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Überlebensgroß am Madison Square Garden

Oliver Pötzsch gehört zu den wenigen deutschen Autoren, die jenseits des Atlantiks eine steile Karriere hingelegt haben. Rund 400.000 E-Books verkaufte der Münchner, der hierzulande bei Ullstein erscheint, in den USA mit Hilfe von Amazon Publishing von seinen „Henkerstochter“-Romanen. Im Interview beschreibt der Nachfahre einer Scharfrichter-Dynastie die Gründe seines Erfolgs, skizziert unterschiedliche Vermarktungsstrategien für Amerika und Deutschland – und zeigt sich beim Thema Self-Publishing skeptisch.
Sie verkaufen Ihre historischen Romane in Deutschland gut, in den USA überragend – „The Beggar King“ ist noch gar nicht erschienen und schon auf der Amazon-Kindle-Bestsellerliste (aktuell Platz 3 der Bestsellerliste für historische Mystery-Titel). Wie erklären Sie sich Ihren Erfolg im Ausland?
Ich glaube, dass die Hauptfigur der „Henkerstochter“-Bücher auf der ganzen Welt funktioniert: der Henker. So gibt es in einigen Ländern sogar immer noch die Todesstrafe. Alle Menschen auf der Welt beschäftigen sich mit dem Thema Tod. Hier in Deutschland werden die Folterkammern in den mittelalterlichen Städtchen viel besucht. Der Henker scheint eine faszinierende Figur zu sein, die archetypisch auf der ganzen Welt funktioniert. Hinzu kommt, dass es gerade in Amerika so ist, dass sich die Leute sehr viel mit Ahnenforschung beschäftigen. Die Leser finden es extrem spannend, dass ich selber von Henkern abstamme – meine Familie war 300 Jahre lang eine Scharfrichterdynastie mit insgesamt 14 Henkern. Inzwischen hat Amazon auch die englischsprachigen Weltrechte, anfangs waren es nur die für den amerikanischen Markt.
Sind ihre E-Books erfolgreicher als ihre gedruckten Bücher?
Momentan zeigt sich noch recht stark die unterschiedliche Entwicklung des E-Book-Marktes in Deutschland und den USA: In Deutschland bin ich nach wie vor viel, viel erfolgreicher mit den gedruckten Büchern, in Amerika ist das andersherum. Dort ist der E-Book-Markt wesentlich größerer und stärker als hier in Deutschland.

„Ich schwimme nicht im Geld“

Auf ihrer Homepage schreiben Sie, dass Ihre Frau das nötige Geld verdient. Wie viel verdienen Sie denn?
Den Satz, dass meine Frau das Geld verdient, müsste ich jetzt tatsächlich mal ändern. Meine Frau verdient nach wie vor ihr Geld, aber mittlerweile gehöre ich wahrscheinlich zu den wenigen Autoren in Deutschland, die tatsächlich davon leben können. Das liegt natürlich am Erfolg in den USA, wo wir um die 400.000 E-Books verkauft haben. Die Leute denken dann immer sofort, dass ich hier im Geld schwimmen würde – das ist definitiv nicht der Fall. Außerdem weiß keiner, wie lange der Erfolg andauert.
Wie funktioniert die Zusammenarbeit mit Amazon? 
Von der Zusammenarbeit mit Amazon bekomme ich eigentlich kaum etwas mit, das macht alles mein Verlag Ullstein, der das Buch in andere Märkte bringt. Mittlerweile sind die Bücher in rund 15 Ländern erschienen.
Wird „Amazon Crossing“ zu einem Sprungbrett für deutsche Autoren?
Amazon Crossing ist eine Möglichkeit von vielen. Grundsätzlich finde ich es immer begrüßenswert, wenn gerade die USA, die ja sehr konzentriert sind auf ihren eigenen Markt und auf amerikanische Literatur, ein bisschen über den Tellerrand schauen. Da bietet Amazon Crossing eine gute Möglichkeit, Bücher in Amerika auf den Markt zu bringen.
Gibt es große Unterschiede bei den Vermarktungsstrategien in Amerika und hier in Deutschland?
Manchmal ja. Sowohl Amazon als auch Houghton Mifflin Harcourt, wo die gedruckten US-Ausgaben erscheinen, rühren eine große Werbetrommel da drüben, und das freut mich natürlich. Sie haben ganze Busse in New York mit meinen Covern bedrucken lassen, und am Madison Square Garden hing mein Bild überlebensgroß.

„Beim Thema Self-Publishing bin ich sehr skeptisch“

Wie erfahren Sie als Autor die Umwälzungen in der Branche, beispielsweise im Bezug auf Self-Publishing? 
Ich bin selber kein Self-Publisher, aber ich schaue mir diese Entwicklung fasziniert an. Es gibt ja immer wieder Meldungen von Leuten, die ihr Buch selber über das Internet auf den Markt bringen. Interessant ist aber: Die Autoren, von denen ich bisher gelesen habe, suchen früher oder später dann doch einen Verlag. Den Erfolg, den ich momentan mit meinen Büchern im Ausland, vornehmlich in Amerika, habe, den habe ich nur meinem Verlag zu verdanken. Ich habe einen starken Verlag gebraucht, der an den internationalen Markt geht und versucht, für mich das Beste rauszuholen. Wie hätte ich das alleine als Self-Publisher schaffen können: das Buch übersetzen, Pressearbeit und Lesungen organisieren? Es mag gewiefte Geschäftsleute geben, die solche Aufgaben meistern können, ob die dann gleichzeitig gute Schriftsteller sind, weiß ich nicht. Ich bin jemand, der sich auf das Buchschreiben konzentrieren will. Beim Thema Self-Publishing bin ich also sehr skeptisch.
Und wie beurteilen Sie die zunehmende Digitalisierung von Büchern?
Das geht momentan atemberaubend schnell. Die Entwicklung gerade in den USA ist jedenfalls gewaltig, das habe ich auf meinen Amerika-Reisen festgestellt. Da drüben hat jeder einen Kindle oder anderen E-Reader. Und ich bin mir sicher, dass es sich auch hier in Deutschland so entwickeln wird. Ich glaube, dass hier in Europa und speziell in Deutschland das gedruckte Buch nie ganz verschwinden wird. Der Markt wird sich aber aufteilen. Bei Büchern, die man mal schnell nebenher kauft, kann ich mir gut vorstellen, dass sie in den E-Book-Markt abwandern. Trotzdem wird es immer Bücher geben, die man streichelt, liebt, ins Regal stellt und die einen über mehrere Jahre und Jahrzehnte von Umzug zu Umzug begleiten. 
Wie verändert sich das Rollenverständnis der Autoren durch Facebook & Co.?
Social Media spielen eine extrem große Rolle mittlerweile. Die Leute sind permanent im Internet. Sehen da die Werbung. Nehmen aber vor allem persönliche Empfehlungen auf, die sie lesen, in Blogs beispielsweise. Amerika ist uns auch hier ein, zwei Schritte voraus. Mein Buch taucht in unterschiedlichsten Blogs und auf verschiedenen Internetseiten auf. Und wenn ich zu Ihrer ersten Frage nach meinem Erfolg zurückkommen darf: Der mag auch damit zu tun haben, dass dieses Buch oftmals von Leser zu Leser beworben wurde.
Die Fragen stellte Camilla Flocke.

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