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Auch ein Ansatz für kleinere Buchhändler

Peter Dussmann, Chef des gleichnamigen Dienstleistungskonzerns, gibt unumwunden zu, dass sein jüngstes Kind Dussmann das KulturKaufhaus eigentlich eine Notlösung ist… So beginnt Ende Oktober 1997 die buchreport-Geschichte zur Eröffnung des damals 5000 qm großen Medienhauses an der Berliner Friedrichstraße. Auf 6500 qm Verkaufsfläche hat das KulturKaufhaus 2006  37,8 Mio Euro umgesetzt, davon 60% (ca. 23 Mio Euro) mit Büchern. Für 2007 wird insgesamt ein Wachstum zwischen 7 und 10% erwartet. Eine Aufwertung wird der Standort Ende 2008 erfahren, wenn der benachbarte Gebäudekomplex „Upper Eastside Berlin“ fertiggestellt ist, in den sich u.a. Douglas, Zara und Esprit eingemietet haben.


Ein Sonntagsumsatz für die Staatsoper

Die Geschäfte wurden in den ersten drei Jahren von Hartwig Schulte-Loh geführt, der zuvor bei der (gescheiterten) Expansion der französischen Fnac-Kette nach Deutschland  Medienhaus-Erfahrung gesammelt hatte. Im buchreport-Gespräch diskutiert Schulte-Loh, was die Branche aus zehn Jahren KulturKaufhaus lernen kann. 

Wenn etwas Erfolg hat, wird es gern kopiert oder multipliziert…
…aber das KulturKaufhaus passt nicht ins Systemische. Für uns gilt: Still crazy after all these years. Ich kann mir nicht vorstellen, dass dieses Haus so normal wird, dass es in Serie geht. Es gehört zu Berlin, wir präsentieren Stars, die Promis wollen zu uns, das Fernsehen ist oft hier. Dieses Haus ist nicht ohne das Umfeld zu verstehen.

Kann man also gar nichts lernen?
Doch schon. Wir profitieren von dem Trend zur Individualität. Viele Menschen sind des systemischen Handels überdrüssig. Das ist auch ein Ansatzpunkt für kleinere Buchhändler, nicht nach den Konzepten der Filialisten zu schielen, sondern sich ihre Kunden genau anzusehen. Wer sich als lokaler Kulturhändler versteht, wird den Kontakt  zu den örtlichen Einrichtungen pflegen und vielleicht auch ein Musikangebot aufbauen. Selbst ein Veranstaltungsprogramm funktioniert in reduzierter Form auch in der Provinz.

Warum ist Dussmann als breit gefächerter Medienanbieter nur die Ausnahme von der Regel, dass Medienhäuser in Deutschland nicht funktionieren?
Dahinter steckt die Merkwürdigkeit, dass die Buch- und die Musikbranche völlig voneinander abgeschottet agieren. Das hat viele Gründe. Die Musikindustrie hat wenig getan, um neue Märkte zu öffnen. Es gibt kaum Kontakte, nicht auf Verbandsebene, und auch Buchhändler und Musikverkäufer sind nicht leicht zusammenzubringen. Es ist eine andere Welt auch von den äußeren Bedingungen: Im Musikbereich wird Risikobewusstsein verlangt, denn es gibt keine Preisbindung, erschwerte Remissionen und zudem ständige Krisenszenarien wegen der Download-Konkurrenz. Das erklärt vielleicht, warum sich ein Medienhauskonzept bisher schwergetan hat.

Wie stehen gleichwohl die Chancen für neue Medienhaus-Anläufe?
Nicht schlecht. Ich würde mich nicht wundern, wenn die Fnac es erneut probiert, vielleicht mit mehr Büchern und Medien, also weniger Technik. Auch die Buchfilialisten überlegen, wie sie ihre großen Flächen in einem stagnierenden Buchmarkt erfolgreicher bespielen können und erweitern ihr Sortiment.

Was ist der richtige Mix?
Wir sind mit 60% Buch und 40% andere Medien erfolgreich. Das DVD-Geschäft läuft auf einem guten Niveau und zieht die Jugend an. Wichtig ist bei all dem, schnell reagieren zu können. Man braucht angesichts des hohen Umschlagtempos eine perfekte Warenwirtschaft. Nur damit können wir es uns auch leisten, ein Angebot über alle Medien von fast 300000 Titeln zu führen. Es würde nebenbei auch vielen Buchhandlungen gut stehen, ihre Titelzahl zu erhöhen.

Wie wird sich die Volltextsuche ins KulturKaufhaus integrieren?
Im Ladengeschäft bin ich skeptisch, wir haben mit Download-Angeboten im Hörbuch keine guten Erfahrungen gemacht. Bei unserer Titelfülle spielt auch das elektronische Blättern in nicht vorhandenen Büchern nicht die große Rolle. Wir werden das vielleicht testen und mit einer Kundenbefragung verbinden. Ich würde mir wünschen, dass mehr Energie in ein Branchenmarketing gesteckt wird.

Welche Rolle spielt bei Ihrem Marketing  die Ladenöffnungszeit?
Lange Öffnung ist für uns nicht nur Verpflichtung, weil Dussmann ein Vorreiter beim politischen Kampf gegen den Ladenschluss war und ist. Wir sind auch damit zufrieden, dass wir zwischen 22 und 24 Uhr rund 10% unseres Umsatzes machen. Die Abendöffnung ist ein wichtiges Angebot für all die Leute, die lange arbeiten oder nach der Oper beschwingt zu uns kommen. 

Die Fragen stellte Thomas Wilking

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