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Digital heißt auch global

Marco Ferrario vergleicht die digitalen Binnenmärkte. Für den Gründer des italienischen E-Book-Dienstleisters Bookrepublik und Organisator der Konferenz „IfBookThen“ (hier mehr) werden Ländergrenzen obsolet. Die globalen Verlags-Player suchen demnach verstärkt den direkten Kontakt zum Leser im Ausland, statt Lizenzen zu verkaufen.
Sie haben sich intensiv mit dem europäischen E-Book-Markt beschäftigt. Wie homogen ist dieser?
Ich sehe immer mehr Unterschiede, zunächst einmal ganz grundlegende: Europa ist fragmentiert, umfasst zahlreiche Sprachen und hat unterschiedliche Mehrwertsteuersätze für E-Books. Gleichwohl ist es sinnvoll, von einem europäischen Markt zu sprechen, weil es auch viele Ähnlichkeiten gibt. Andererseits wäre es ein großer Fehler, wenn die Verleger weiterhin in erster Linie auf ihre Binnenmärkte schauen. Digital heißt auch global. Die globalen Verlags-Player exportieren ihre Geschäftsmodelle in andere Länder.
Und übersetzen inzwischen sogar ihre Titel auf eigene Faust, um sie im Ausland zu verkaufen. Ist das ein Zukunftsmodell?
Durchaus. Große US-Verlage werden ihre lokalen Partner in Europa abstoßen und den direkten Weg suchen, wenn sie einen Markt dafür sehen. In Gegenrichtung ist dies auch zu erwarten.
In den USA experimentieren immer mehr Verlage aktuell mit 99-Cent-E-Books noch vor kurzer Zeit wurde Amazon von den gleichen Häusern wegen Preis-Dumpings kritisiert. Wohin entwickelt sich das Pricing?
Erstaunlich ist, dass es sogar Verlage gibt, die 99-Cent-Titel mit sozialem DRM statt eines harten Kopierschutzes auf den Markt bringen. Die Verlage reagieren auf den Wettbewerb durch Selfpublishing sowie auf die gestiegene Nachfrage. Die Leser haben bei E-Books eine viel größere Macht als bei gedruckten Büchern, weil sie, wenn der Preis zu hoch liegt, zu illegalen Angeboten greifen können. Nach meiner Einschätzung werden 99-Cent-Preise allerdings nicht zu halten sein. Möglicherweise wird sich der Preis von 5 Euro als Schwelle herauskristallisieren.
In Deutschland hat sich der Börsenverein das Thema Piraterie-Bekämpfung groß auf die Fahnen geschrieben. Sind illegale Downloads ein großes Problem?
Der Großteil investiert viel Geld in den Kampf gegen Piraterie. Das ist aber ein großer Fehler. 
Welche Waffe ist besser?
Die Verlage müssen die Qualität ihrer Angebote verbessern; in den meisten Fällen haben Epubs zum Beispiel eine miserable Qualität. Dann gilt es, beim Pricing den richtigen Dreh zu finden – ist der Preis zu hoch, suchen sich die Leser alternative Angebote. Ich rate den Verlagen, DRM nicht flächendeckend einzusetzen, weil dies abschreckend wirkt. Schließlich ist die Kommunikation mit dem Leser wichtig.    
Selfpublishing galt lange als Schmuddelkind der Branche. Haben die Verlage ihre Berührungsängste inzwischen abgelegt?
Nein, die gibt es noch. Molly Barton, die für Penguin das Selfpublishing-Portal „Book Country“ aufgebaut hat, zeigte bei unserer Konferenz „IfBookThen“, warum es für Verlage strategisch wichtig ist, sich auf diesem Gebiet zu engagieren – neben Penguin unterhalten auch HarperCollins und Harlequin eigene Portale. Die Verleger müssen zu einem Teil der Selfpublishing-Umgebung werden. Nicht nur, weil sich beim Scouting Vorteile ergeben. Sie müssen grundsätzlich ihr Verhältnis zu den Autoren überdenken. Barton erklärte in diesem Kontext, dass die Lektoren immer stärker zu Produzenten werden. Es geht nicht mehr nur darum, gemeinsam am Text zu arbeiten, sondern ein „Eigentum“ zu managen: Wie werden die Tantiemen aufgeteilt – und wie werden Inhalte selbst geteilt? 
Die Rolle des Gatekeepers war für Lektoren sicher attraktiver.
Dem stimme ich zu. Und sie werden vielleicht auch weniger verdienen. Aber die Veränderungen sind nicht aufzuhalten: Ich gehe davon aus, dass der Grad der Konzentration unter den Verlagen steigen wird. Es wird noch größere Verlage geben, die primär Inhalte managen, statt konkret mit Texten zu arbeiten.
Die Fragen stellte Daniel Lenz
Zur Person: Marco Ferrario
ist Gründer des italienischen E-Book-Dienstleisters Bookrepublic. Zusammen mit  dem Unternehmensberaters Giovanni Bonfanti (A.T. Kearney)  vergleicht Ferrario die Entwicklung der internationalen E-Book-Märkte.  Die gemeinsam organisierte Konferenz „IfBookThen“ in Mailand  nimmt jährlich eine Bestandsaufnahme des digitalen Marktes vor.

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