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Impulse für die Totholz-Industrie

„Die erste Euphorie um das iPad ist vorbei, nun folgen – typisch für die Evolution von neuen Technologien – erste enttäuschte Erwartungen“, fasst Kommunikationsberater Heiko Scherer von KircherBurckhardt den aktuellen Stand der Digitalisierung auf der Buchakademie-Konferenz im Rahmen der Digimedia-Messe (7. bis 9. April 2011) zusammen.

Um sich langfristig am Markt behaupten zu können, seien neue Businessmodelle gefragt. Mögliche Ansatzpunkte:

  • Personalisierung: 97% der Besitzer nutzen ihr iPad auf dem Sofa oder im Bett, referiert Scherer eine Studie im Auftrag von Axel Springer. Smartphones oder Tablets böten im Gegensatz zum Computer, der als Teil der Arbeitswelt gelte, einen engen persönlichen Bezug. Verlage sollten es den Kunden entsprechend ermöglichen, Gerät und digitale Produkte individuell zu prägen.
  • Sozial und lokal: Erfolgreiche Produkte für mobile Endgeräte zeichnen sich laut Scherer vor allem dadurch aus, dass sie sozial und/oder lokal ausgerichtet sind. Ein Konzept, das Armin Hopp, Gründer des Sprachspezialisten Digital Publishing voll ausschöpft: Die Kunden selbst generieren bei seinen Sprachlernprogrammen den unternehmensspezifischen Wortschatz, Experten leiten die Lerngruppen am Bildschirm und stellen die Qualität sicher. Durch die so entstehenden individuellen Wortschöpfungen mache er sich für die Kunden unentbehrlich.
  • Feedback: „Die Kunden bewerten unsere Apps gnadenlos“, berichtet Rita Bollig, Leiterin der auf E-Publishing fokussierten Lübbe-Verlagsabteilung Bastei Entertainment. Vorteil: Der Verlag könne viel über seine Kunden erfahren und das Feedback für die Verbesserung und Neuentwicklung der Produkte nutzen.
  • Mehrfachverwertung: Mit der Digitalisierung sind erhebliche Investitionen verbunden – umso wichtiger sei es, dass sich diese rechnen. Carsten Leiniger, Geschäftsführer des GeraNova Bruckmann Verlagshauses, hat deshalb eine Mantel-App entwickeln lassen, die er für verschiedene Produkte mehrfach nutzen kann.
  • Suchoptimierung: Aufgrund der Angebotsvielfalt ist entscheidend, dass ein Produkt auch gefunden wird, erläutert Ralf Birkelbach, Geschäftsführer des Wissenschaftsverlags Springer. Deshalb investiere er in Suchmaschinenoptimierung, Fulltext-Indizierung und Online-Marketing. „Verweisen Sie innerhalb Ihrer App stets auf die anderen Produkte“, ergänzt Entwickler und Berater Matthias Heubach von Heubach Media.
  • Plattformunabhängigkeit: Es ist seltsam, dass Verleger ständig darüber diskutieren, welche Plattform sie bespielen müssen“, wundert sich Hopp. Vielmehr sollten Verlage versuchen, den Leser auf jedem der Geräte zu erreichen und ein „geräteunabhängiges Marken-Abo“ anbieten, stimmt Scherer mit ein. Gutes Vorbild sei der Online-Händler Amazon mit seiner Strategie für die E-Books im Kindle-Format: „Buy one book, read everywhere.“
  • Masse oder Klasse: (Möglichst) alles digitalisieren, ein Konzept, das Springer und Lübbe umsetzen, kann je nach Verlag ebenso sinnvoll sein wie die schrittweise Digitalisierung der Inhalte zum Testen der Nachfrage wie bei GeraNova.
  • Mehrwert: Es sei Zeit, das Papier zu relaunchen, um der „Totholz“-Industrie neues Leben einzuhauchen, verweist Marco Olavarria, Geschäftsführer der Unternehmensberatung Kirchner+Robrecht, schließlich an eine direkte Verknüpfung mit dem Kerngeschäft. Möglich werde dies vor allem durch die Erweiterung der Druckerzeugnisse mit Printed Electronics wie QR-Codes oder Bilderkennungstechniken. Durch diese Verknüpfung könne dem Leser ein Mehrwert im Sinne seiner Bedürfnisse geboten werden.

Und wenn die digitalen Produkte das Kerngeschäft kannibalisieren? Bisherige Erfahrungen zeigten, dass digitale Produkte Bücher eher ergänzen, so Birkelbach und Leiniger. Selbst wenn, sei es immer noch besser, sich über den internen Wettbewerb selbst zu fressen, als gefressen zu werden“, ergänzt Berater Scherer.

Dennoch: „Einfach zu sagen, wir ändern uns jetzt ein bisschen, kann nicht die richtige Lösung sein“, zeigt sich Armin Hopp angesichts der scheinbaren Zuversicht vieler Konferenz-Teilnehmer erstaunt. Die Verlage sollten sich nicht von Apple irritieren lassen und auf die Macht ihrer Marken hoffen. Nur wer mutig und schnell agiert, könne noch überleben. 

Die nächste Digimedia wird im Rahmen der Druckmesse Drupa vom 3. bis 16. Mai 2012 stattfinden.

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