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Status braucht Legenden

Das Kunstbuchsegment ist in den vergangenen Jahren stark unter Druck geraten. Um Umsätze zu halten, müssen Verleger auf neue Geschäftsmodelle setzen.

Das Kunstwerk ist im Zeitalter seiner Reproduzierbarkeit allgegenwärtig. Nicht mehr länger nur in sorgfältig aufgemachten Kunstbüchern, die dem Werk eines Malergenies, Bildhauers, Designers oder Fotografen in immer feineren Verästelungen nachgehen, sondern vor allem auch in opulenten Coffeetable-Books, die oft in gigantischen, mehrsprachigen Auflagen zum kleinen Preis angeboten werden. Ganz zu schweigen vom Internet, wo sich die berühmtesten Bilder der Welt in ordentlicher Auflösung und kostenlos ansehen lassen.

Wer sich nur beiläufig für Kunst interessiert, fühlt sich mit preiswerten Allerwelts-Zusammenstellungen und im Internet bestens bedient. Und diejenigen, die es genauer wissen wollen, werden immer weniger. Das zeigen zumindest die Verkaufszahlen von traditionsreichen Kunstbuchverlagen in Deutschland. „Es ist leidvoll, heutzutage Kunstbücher zu verlegen“, heißt es häufig auf Nachfrage aus den betreffenden Häusern.

Einst Statussymbole mit Exportpotenzial

Vor 100 Jahren, als im weltberühmten Leipziger Grafischen Viertel die Vervielfältigung von Farbabbildungen unter dem Vorreiter E. A. Seemann von Jahr zu Jahr perfektioniert und zugleich eine Verbilligung der Produktionskosten erzielt werden konnte, waren illustrierte Bücher nicht nur Informationsmedien oder Zeitvertreib, sondern auch teure Statussymbole mit Exportchancen. Ihre Eigentümer unterstrichen mit den ledergebundenen Titeln im Folio-Format – in kostbar eingerichteten Bibliotheken dekorativ aufgestellt – ihre eigene Rolle in der aufstrebenden bürgerlichen Gesellschaft. Heute gelten (Kunst-)Bücher häufig nur noch der älteren Generation als kostbare Wegbegleiter durchs Leben; für die Jüngeren sind sie oft bestenfalls Gebrauchsgegenstände. Den Nimbus des Statussymbols haben die Druckerzeugnisse an Autos, Küchen oder Schuhe abtreten müssen.

Dünne Luft auf großen Filialflächen

Der Markt ist gesättigt, die visuellen Bedürfnisse verschieben sich – und nun kommt zum Leidwesen der Kunstbuchverleger die Verengung der Vertriebswege hinzu. „Seitdem die Filialisten mit ihrem Expansionsdrang den Buchmarkt umpflügen, geht unseren angestammten Partnerbuchhandlungen die Luft aus“, vermelden Kunstbuchverlage. Der Platz für erlesene Programme, die ihre Zeit brauchen, um zum Betrachter zu gelangen, sei in den Buchhandelsketten trotz großer Fläche nicht mehr vorhanden. Geordert würden stattdessen gefällige Produkte von Branchenriesen, die sich im Handumdrehen verkaufen.

In ihrer Not gehen die Verlage Kooperationen ein: Hirmer wurde jüngst an die KlassikRadio AG verkauft, die mit dem schönen Buch nun im Webshop  wirbt. Andere Verlage setzen auf Corporate Publishing als sicher kalkulierbare Umsatzstütze. Auch für kleinere Verlage ist das ein durchaus gangbarer Weg, wie die Berliner Agentur für Bildschöne Bücher beweist: Bild-Text-Bände inszenieren eine weltweit etablierte Marke und lassen sich in einer globalisierten Welt mit identischen Konsumbedürfnissen wieder als Exportartikel verkaufen. Vielleicht gelingt es aber im Bemühen um Profil gegenüber dem Schnellen und Virtuellen auch, Buchhändler – und über sie auch wieder die Kunden – ans Kunstbuch heranzuführen.

Helge Rehbein

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