Welche neuen Erfahrungen bringt die Juryarbeit mit sich?
Es ist sicher eine ganz besondere Erfahrung, die mich zum Teil an mein Germanistikstudium erinnert. Da ist zunächst die ungeheuer verdichtete Leseerfahrung, die man sich sonst in einer so kurzen Zeit nicht zumutet. Es ist danach ein sehr anregendes Erlebnis, mit den anderen Juroren zusammenzusitzen und diese Lesererfahrung austauschen und einordnen zu können. Das macht wirklich Spaß.

Wie profitieren Sie als Buchhändler?
Ich kann in diesem Herbst unsere Kunden noch viel fundierter beraten und ich entdecke neu: Es sind Bücher und Autoren dabei, die wir bei den Vertreterbesuchen nicht besonders beachtet oder sogar gar nicht nicht eingekauft hatten. Da habe ich über das Lesen für den Buchpreis doch den einen oder anderen Titel entdeckt, der uns durch die Lappen gegangen war.

Der Deutsche Buchpreis hat bisher den Gewinner stets zum Bestseller gemacht. Achtet die Jury gezielt auf die Verkäuflichkeit?
Wir haben den besten Roman des Jahres zu küren. Die Frage, ob der nun besonders verkäuflich ist, darf man sich dabei nicht stellen und sie wäre auch nicht eindeutig zu beantworten. Wer hätte vorauszusagen gewagt, dass sich Tellkamps „Turm“, dieses doch sehr umfangreiche Buch mit dieser speziellen Thematik, so gut verkaufen würde?

Der Buchpreis wirkt. Gilt das auch noch für die herkömmlichen Buchbesprechungen Ihrer Jurykollegen?  
Bei den Kunden unserer Buchhandlung schon. Wir erleben es täglich, dass Kunden mit Feuilletonausrissen in die Buchhandlung kommen und nach den Titeln fragen.
Verleger reden von nachlassender Resonanz. Eine Rezension ist kein Kaufbefehl, der Kritiker kein Agent der Marketingabteilung eines Verlages und Resonanz ist weit mehr als das Klingeln in der Kasse.

Die Fragen stellte Thomas Wilking

Zur Person: Michael Lemling

1964 in Trier geboren, studierte Germanistik und Politikwissenschaft. Nach der Ausbildung in der Marburger Buchhandlung Roter Stern leitete Lemling die Marburger Buchhandlung am Markt und die Buchhandlung Carolus in Frankfurt/M. und ist seit Juni 2006 Geschäftsführer der Traditionsbuchhandlung Lehmkuhl in München-Schwabing. Lemling ist Vorstandsmitglied im Landesverband Bayern des Börsenvereins.  

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