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Kann Buchhandel überhaupt Onlinehandel?

Die Insolvenz von Weltbild ist kein gutes Signal für die krisengeschüttelte Branche, meint Anja Urbschat. Für brisant hält die Buchhändlerin allerdings die Frage, warum selbst ein Großer an der Online-Herausforderung gescheitert ist.

Urbschat ist Buchhändlerin, die viele Jahre bei der Mayerschen gearbeitet hat. Mittlerweile arbeitet sie selbstständig in Berlin und beschäftigt sich, neben dem Studium von Politikwissenschaften und Soziologie, mit Projekten für Buchhandel, Verlag und Autoren rund um die Vermarktung und den Vertrieb des Buches der Zukunft, analog und digital. 

Weitere Stimmen zur Weltbild-Insolvenz von Matthias Ulmer, Dorothee Junck und Tom Erben, weitere Beiträge folgen.

Wie schätzen Sie die Situation bei Weltbild ein?
Ich bin unsicher, ob sich die Situation bei Weltbild von außen überhaupt seriös einschätzen lässt. Der stationäre Handel soll nicht betroffen sein, dies wird zumindest von Unternehmensseite kommuniziert. Ein kleiner Branchen-Seitenblick auf die Insolvenz der Baumarktkette Praktiker und der „eigentlich nicht betroffenen“ und gesunden Max Bahr Läden zeigt, was von solchen Einschätzungen zu halten ist. Selbst die Lage der Hugendubel-Läden ist unklar, scheinbar hat es ja gerade Anstrengungen gegeben, sich von Weltbild wieder abzukoppeln – der Insolvenzantrag kam dann aber doch zu schnell.
Hat Weltbild eine Perspektive?
Das Kuriose ist, ausgerechnet die Weltbild-Buchhandlungen sollen nicht betroffen sein, deren Konzepte und Gestaltung nicht gerade innovativ und kundenorientiert daherkommen. Die zukunftsorientierten Projekte und Geschäftsmodelle kämen aber scheinbar unter die Räder. „Back to the roots“ also als Perspektive für Weltbild, daran fehlt mir der Glaube.
Die positivste Perspektive aus Sicht von Weltbild und den zahlreichen Mitarbeitern wäre sicherlich ein Käufer für analog und digital – und ein Abschneiden der kirchlichen Zöpfe.
Welche Folgen erwarten Sie für die gesamte Branche?
Nach einem durchaus positiven Handelsjahr 2013 kommt mit der Insolvenz, passend zum neuen Jahr, gleich wieder ein Dämpfer – kein tolles Signal für die Branche, Leser und Kunden. Zu den möglichen Folgen, in Bezug auf Umsatzverteilung und Tolino-Allianz, gab es schon reichlich Einschätzungen in den letzten Tagen.

Aus einer anderen Perspektive halte ich die Auswirkung aber für mindestens genauso brisant. Es wirft nämlich generell die Frage auf, ob es für den Buchhandel, mit einem umfangreichen stationären Handel und hoher Personalverantwortung im Rücken, überhaupt möglich ist, sich zusätzlich im Online-Handel zu etablieren. Investitionen für die Zukunft zu stemmen und gleichzeitig eine starre und gewachsene Buchhandelsstruktur aufrecht zu halten, scheint nun selbst für die „Großen“ eine unüberwindbare Hürde. 

Und im Umkehrschluss könnte dies vielleicht auch zeigen, dass die Bedeutung von Startups wie Sobooks von Sascha Lobo oder geplanten Buchplattformen wie LOG.OS von Volker Oppmann für die Zukunft des Buches doch viel wesentlicher sind, als angenommen.

Sobooks ist seit der Buchmesse im Oktober in einer Closed Beta-Version am Start, ein Blick darauf lässt durchaus vermuten, dass eine Weiterentwicklung noch einige Zeit in Anspruch nehmen wird. Für eine Buchhandlung oder einen Verlag wäre dies aus Kosten- und Imagegründen sicherlich nicht umsetzbar.

LOG.OS klingt da als zukunftsweisende Plattform für die gesamte Buchbranche und als mögliches Gegengewicht zu Amazon schon interessanter, wäre aber sicherlich auch nicht von einer Buchhandlung oder Allianz stemmbar – schon gar nicht als gemeinnützige Handelsplattform, wie diese geplant ist.

Solche Projekte könnten jetzt also durchaus noch mehr in den Mittelpunkt der Branche rücken.

Kommentare

3 Kommentare zu "Kann Buchhandel überhaupt Onlinehandel?"

  1. Der Vergleich zu einem Taschenbuch hinkt. Während das eine wohl eher einen Qualitätsunterschied darstellt, steht das andere für ein gänzlich anderes Medium. Wer ebooks liest und dessen Vorzüge schätzen gelernt hat, dürfte diesem Vergleich kaum zustimmen.
    Ob der Buchhandel ebooks akzeptieren will und wird, finde ich eher vernachlässigbar. Die Frage wird eher sein, was der Kunde will. Der Bösewicht Amazon scheint das ja ansatzweise zu verstehen. Verlage und Buchhandel scheinen hier noch ein Problem zu haben.
    My Taxi wurde nicht vom Taxiverband erfunden, Evernote nicht von Leitz. Google nicht vom Branchenbuch.
    Die Zukunft des Buches wird scheinbar auch nicht von der Buchbranche erfunden.
    Oder doch? Zu wünschen wäre es ihr.

  2. Real-im-Laden-Digital-Käufer | 14. Januar 2014 um 9:02 | Antworten

    Für mich klingt das alles nach „eBooks können wir leider nicht in unser stationäres Buchhandelsgeschäft einbringen und überlassen das lieber der Konkurrenz“. Vor Jahrzehnten wäre ein analoges Verhalten gewesen: „Taschenbücher passen nicht in unser Geschäft mit gebundenen Büchern, das überlassen wir lieber der Konkurrenz“.

    Gebundene Bücher stehen heute neben Taschenbüchern und irgendwann kommen die eBooks auch dazu.

    Die Alternative WILL ICH NICHT !!!

    Denn diese Alternative wäre die Verlagerung in den Onlinehandel.

    Als zusätzliche Einkaufsmöglichkeit gerne, aber NIEMALS als Ersatz für den Einkauf in der Buchhandlung!

    Nur ist das noch nicht im Buchhandel angekommen, daß es Kunden gibt, die eBooks lesen wollen, aber kein Interesse daran haben, sich aus den Buchhandlungen vertreiben zu lassen.

    Schönen Gruß

    Real-im-Laden-Digital-Käufer (RiLaDiK)

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