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Der Traum vom semantischen Netz

Seit wenigen Tagen ist die weltweit erste gedruckte Version des Online-Lexikons Wikipedia im Buchhandel (bei der Bertelsmann-Tochter Wissen Media erschienen). Im Interview mit buchreport zieht Mathias Schindler, Mitglied im Presseteam von Wikimedia Deutschland und maßgeblich an der Konzeption des „Wikipedia-Lexikon in einem Band“  beteiligt, eine Zwischenbilanz.

Wie lautet Ihre Zwischenbilanz zur Resonanz auf das Lexikon?
Die Resonanz auf das Projekt war ja schon gigantisch, als wir es nur angekündigt haben. Jetzt, wo das Produkt auch vorliegt, kommt gerade die zweite Welle an Presseberichten. Sofern man jetzt schon eine Zwischenbilanz ziehen kann, fällt sie eindeutig aus: Es ist ein spannendes Projekt und ein richtig schönes Ergebnis.

Ist die Wikipedia-Gemeinde eher stolz oder skeptisch eingestellt?
Ich glaube, inzwischen haben wir jede denkbare Meinung dazu einmal gehört – wobei ich natürlich hoffe, dass sie Autoren stets alles und jeden kritisch hinterfragen. Auf der anderen Seite habe ich in den letzten Wochen sehr schöne Episoden mit dem Lexikon erlebt, beispielweise in einer Gruppe von Wikipedianern, die live dabei waren, als es um die Formulierung einer konkreten Einleitung ging. Da kann man schon mal nostalgisch werden.

Wird sich die Arbeit an der Wikipedia durch den Print-Ableger ändern?
Ich wüsste nicht, was sich dadurch ändern sollte, das Hauptaugenmerk gilt weiterhin der Wikipedia, wie sie online zu finden ist und die jede Minute im Jahr verbessert wird. Projekte wie der Einbänder oder auch die DVD-Ausgaben von Directmedia haben aber sehr häufig geholfen, die Notwendigkeit einer leichten strukturellen Vereinheitlichung der Inhalte aufzuzeigen. Ich würde mich also nicht wundern, wenn in der kommenden Zeit gezielt versucht wird, die Einleitungstexte der Wikipedia-Artikel lesbarer zu machen, was ja vor allem auch den Lesern der Wikipedia im Netz helfen wird.

Was macht der Verein mit der 20.000 Euro-Geldspritze aus Gütersloh?
Das muss der aktuelle Vorstand entscheiden, ich weiß aber noch aus meiner aktiven Zeit im Vorstand von Wikimedia Deutschland, dass es nicht schwer fallen dürfte, so eine Summe sinnvoll auszugeben.

Mehrere Print-Auskoppelungen der Wikipedia waren bislang gescheitert – u.a. der Druck der kompletten Wikipedia als 100-bändiges Lexikon und die Taschenbuchreihe Wikipress. Wird es jetzt neue Anläufe geben?
Wer meint, mit den Texten der Wikipedia sinnvoll etwas anstellen zu können, ist dazu herzlich eingeladen. Die Inhalte der Wikipedia liegen unter der GNU Lizenz für Freie Dokumentation (GFDL) und können im Rahmen dieser Lizenz verwendet werden, auch kommerziell. Wer für das Resultat auch den Wikipedia-Markennamen oder das Logo verwenden will, sollte sich dafür mit der Betreiberin in Verbindung setzen.
Und jetzt einmal praktisch: Lexika haben auch in Printform noch ihre Berechtigung, es würde mich freuen, wenn mehr Verlage hier so schön die Initiative ergreifen wie das Wissen Media getan hat.

Welchen enzyklopädischen Wikipedia-Traum haben Sie?
Ich würde gerne einmal eine große Ausgabe der Wikipedia (und davon sehr sehr gerne auch die deutschsprachige) sehen, auf der die Semantic MediaWiki-Erweiterung in Betrieb genommen wird. Der Traum in Kurzfassung, ohne Rücksichtnahme auf den gegenwärtigen Stand von Forschung und Entwicklung: Eine Wikipedia, die nicht nur von Menschen, sondern auch von Computern lesbar ist, eine Wikipedia, die mir konkrete Antworten auf konkrete Fragen bieten kann und die Inhalte individuell für Nutzer so erstellt, damit diese etwas damit anfangen können. Wikipedia gerne auch in der Rolle der ersten breitentauglichen Semantic Web-Anwendung. Solange das noch auf sich warten lässt, gibt es noch genug andere Dinge zu tun.

Die Fragen stellte Daniel Lenz

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