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Crossmediales Publizieren wird selbstverständlich

Berufliches Wissen wird immer häufiger kurzfristig benötigt: Für den Gang in die Buchhandlung bleibt dann keine Zeit mehr, für die Overnight-Bestellung bei Amazon ebenfalls nicht. Die Rettung kommt aus dem Internet, wo immer mehr kostenlose, aber auch kostenpflichtige Portale Informationen anbieten. Wirtschafts- und Managementverlage haben dies erkannt und tasten sich langsam an interaktive Publikationsmodelle und crossmediale Angebote heran.

Zu den Vorreitern gehört Gabal. Der Offenbacher Verlag pflegt seit 2002 die Reihe „book@web“, in der inzwischen ca. 20 Titel erschienen und 15 lieferbar sind: Die Ratgeber zu beruflichen Alltagsfragen („Vorträge und Präsentationen mit PowerPoint“, „Starke Frauen reden Klartext“) werden durch interaktive Workshops auf der Website zum Buch ergänzt. Programmiert hat die Übungen, mit denen Gabal-Geschäftsführerin Ursula Rosengart Buchkäufer „zum aktiven Training ermutigen“ will, der E-Learning-Spezialist VC Virtual Center GmbH. Die Programmierungskosten der Workshops sind, so Ursula Rosengart, „so hoch, dass unser Modell bisher von keinem anderen Verlag kopiert wurde“. Dafür wurde dem Wirtschaftsverlag, der sich die Förderung des lebenslangen Lernens auf die Fahne geschrieben hat, die didaktische Qualität der Reihe schon mehrfach bestätigt, u.a. durch die wiederholte Auszeichnung mit dem Multimedia-Preis Comenius-Siegel.

Den Zugang zum Online-Angebot gewährt Gabal per „Buchschlüssel“. Gemeint ist damit ein eingängiges Schlüsselwort, das zum Thema des Buches passt, und kein komplizierter Buchstaben-Zahlen-Code, wie ihn Softwarehäuser verwenden. Dass dies die Tore auch für Interessenten öffnet, die nicht im Besitz des Printprodukts sind, nimmt der Verlag billigend in Kauf: „Ohne das Buch sind die Workshops“, so Ursula Rosengart, „nur begrenzt hilfreich.“

Berufsstrategien aus dem Internet

Eichborn ergänzt seit zwei Jahren die Ratgeber des Berliner Büros für Berufsstrategie Hesse/Schrader mit dem Online-Portal www.berufsstrategie-exakt.de. Das 1992 gegründete Büro berät Arbeitnehmer in allen erdenklichen Fragen und unterhält unter www.berufsstrategie.de auch ein eigenes Portal.  Daneben gibt es bei Eichborn unter www.pilotentest.de und www.testtraining-spezial.de zwei Portale zu Einzeltiteln.

Im Herbst dieses Jahres will der Frankfurter Verlag unter www.berufsstrategie-plus.de die Bedürfnisse ratsuchender Hochschulabsolventen noch gezielter bedienen. Wie bei den bestehenden Portalen werden Ratsuchende, die vorab kein entsprechendes Eichborn-Buch gekauft haben, nicht komplett ausgeschlossen: Den offenen Bereich können alle nutzen. Daneben wird es jedoch interaktive Features geben sowie auf die Bücher zugeschnittenes Zusatzmaterial, das nur nach Eingabe des individuellen Zugangscodes abgerufen werden kann (siehe Interview mit Eichborn-Lektor Thorsten Schulte).

Individuelle Beratung per Mail

Auch Haufe Publishing, der Münchner Buchableger der Freiburger Haufe Mediengruppe, läutet im September eine neue Ratgeber-Generation ein. Hier erwirbt der Buchkäufer mit dem Buch eine CD-ROM, die Muster, Tools und Anleitungen enthält sowie einen Gutschein für die persönliche Beratung durch einen ausgewiesenen Experten. Der Ratsuchende formuliert seine Frage direkt auf der Website und versendet sie als Mail. Um die Experten, die Haufe aus seinem Autoren- und Referentenpool gewonnen hat, nicht mit elektronischen Anfragen zu überfluten, gehen die Mails an die Haufe-Redaktion, die sie an den jeweiligen Experten weiterleitet.

Erste Erfahrungen mit im Internet abrufbaren Zusatzinformationen zu einem Buch hat Haufe im Frühjahr 2008 gesammelt: Bei dem Fachbuch „Das neue Unterhaltsrecht“ steht der Aktualisierungsaspekt im Vordergrund. Haufe möchte seinen Kunden durch die Ergänzungsinformationen im Internet demonstrieren, dass Reformen in kürzester Zeit eingearbeitet werden. Zugreifen können die Buchkäufer auf die Online-Aktualisierungen auch hier, indem sie den im Printprodukt vermerkten Code eingeben.

Obgleich es einen Medienbruch zu überwinden gilt, haben nach Angaben von Haufe-Verlagsleiterin Christine Kaiser bereits 20% der Käufer von „Das neue Unterhaltsrecht“ den Online-Zugang in Anspruch genommen. Die Quote stimme den Verlag „sehr optimistisch, weil sie uns zeigt, dass der Leser das Buch mehrfach nutzt und er mit dem erworbenen Produkt zufrieden ist“.

Der Aktualisierungsaspekt ist für den Online-Auftritt der neuen Haufe-Ratgeber nicht so entscheidend wie für die Haufe-Fachbücher. Bei den Ratgebern gehe es, so Christine Kaiser, vor allem darum, „noch besser und vor allem natürlich individueller zu beraten“. Dadurch entsteht eine intensivere Kundenbindung und die Redakteure erfahren nebenbei, welche Probleme die Käufer der Haufe-Ratgeber besonders stark beschäftigen.

Web-Portale für Einzeltitel stärken die Marke

Der Vahlen Verlag hat am 26. März 2008  die 23. Auflage seines Standardwerks „Einführung in die Allgemeine Betriebswirtschaftslehre“ ausgeliefert. Nach Auskunft des zuständigen Lektors Hermann Schenk ist es nicht nur der Bestseller unter den Vahlen-Lehrbüchern, sondern das bestverkaufte BWL-Lehrbuch überhaupt. Für die 2005 erschienene 22. Auflage wurde erstmals ein spezielles Onlineportal eingerichtet, das sich allerdings auf Angaben zum Inhalt des Buchs beschränkte.

Mit der 23. Auflage ist nicht nur die 1065-seitige BWL-Bibel vollständig neu bearbeitet, sondern auch das Portal deutlich aufgewertet worden. Schenk begründet dies damit, dass „heute sowohl die Studierenden als auch die Dozenten aktiv nach Zusatzinformationen im Internet suchen, und zwar insbesondere nach Marken, die sie kennen“.

Dass der erstmals 1960 erschienene „Wöhe“, dessen Gesamtauflage schon vor Jahren die Millionengrenze überschritten hat, Markencharakter hat, ist unbestritten. Auch zu einigen anderen Lehrwerken, darunter „Marketing-Konzeption“ von Jochen Becker, bietet Vahlen spezielle Angebote im Internet. Sie sind jedoch (noch) nicht so umfangreich wie beim „Wöhe“.

Eine Besonderheit des Wöhe-Portals ist der geschlossene Dozentenbereich. BWL-Dozenten, die sich registrieren, erhalten die ca. 750 Abbildungen und Schaubilder des Lehrbuchs als Powerpoint-Download, sodass sie die Daten ohne Umstände in ihre Präsentationen integrieren können. Vahlen hat damit den Nagel auf den Kopf getroffen: Bereits in den ersten drei Monaten haben sich 350 Dozenten registrieren lassen. Pro Monat zählt der zur C.H. Beck-Gruppe gehörende Verlag im Schnitt 25 000 Zugriffe. Besonders stark werden die Seiten jeweils zu Semensterbeginn frequentiert.

Bei seinem Standardwerk „Marketing-Konzeption“ geht der Verlag hinsichtlich der Abbildungen noch einen anderen Weg. Auch hier stellt Vahlen die Daten den Lehrenden elektronisch zur Verfügung, doch müssen sie per Mail im Lektorat angefordert werden.

Nachdem der „Wöhe“ gezeigt hat, wie gut das automatisierte 24-Stunden-Abrufangebot bei der Zielgruppe ankommt, könnte das Modell verlagsintern Schule machen, zumal es das Lektorat entlastet. Fest steht, so Schenk, dass Vahlen „mehr und mehr digitale Zusatzangebote zu Lehrbüchern machen wird, wenn sie einen Zusatznutzen bieten“.

Maria Ebert

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