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Tragische und schizophrene Situation

Kreutzfeldt digital heißt die neue Firma der Hamburger E-Book-Spezialisten Hans und Nina Kreutzfeldt. Ende Mai hatte der Vorgänger Kreutzfeldt Electronic Publishing wegen wirtschaftlichen Problemen bei der US-Mutter Franklin Electronic Publishers Insolvenz angemeldet. Im Interview beschreiben die Hamburger die Hintergründe des erzwungenen Neuanfangs.

Wie passt die Insolvenz von Kreutzfeldt Electronic Publishing zum vermeintlich boomenden E-Book-Markt?
Das E-Book-Geschäft in Deutschland hat sich in den letzten zwölf Monaten für die gesamte Branche positiv entwickelt, dies galt auch für Kreutzfeldt Electronic Publishing (KEP).

Dass KEP Insolvenz anmelden musste, hat andere Gründe: Seit Sommer 2006 ist Franklin Electronic Publishers (USA) der alleinige Gesellschafter von KEP, die Firma war zudem in den letzten Jahren unser Hauptkunde. Wir haben viele Datenkonvertierungen und redaktionelle Leistungen für Franklin übernommen, außerdem eine spezielle Abteilung zur Qualitätssicherung für die Franklin-Produkte in Hamburg aufgebaut.

Im Frühjahr entschied Franklin aus wirtschaftlichen Erwägungen heraus, alle entsprechenden Aufträge künftig nach China zu vergeben. Dies kam für uns vollkommen überraschend. Kurzfristig ließ sich der daraus resultierende Auftragseinbruch nicht kompensieren, zumal davon gerade auch die Abteilungen betroffen waren, die nicht in der Datenkonvertierung tätig sind. Für die Geschäftsführung ebenso wie für unser gesamtes Team war dies eine tragische und angesichts der positiven Entwicklungen im E-Book-Bereich durchaus schizophrene Situation.

Wie wird sich Kreutzfeldt neu von Kreutzfeldt alt unterscheiden?
Kreutzfeldt digital ist stärker fokussiert und konzentriert sich auf Dienstleistungen im Bereich E-Books bzw. E-Publishing. Dabei stehen wir auf zwei Beinen: Consulting und E-Book-Produktion.

Angesichts der Dynamik des E-Book-Marktes sehen wir einen wachsenden Bedarf gerade auch an Beratung in diesem Bereich. Wir können dabei unsere Erfahrungen und Kontakte einbringen, die wir in den letzten Jahren hierzulande, aber z.B. auch auf dem amerikanischen Markt sammeln konnten.

Bei der Konvertierung von Buchdaten in EPUB und Mobipocket wird Kreutzfeldt digital flexibler sein: Bei großen Stückzahlen kooperieren wir mit ausgewählten Partnern, setzen aber gleichzeitig weiterhin unsere eigenen Tools ein. Auch bei individuellen Lösungen im Bereich interaktiver eBooks können wir somit die gewohnte Qualität und Individualität bieten.

Aufgrund der Erfahrungen der letzten Monate sind wir froh, dass wir bei Kreutzfeldt digital wieder komplett unabhängig sind und die alleinige Regie haben.

Wie gewinnen Sie das Vertrauen der Kunden zurück?
Durch engen Dialog und überzeugende Arbeit. Und es ist uns wichtig, Kontinuität zu bieten: Nahezu bis zum letzten Tag hat Kreutzfeldt Electronic Publishing noch Projekte abgewickelt, heute nimmt Kreutzfeldt digital nahtlos die Arbeit auf.

Was machen Sie besser als die Chinesen, die von Ihrer früheren Mutter Franklin sämtliche Aufträge bekommen haben?
Bei der Datenkonvertierung für Franklin ging es großteils um komplexe Wörterbuchsubstanzen für die mobilen Franklin-Geräte. Die von den jeweiligen Verlagen bereitgestellten XML-Quelldaten wurden hierzu in proprietäre Formate gewandelt, teilweise auch nach Mobipocket. Um dabei die gewünschte Qualität zu erreichen, ist unserer Erfahrung nach neben dem fachlichen Know-how ein gutes Verständnis der zugrundeliegenden linguistischen Strukturen dieser Sprachen erforderlich. Dieses haben wir zumindest bei den chinesischen Firmen, die wir kennenlernen durften, vermisst.

Zudem waren in unserer Qualitätssicherung viele Mitarbeiter mit unterschiedlichen Muttersprachen beschäftigt. Gerade für europäische Sprachen, die den Schwerpunkt für Franklins mobile Geräte bildeten, sind entsprechende Mitarbeiter in Hamburg möglicherweise leichter zu finden als in China…Für den Projekterfolg entscheidend ist zudem die enge Kommunikation mit dem Auftraggeber. Bei den Projekten, die wir für Franklin bearbeitet haben, haben wir sehr gut mit der entsprechenden Abteilung in New Jersey kooperiert, die nun ebenfalls geschlossen wurde.

Wir haben für unsere ehemalige Mutterfirma allerdings nicht nur Daten konvertiert, sondern darüber hinaus weitere Aufgaben etwa im Content Group Management, linguistischen bzw. redaktionellen Aufgaben und der Qualitätssicherung übernommen. Dadurch, dass wir diese Leistungen aus einer Hand anbieten konnten, ergaben sich viele Synergieeffekte.

Wir respektieren Franklins Entscheidung, machen aber kein Geheimnis daraus, dass wir sie nicht als besonders weitsichtig empfinden. 

Die Fragen stellte Daniel Lenz

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