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Microsoft ist gesprächsbereit

Verlage fühlen sich von der Geschwindigkeit des digitalen Wandels oft überrumpelt, wird dieser doch weitgehend von externen Technologieanbietern vorangetrieben. Wer auf die Zukunft vorbereitet sein will, sollte den Dialog mit den Technologieanbietern suchen, rät Gerrit Pohl von Microsoft im Interview mit buchreport.

Die Digitalisierung in der Buchbranche wird weitgehend von externen Technologie-Anbietern getrieben. Wie können sich die Verlage darauf einstellen? 
Sie brauchen gut vernetzte Fachleute, die neue Trends im Blick haben und einschätzen können, welche Technologien relevant werden, um entsprechende Modelle und Produkte entwickeln zu können. Wer nicht von den technischen Entwicklungen überrascht werden will oder fürchtet, kurzfristige Trends zu überschätzen, sollte den Dialog zu den Technologieanbietern suchen.  
Ist Microsoft denn gesprächsbereit? 
Auf jeden Fall. Es ist ja so: wir wissen, wie man attraktive Geräte und Services baut und wie eine entsprechende Software aussehen muss. Damit die Geräte und die Software aber auch für die Kunden spannend sind, müssen sie mit interessanten Inhalten gefüllt werden. Hier kommen die Verlage ins Spiel: Wir haben kein Interesse daran, selbst Inhalte zu produzieren – denn darin sind die Verlage viel besser als wir. Und da gibt es tolle Synergien, wir haben etwa White-Label-Technologien entwickelt, die jeder frei nutzen kann, um seine Web-Inhalte für unsere Plattformen aufzubereiten.

Welche Anforderungen stellen Sie an die Inhalte? 

Um die Inhalte nutzen zu können, sind wir auf gewisse Standards angewiesen. Angenommen, wir entwickeln einen Dienst, die automatisch erkennt, welches Musikstück und welches Gericht zur Stimmung des Nutzers passt. Dafür sind wir auf entsprechende Metadaten der Verlage angewiesen, anderenfalls sind die Inhalte – zumindest für diese Anwendung – für uns nicht nutzbar. 
Kürzlich hat Bastei Lübbe den Spieleentwicklung Daedalic übernommen. Ist das der richtige Weg?
Die Inhalte von Lübbe sind für die Spieleindustrie prädestiniert, daher macht eine solche Übernahme durchaus Sinn. Aber man muss nicht immer gleich so weit gehen. So viele Spieleanbieter gibt es gar nicht auf dem Markt, ganz zu schweigen vom notwendigen Invest. Wenn jemand ein Kinderbuch herausbringt, das für die Spieleindustrie interessant ist, reicht es oft, mit einem Entwickler zu kooperieren und gemeinsam eine gesamtheitliche Produktstrategie zu entwickeln.
Der PC verliert an Bedeutung und wird zunehmend durch intelligente Geräte ersetzt, lautet eine Prognose der Technikindustrie. Wie wird sich das Lese- und Einkaufsverhalten dadurch verändern?
Die Kunden werden künftig überall mit Daten in Berührung kommen und stärker von Daten an die Hand genommen. Viele Dinge werden künftig automatisiert erledigt: Der Kühlschrank bestellt neue Milch, sobald sie leer ist, im Wohnzimmer hängt ein Display mit aktuellen Nachrichten, Rezepten, Fotos und E-Mails und das Auto meldet Reiseinformationen und Sehenswürdigkeiten. Alles vernetzt, alles intelligent, alles seamless. Der Absender ist in diesem Szenario kaum noch relevant.  Wer seine Inhalte für diese Geräte aufbereiten will, muss gewisse Standards einhalten und eng mit den Technologiepartnern kooperieren.  Wer das nicht tut, wird an diesem Zukunftsmodell nicht teilhaben können. 
Was raten Sie den Verlagen?
Sie sollten ihre Daten möglichst medienneutral aufbereiten, um schnell auf neue Nutzungsszenarien reagieren zu können. Wir wissen alle, dass das oft nicht der Fall ist. Wenn man aber in Dialog mit den Technologiefirmen ist, hat man eine gute Chance auch zu wissen, wie man sich darauf einstimmen muss und welche Formate und Metadaten wichtig sind. Es gibt Verlage, die davon träumen, dass der Kühlschrank dem Nutzer ein passendes Rezept zu den im Kühlschrank enthaltenen Lebensmitteln anbietet: Du hast Tomaten, Karotten und Hackfleisch im Kühlschrank – dann koch doch überraschenderweise Spaghetti Bolognese. Um dies anbieten zu können, müssen die Verlage ihre Rezepte detailliert nach Zutaten aufteilen – was aber gerade nachträglich sehr aufwändig ist. 
Sind die Verlage auf den Wandel vorbereitet?
Die Verlage tasten sich an die Digitalität heran, was durchaus verständlich ist, da es keine sicheren Geschäftsmodelle gibt und der Wettbewerb ein ganz anderer ist als im traditionellen Markt. Ich habe viele sehr fitte Verlagsmitarbeiter kennengelernt, die sich aktiv mit dem Wandel beschäftigen. Die meisten wissen auch, was möglich ist, fragen sich aber, ob sich die Umsetzung nachhaltig monetarisieren lässt. Insgesamt wünsche ich mir mehr Zukunftsbewusstsein im Sinne einer ökonomisch abbildbaren und greifbaren Zukunft. Statt uns zu fragen, ob wir in 20 Jahren mit Hologrammen kommunizieren, sollten wir uns die Trends ansehen, die in zwei bis drei Jahren massenmarktfähig und deshalb heute schon relevant sind. 
Die Fragen stellte Lucy Mindnich
Gerrit Pohl 
ist seit Juli 2013 als Senior Evangelist bei Microsoft Deutschland insbesondere für Kooperationen in der Publishing- und Entertainmentindustrie verantwortlich. Zuvor war er als Gesamtleiter Digitale Medien beim Axel Springer Mediahouse sowie als stellvertretender Geschäftsleiter beim Gruner+Jahr Digital Center in Hamburg tätig.

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