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Rückkehr in die Kreidezeit

Nächstes Kapitel im jahrelangen Streit um die digitalen Semesterapparate: Im Abschlussbericht zur Probephase eines gemeinsamen Meldesystems an der Universität Osnabrück übt die Leitung der Hochschule offen harsche Kritik an dem Kompromiss, auf den sich VG Wort und Kultusministerkonferenz (KMK) geeinigt hatten. Grund: Das vereinbarte Verfahren der Einzelerfassung verwendeter Lehrmaterialien habe sich in dem Testlauf als viel zu aufwendig erwiesen.
Pauschalvergütung vs. Einzelabrechnung
Hintergrund: Seit 2003 erlaubt § 52a UrhG den Hochschulen, ihren Studenten kleine Teile geschützter Werke und einzelne Zeitschriftenartikel zu Unterrichtszwecken digital zur Verfügung zu stellen. Die Unis nutzen diese Befugnis für die Zusammenstellung digitaler Semesterapparate, die sie den Studenten über ihr Intranet zugänglich machen.

Für jahrelangen Streit hat u.a. die Frage gesorgt, wie die Verlage für diese Art der Nutzung vergütet werden sollen. Das Gesetz sieht eine „angemessene Vergütung“ vor, die von der VG Wort eingesammelt und unter den Verlagen verteilt werden soll. Im Zentrum der Auseinandersetzung stand dabei die Frage, ob die KMK die „angemessene Vergütung“ mit einer jährlichen Pauschale bezahlen kann oder ob die genutzten Dokumente jeweils einzeln erfasst und abgerechnet werden müssen, wie die VG Wort als Vertreterin der betroffenen Verlage es fordert.

Im März 2013 entschied schließlich der Bundesgerichtshof im Sinne der VG Wort, verwies das laufende Verfahren aber dennoch zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Oberlandesgericht München zurück. Derzeit ruht das Verfahren, denn VG Wort und KMK einigten sich außergerichtlich auf einen Kompromiss: Im Wintersemester 2014/15 wurde an der Universität Osnabrück ein Meldesystem entwickelt. 

„Aufwand ist unangemessen hoch“
Aus dem gemeinsamen Entwicklungsprojekt ziehen Uni und Verwertungsgesellschaft nun allerdings völlig unterschiedliche Schlüsse:
  • Die VG Wort betont in ihrem Abschlussbericht, das System laufe technisch problemlos. Zwar gebe es „Akzeptanzschwierigkeiten unter den Dozenten, die bisher daran gewöhnt waren, keinerlei Meldung nach § 52a UrhG abgeben zu müssen“, aber für die Verwertungsgesellschaft ist das nur Anlass, das System weiter zu verbessern, wenn es ab 2016 flächendeckend an deutschen Hochschulen implementiert wird.
  • Ganz anders klingt das im Abschlussbericht der Universität: „Mit Einführung einer Einzelmeldepflicht werden wesentlich weniger Texte von den Studierenden und Lehrenden verwendet“, heißt es da. „Der organisatorische Aufwand für die Hochschulen ist unangemessen hoch und keine ?Alternative zu einer Pauschalvergütung.“
Rückkehr zu den Literaturlisten
Die Begründung für den Widerstand gegen eine Einzelmeldung:
  • Die meldepflichtigen Sprachwerke spielten in den elektronischen ?Semesterapparaten ohnehin eine untergeordnete Rolle. Rund 80% der verwendeten Materialien stammten von Dozenten und Studenten selbst.
  • Die Meldepflicht habe dazu geführt, dass die Dozenten nur noch ein Viertel der Menge meldepflichtiger Materialien in die Semesterapparate eingestellt hätten wie in den vorigen Semestern.
  • Stattdessen seien viele Dozenten dazu übergegangen, wieder Literaturlisten zu verteilen, anhand derer sich die Studenten die Literatur selber zusammensuchen müssten.
  • Folge: „Knapp zwei Drittel der Studierenden gaben an, dass sie einen sehr viel höheren Aufwand bei der Literaturbeschaffung hatten.“
Die Universität sieht sich dadurch an empfindlicher Stelle beeinträchtigt: „Wir müssen aufpassen, dass wir nicht in die ,Kreidezeit‘ zurückkehren“, heißt es in dem Abschlussbericht. „Die verringerte Nutzung von elektronischen Lehrmaterialien würde einen großen Rückschritt und auch Wettbewerbsnachteil für das deutsche Hochschulsystem bedeuten.“

Den vollständigen Artikel lesen Sie im buchreport.express 30/2015, hier zu bestellen.

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