buchreport

Sony Reader: nichts für den Massenmarkt

Heute startet der Sony Reader in Deutschland. Im Vorfeld der Einführung hat Alexander Braun (Foto), früherer Online-Direktor bei der Bertelsmann-Tochter Doubleday Canada und Gründer der Bücher-Community quillp, das Lesegerät getestet und Stärken und Schwächen des zugrundeliegenden Geschäftsmodells analysiert. Fazit: Die Technologie hat Fortschritte gemacht, aber die Massenmarkttauglichkeit ist noch nicht gegeben.

Die Technologie des Sony Reader hat seit dem ersten E-Reader Rocketbook in den 90-er Jahren große Fortschritte gemacht, obwohl Sony mit einem veralteten Gerät in Deutschland an den Start geht, das in den USA bereits seit 2007 auf dem Markt ist: Das auf E-Ink-Technologie basierende Display strengt die Augen beim Lesen nicht wie klassische Bildschirme an; es hat in etwa die Größe und das Gewicht eines Paperback-Buches; die Benutzung des Geräts erschließt sich intuitiv.

DRM schreckt Kunden ab

Das erste große Manko, für das Sony allerdings nicht direktverantwortlich ist, ist DRM (mehr). Die E-Books werden u.a. im Epub-Format angeboten, auf Wunsch der Verlage auch DRM-geschützt – obwohl DRM aus technischer Sicht nicht funktioniert und letztlich nicht vor der illegalen Verfügbarkeit der Dateien im Internet schützt.

Die Konsequenzen von DRM werden beim Sony Reader auf Anhieb deutlich: Zunächst muss ich eine iTunes-ähnliche Software (eBook Library) auf meinem Computer installieren. Da die auf dem Reader gespeicherten E-Books nicht mit dieser Version der Software auf den Reader geladen wurden, können sie auch vom Computer nicht aufgerufen werden. Möchte ich ein E-Book aus dem Online-Shop eines von Sonys Partnern kaufen, muss ich meinen Reader individuell bei diesem Shop registrieren, was das Kauferlebnis sehr mühsam macht.

Verzicht auf exklusive Vertriebspartnerschaft behindert Einkauf

Innerhalb des Shopping-Prozesses wird die zweite Unzulänglichkeit offensichtlich, die zumindest teilweise auf Sonys Konto geht: Da Sony keinen eigenen E-Book-Shop in Deutschland betreibt, haben sie eine ganze Reihe von Online-Buchhändlern ins Boot genommen. Anscheinend möchte Sony damit soviel Gewicht wie möglich gegenüber dem in der Partnerliste fehlenden Amazon aufbauen, der seinen Ansatz mit eigenem Geräte („Kindle“) und Shop bisher noch nicht in Europa platziert hat.

Sony ist daher keine exklusive Partnerschaft eingegangen, die die Software direkt mit einem Shop integriert hätte. Dies bekommen die Kunden in einem sehr holprigen und extrem lückenhaften Einkaufsprozess zu spüren: Klickt man in der mitgelieferten Software auf „eBook Store“, werden einem lediglich ein paar Banner der Partner präsentiert. Um nun ein E-Book kaufen zu können, muss man auf einen dieser Banner klicken, der dann den Partner-Shop in einem separaten Browser-Fenster öffnet.

Nun muss man den gesamten Shopping-Prozess außerhalb der extra mitgelieferten Software auf der Website des Partners durchführen: Buchsuchen, in den Warenkorb legen, bei dem Shop mit Adresse und Zahlungsinformationen registrieren – keine nahtlose Übermittlung der eigenen Daten nach einmaliger Eingabe via Software möglich.

Nachdem man sich nun also durch diese sehr manuellen und brüchigen Prozesse gearbeitet hat, kann man nun endlich das E-Book auf seinen Reader laden, richtig? Weit gefehlt. Hier tritt DRM den Beweis an,dass die ehrlichen Kunden die tatsächlich Geschädigten sind: Zunächst ist der eigene Reader beim Einkauf zu registrieren – es wird keine Integration zwischen der mitgelieferten eBook Software und dem Partnerangeboten, die diese Daten automatisch übermitteln würde. Anschließend muss man die gerade legal gekaufte E-Book-Datei zunächst auf dem Computer speichern und den Ordner und Dateinamen gut merken, benötigt man diese Angaben doch im nächsten Schritt, um die Datei nun wiederum in die mitgelieferte eBook Software zu importieren. Nach all diesen Schritten kann man nun endlich das E-Book auf seinen Reader laden.

Ein kurzer Faktencheck zeigt, dass ein derart schlecht integrierter Prozess nicht vom Erfolg gekrönt sein kann: Das Durchschnittsalter der Käufer des Amazon Konkurrenzproduktes Kindle in den USA liegt höher als das der iPhone-Nutzer – nicht unbedingt eine Kundschaft, die technisch sehr versiert ist und all diese Schritte problemlos meistern wird.

Der teilweise Einsatz von DRM und die fehlende Integration eines Shops in die eBook Library Software sind Versäumnisse, die die Massenmarkttauglichkeit des Geräts verhindern könnten. Es ist ein klares Manko, dass eine so groß angelegte Produkt-Lancierung aufgrund fehlender Prozessintegration mit einem solch schlechten Kundenerlebnis an den Start geht – selbst wenn man DRM als Forderung einiger Verlage und somit außerhalb von Sonys Einflussbereich betrachtet und nicht in die Bewertung mit einbezieht. Tests von Kunden im Vorfeld hätten hier die Alarmglocken schrillen lassen müssen.

Gute Technologie, aber kein Mehrwert

Das Gerät an sich ist eine 1:1-Übersetzung des gedruckten Buchs in ein elektronisches Medium – was schön ist, wodurch aber viel Potenzial verschenkt wird: keine Volltextsuche, keine Möglichkeit, Anmerkungen im Text zu hinterlegen, kein Wi-Fi-Anschluss, der den Austausch unter Lesern des gleichen Buches ermöglichte – was insbesondere für Fachbücher eine hochinteressante Funktion und Differenzierung vom klassischen Buch sein könnte.

Die Technologie ist auf einem guten Stand; die Lehren und Ideen (hier und hier) sind für jeden sichtbar – und doch scheint das Gerät und die Buchbranche noch ein paar Iterationen zu benötigen, bis der Kauf eines derartigen Gerätes tatsächlich Sinn macht.

Buchbranche muss Lehren aus den Debakeln anderer Branchen ziehen

Das Beispiel des Sony Reader ist ein Lehrstück für die klassischen Medien, in dem trotz der Erfahrungen der Musikindustrie das Wunschdenken so lange über den Pragmatismus siegt, bis das eigene Geschäftsmodell verschwunden ist (Stichwort: Buchpreisbindung, DRM). Teile der Buchbranche schrecken wie die Musikindustrie vor fundamentalen Veränderungen zurück. Es ist kein Geheimnis, dass Annahmen nicht aussterben, indem sie sich als falsch erweisen, sondern dadurch, dass ihre Anhänger aussterben. Vor diesem Hintergrund bleibt zu hoffen, dass die Buchbranche ihre Lehren aus den Debakeln anderer Medienzweige zieht.

Braun hat auch für das RBB-Fernsehen das Lesegerät getestet. Hier der Beitrag.

Kommentare

1 Kommentar zu "Sony Reader: nichts für den Massenmarkt"

  1. Was gibt es für eine grössere Freude, wenn man sich auf die Couch oder in den Sessel oder Strandkorb zurückziehen kann mit einem guten Buch in der Hand – mag das nun neu oder alt sein, das spielt keine Rolle. Man blättert in den Seiten, schaut in der Mitte oder auch hinten schon mal nach, fühlt das Papier, sieht die evtl. vorhandenen Bilder/Grafiken und die Buchstaben. Das Buch erfühlt man auch, die kalte Technik nicht. Mit dem Buch ist man wirklich in Kontakt, es ist problemlos überall unterzubringen, mit hin zu nehmen. Diese technische Euphorie gab es schon beim Laptop u.a. Geräten, die mobil sein können. Haben sie ein einziges richtiges Buch ersetzen können? Nein, weil das sich so nicht ersetzen lässt.
    Ausserdem – viele Menschen schaffen es nach wie vor mit Mühe, ein Buch zu lesen. Da kann man immer wieder von vorn beginnen, es zwischendurch weglegen, kann hineinschreiben, Lesezeichen daran befestigen usw. Mit dem technischen Gerät ist das anders, viel zu kompliziert, kalt und nicht animierend. Da Lesen grösstenteils ein Freizeitvergnügen ist, wer will sich da auch noch mit dem Computer o.ä. Gerät herumplagen. Das kann für ein wirkliches Buch nie eine Konkurrenz sein. Es wird ein Nischengerät bleiben.

Hinterlassen Sie einen Kommentar

Mit dem Abschicken des Kommentars erklären Sie sich damit einverstanden, dass Ihre Daten elektronisch gespeichert werden. Diese Einverständniserklärung können Sie jederzeit gegenüber der Harenberg Kommunikation Verlags- und Medien-GmbH & Co. KG widerrufen. Weitere Informationen finden Sie in unseren Datenschutz-Richtlinien

E-Mail Adresse wird nicht veröffentlicht.


*

Themen-Kanäle

SPIEGEL-Bestseller

1
Fitzek, Sebastian
Droemer
2
Neuhaus, Nele
Ullstein
3
Garmus, Bonnie
Piper
4
Schlink, Bernhard
Diogenes
5
Follett, Ken
Lübbe
27.12.2023
Komplette Bestsellerliste Weitere Bestsellerlisten

Veranstaltungen

Es gibt derzeit keine bevorstehenden Veranstaltungen.

größte Buchhandlungen