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Keine kritiklose Propagandashow

Darf die Verlagsbranche China trotz der aktuellen Härte gegen Dissidenten den roten Teppich ausrollen?
Wenn die deutsche Verlagsbranche ein Land, gelegentlich auch eine Ländergruppe oder eine Region, zum Schwerpunkt der Frankfurter Buchmesse macht, so geschieht dies, um durch das Medium der Literatur möglichst umfangreich über den Gast informiert zu werden. Eine Propagandashow mit sorgfältig ausgesuchten regimetreuen Schriftstellern und Verlagen würde dem eigentlichen Zweck der Einladung zuwiderlaufen. Darum muss die Buchmesse daran interessiert sein, dass auch jene Stimmen der chinesischen Literatur in Frankfurt Gehör finden, die sich kritisch mit den Verhältnissen in China auseinandersetzen. Im Übrigen wissen die chinesischen Behörden, dass die ihnen unangenehmen Themen auf der Buchmesse in jedem Fall diskutiert werden, und zwar hoffentlich im Rahmen des offiziellen Programms.

War die Gastland-Wahl ein falscher Schritt?
Nein. Man kann diktatorischen Regimen gar keinen größeren Gefallen tun, als sie zu isolieren. Die Erfahrungen mit Boykott-Aktionen und Ausladungen sind alles andere als positiv. Wichtig ist aber, dass man dem Gastland, bei aller Höflichkeit, mit der man Gästen zu begegnen hat, Kritik nicht erspart. Ich hoffe, dass die chinesische Seite klug genug ist, dies einzusehen, und souverän genug, nicht beleidigt zu reagieren.

Wie kann die Buchmesse ein PR-Desaster verhindern?
Die Verantwortlichen tun gut daran, noch einmal gegenüber den Organisatoren auf der chinesischen Seite unmissverständlich deutlich zu machen, dass auch im offiziellen Programm und erst recht auf dem geplanten Vorkongress dissidenten Meinungen und dissidenten chinesischen Autoren Gelegenheit gegeben wird, sich zu äußern.

Was kann der deutsche P.E.N. bewirken?
Unsere Solidarität gilt in erster Linie den verfolgten und außer Landes getriebenen chinesischen Autoren. Eine Arbeitsgruppe des P.E.N., dem auch unser aus China stammendes Präsidiumsmitglied Shi Ming angehört, hat bereits Vorschläge für die kritische Begleitung des chinesischen Buchmesseauftritts unterbreitet. Wir werden aus Anlass der Buchmesse vor allem die Situation der Menschenrechte in China öffentlich zum Thema machen. Wir sind aber auch gern bereit, in Zusammenarbeit mit dem Independent Chinese P.E.N. anderen Veranstaltern Autoren zu vermitteln, die in ihren Büchern die Probleme Chinas ansprechen und kompetent und kritisch zur Lage des heutigen China Stellung nehmen können.

Zur Person: Johano Strasser

ist seit 2002 Präsident der deutschen Schriftstellervereinigung P.E.N. Der gebürtige Niederländer hat in Philosophie habilitiert, ist SPD-Mitglied und lebt und arbeitet am Starnberger See in Bayern.

aus: buchreport.express 27/2009

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