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Die drei großen Irrtümer von Autoren

„Warum jubelt ihr nicht?“, staunte ein Autor dieser Tage in seinem Blog über „seine“ Autorenverbände, die auffällig zurückhaltend auf das Reprobel-Urteil des EuGH reagieren. Auch der Autor Tom Hillenbrand meint im buchreport-Blog, dieses Urteil sei für Autoren doch eigentlich eine feine Sache.

Aber das ist ein Irrtum, der seinerseits das Ergebnis von drei verbreiteten Irrtümern ist.

Irrtum Nr. 1: „Das Urteil bedeutet, dass Verlage jahrzehntelang zu Unrecht Geld kassiert haben, das Autoren zustand.“

Die VG Wort wurde 1958 ausdrücklich gegründet, um die urheberrechtlichen Befugnisse von Autoren und Verlagen gemeinsam wahrzunehmen. Initiator war der Schriftstellerverband VS, der die Verlage dringend mit an Bord haben wollte. Über 50 Jahre lang kam niemand auf die Idee, dass die Verlage kein Recht auf einen Anteil an den von der VG Wort eingezogenen Urheberrechtsabgaben haben könnten – auch der Gesetzgeber nicht. Noch 2006 schrieb er in die Begründung für die Neuregelung des § 63 a UrhG, sie solle gewährleisten, dass Verleger „auch in Zukunft“ an den Erträgen der VG Wort angemessen zu beteiligen seien.

Das sieht die Bundesregierung übrigens ausdrücklich immer noch so, wie Justizminister Heiko Maas gerade auf einer Konferenz in Berlin bestätigt hat (hier die aktuelle Meldung).

Dass Gerichte auf einmal anders urteilen, liegt an der mittlerweile geradezu gespenstischen Komplexität des Urheberrechts, in dem sich „selbst Experten nur noch tastend fortbewegen“, wie die „FAZ“ jetzt schrieb. Gerade die Beteiligung der Verlage an der VG Wort ist ein Paradebeispiel: Weder der europäische Gesetzgeber, der 2001 die Infosoc-Richtlinie erließ, noch der deutsche Gesetzgeber (siehe oben) wollten die jahrzehntelange Praxis der Verwertungsgesellschaften ändern. Das EuGH-Urteil ist nicht Folge eines demokratisch legitimierten Willensbildungsprozesses, sondern der unberechenbaren Eigendynamik eines überkomplexen Rechtsgebietes.

Irrtum Nr. 2: Durch das Reprobel-Urteil bekommen die Autoren in Zukunft mehr Geld.

Wie gesagt: Das Urheberrecht ist ein schier undurchdringliches Dickicht geworden. In den bisherigen Urteilen im sog. Vogel-Verfahren (mehr dazu hier) befanden die Gerichte gar nicht darüber, ob die Verlage Geld von der VG Wort bekommen dürfen oder nicht. Sie urteilten, dass die Ausschüttungen an denjenigen gehen müssten, der ein Werk bei der VG Wort eingebracht hat, was entweder der Verlag oder der Autor sein kann. Welche Auswirkungen das Reprobel-Urteil auf das ausstehende BGH-Urteil im Vogel-Verfahren haben wird, weiß kein Mensch. Ob die Autoren am Ende mehr oder weniger Geld von der VG Wort bekommen werden, steht in den Sternen.

Klar ist aber: Die ganze Buchbranche lebt von einem relativ kleinen Kuchen. Kaum ein Verlag wird auf Dauer auf das Geld der VG Wort ersatzlos verzichten können. Schon jetzt hört man von Autoren, dass Verlage in Verhandlungen über Vorschüsse und Honorare auf die Bremse treten. Schon auf kurze Sicht wird es sich damit verhalten wie mit den berühmten kommunizierenden Röhren: Was Autoren von der VG Wort mehr bekommen, werden sie vom Verlag weniger kriegen.

Irrtum Nr. 3: „Die VG Wort wird ohne Verlage genauso gut funktionieren wie bisher.“

Die Urheberrechtsabgaben an die VG Wort fließen nicht einfach von selbst. Ihre Höhe muss immer wieder neu mit den einflussreichen Herstellern von Computern, Kopiergeräten etc. ausgehandelt werden. In diesen Verhandlungen bringt die VG Wort wesentlich mehr Gewicht auf die Waage, wenn und weil die Verlage mit am Tisch sitzen.

Das Gleiche gilt für die Lobbytätigkeit z.B. gegenüber amerikanischen Internetkonzernen. Die VG Wort ist nämlich viel mehr als ein Verein zum Geldeinsammeln. Sie ist auch das Forum, auf dem Verlage und Autoren ihre gemeinsamen Interessen abstimmen und nach außen vertreten. Dieses Forum wird auseinanderbrechen, wenn die VG Wort künftig die Verlage nicht mehr in der zentralen Angelegenheit der Urheberrechtswahrnehmung vertreten kann. Das wiederum wird die Position von Autoren und Verlagen gegenüber Google, Amazon und Co. empfindlich schwächen. Und das könnte Autoren und Verlage auf Dauer teuer zu stehen kommen.

David Wengenroth

(Foto: Stefan Mays)

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