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Von Sven Regener lernen

Ja, die Wahlerfolge der Piratenpartei, wie jetzt wieder im Saarland, sind erstaunlich, denn sie hat das politische Profil eines Wackelpuddings. Wirklich greifbar ist sie nur in ihren mal mehr, meist weniger gut begründeten internetpolitischen Positionen.

Und weil sich der Anteil der Spaß- und Protestwähler am Piratenerfolg nicht mit Sicherheit beziffern lässt, wird jedes gute Wahlergebnis der Nerd-Partei als massenhaftes Plädoyer für diese Positionen wahrgenommen – in der aktuellen Urheberrechtsdiskussion vor allem als Demonstration einer manifesten Freibier-Mentalität im Internet.

Das „Handelsblatt“ schrieb jetzt: „Wenn sich die Piraten-Vision von der Umsonst-Kultur im Internet durchsetzt, sind Buch-, Musik- und Filmverlage die neue Atomindustrie.“ Soll heißen: Eine Branche ohne Zukunft.

Gefährlich ist nicht erst die Machtperspektive der Piratenpartei (weil es auf absehbare Zeit keine gibt), sondern schon ihr Einfluss auf Öffentlichkeit und Politik. Wer nicht will, dass die Freibier-Kultur zum weithin akzeptierten Leitbild wird, muss den Freibeutern die Deutungshoheit im öffentlichen Diskurs streitig machen.

Wie das geht, hat gerade der Musiker und Bestsellerautor Sven Regener vorgemacht: Das Echo auf sein drastisches Statement zum Urheberrecht übertönt sogar den Jubel der Piraten über das saarländische Wahlergebnis.

Aus Sicht der Verlage unterstreicht die große Resonanz auf Regener, dass ein intensiver Dialog mit den Autoren eine wichtige strategische Option ist: Sie sollten die populären Multiplikatoren als engagierte Fürsprecher für ein wirksames Urheberrecht gewinnen, damit es den Piraten mit ihren erstaunlichen Wahlerfolgen nicht gelingt, die öffentliche Meinung zu kapern.

Kommentare

8 Kommentare zu "Von Sven Regener lernen"

  1. Georg Mühlberg | 1. April 2012 um 18:02 | Antworten

    Urheberrecht wird so genau umgesetzt, dass es ins Lächerliche abdriftet.

    Mitschnitte von Radio mit der Audiokassette waren das normalste der Welt, in den Kindergärten verlangt man nur seit kurzem GEMA Gebühren von Weihnachtslieder singenden Kindern, die Vorleser in den Bibliotheken, die neue Leser erziehen, will man auch mit Gebühren belangen.

    Die Kundengängelung muss aufhören! Klar wird man leider Raubkopierer nicht umstimmen, aber wichtiger ist es, die große Gruppe legaler Käufer zu bedienen und in neuer Technik Chancen statt Risiken zu sehen.

    In den 80iger Jahre klagten Hollywood Studios verzweifelt gegen Videokassetten (und haben Sonys Format nicht zuletzt durch Rechtsstreite so geschwächt, dass er gescheitert ist) und am Ende verschaffte Heimvideomarkt nie gesehene Gewinne. Jetzt sollen böse Raubkopierer diesen zuvor so ungewünschten Markt zerstören. Nun auch hier ist Internet eine Chance – alle Filme könnten dauerhaft verfügbar sein, vielleicht sogar kostenlos mit Werbung (wie im Fernsehen halt).

    Wie siehts bei eBooks aus? Man erschwert ihren Erfolg, da ist auch keine Überraschung, dass Amazon oder nicht zum Beispiel Thalia in dem Segment erfolgreich ist (Oyo ist eine Katastrophe).
    DRM ist bei Amazon einfach bequemer. Warum nicht die Vorteile der eBooks sehen? Geringe Produktionskosten- man muss keine tausende Exemplare drucken und irgendwo lagern, man muss kein totes Kapital- Blacklist haben, usw.

    Warum können die Raubkopierer ihre Filme schnell, in guter Qualität und ohne doofe Werbung sehen und ich, als ehrlicher Käufer muss erstmal mal 5 Werbeclips anschauen?
    Warum bekommt der Raubkopierer die größte Auswahl der eBooks und ich sehe wieder mal, dass das Werk gar nicht digital oder zu einem überteuerten Preis gibt?

    Der mp3 Download Markt wuchs erst nach Entfernung von DRM so schnell und der Musikmarkt ist stabilisiert oder wächst sogar wieder.

    Und es ist bei weitem nicht so, dass alle „Netzkiddies“ kein Geld für Kultur bezahlen würden.
    Der Macher der bekannten Videospiele Adventures der 90iger Jahre sammelte auf einer Internetplattform Spenden, um ein Spiel nach seinem Geschmack zu machen. Nun das angefragte Geld (400 tausend Dollar) war nach einem Tag gespendet, am Ende haben die Leute 3,3 Millionen gespendet. Und Adventures haben gerade den Reiz in ihrem Humor und Geschichte, so weit sind sie von Büchern auch nicht entfernt.

  2. Mit „Freibier-Kultur“ hat das Urheberrechtsthema der Piraten und der Netzgemeinde nichts zu tun. Schön auf den Punkt gebracht hat es der CCC mit seiner Antwort auf den Vorstoß der „51 Tatort-Drehbuchautoren: http://www.ccc.de/de/updates/2

  3. Zitat S. Dederichs: „Bitte zeigen Sie mir ein Interview, einen Punkt im Parteiprogramm oder ein Video, in dem die Piratenpartei (Die Partei, nicht irgendein Möchtegern-Mitglied) wirklich sagt, das Sie die, wie Sie es formulieren „Freibier-Mentalität“ haben will.“
    Da kann ich helfen: Auf dem Offenbacher Parteitag 2011 haben die Piraten einen Antrag angenommen, der als Grundlage für ein Programm dienen soll.
    In dem heisst es:“Um eine Legalisierung von Tauschbörsen und eine Entkriminalisierung ihrer Nutzer führt kein Weg vorbei. Bisher ist es empirisch nicht zu beweisen, dass sich Tauschbörsen negativ auf den Verkauf von Werken auswirken, insbesondere auf Musik, Spiele oder Filme.“
    Das ganze Werk: http://wiki.piratenpartei.de/w

  4. Was für ein unsachlicher, populistischer Kommentar. Indem man streng unterteilt in „die“ und „wir“ übersieht man völlig, dass die Piraten ja nicht das Problem frei verfügbarer Inhalte schaffen, die Urheber unter ihnen damit auch konfrontiert sind, und sie als einziges, zusammen mit den Grünen, zumindest konstruktive Vorschläge in Richtung Entwertungsmodelle machen.

  5. „Sind Buch-, Musik- und Filmverlage die neue Atomindustrie.“ Soll heißen: Eine Branche ohne Zukunft.“

    D.h. Sie gehen davon aus, dass die Menschen in Zukunft einfach auf diese Dinge verzichten werden? Sie glauben, dass Sie und ihre Freunde in Zukunft keiner Bücher mehr lesen werden und keine Musik hören werden?
    Nein? Ich glaube das nämlich auch nicht. Die Leute werden auch weiterhin Geld ausgeben für Künstler die Qualität abliefern und ein faires Angebot machen, mit dem Beide Seiten leben können. Aber dieses unfaire Subventionieren von Künstlern, die auf dem freien Markt keine Chance haben, wird einfach aufhören und nicht durch irgendwelche Gesetze auf Kosten der Bürger gefördert.

    „damit es den Piraten mit ihren erstaunlichen Wahlerfolgen nicht gelingt, die öffentliche Meinung zu kapern.“

    Diese Aussage zeigt nur zu gut, dass sie das Problem nicht verstanden haben. Die Piraten beeinflussen nicht irgendwie die öffentlich Meinung, die Piraten VERTRETEN die Meinung einer jungen Generation, die das Internet als Chance sieht, sowohl für Künstler als auch für Konsumenten und da hat z.B. so etwas wie Buchpreisbindung nichts mehr zu suchen. Gehen Sie doch mal in eine 12 Klasse eines Gymnasiums und fragen Sie die Schüler. Sie kämpfen hier gegen etwas, dass Sie auf lange Zeit nicht Gewinnen können.

  6. Bärbel Oftring | 30. März 2012 um 21:05 | Antworten

    Mit materiellen Dingen muss genauso umgegangen werden wie mit immateriellen (kreative Leistungen wie Musik, Texte, Filme). Entweder Freibier-Mentalität in beiden „Warengruppen“ oder in keiner!

  7. Das „Echo“ auf Sven Regeners Polemik war vor allem, dass es sich um eine Polemik von jemandem handelte, dessen Verständnis der technologischen und sozialen Entwicklung irgendwo in der Mitte des 20. Jahrhunderts stecken geblieben ist. Und das ist schon eine eher freundliche Formulierung. Als Vorbild würde ich mir den lieber nicht nehmen.

    Eher schon Thomas Stadtler, der hat den Diskurs aufgegriffen, und mal nachgeschaut, um wieviel besser die Verlage denn mit dem Urheberrecht ihrer Autoren umgehen, als es die „Internet-User“ so tun.

    Das Ergebnis wird allerdings kaum dazu beitragen, die Diskussion im Sinne der Verlage zu verändern.

    Es grüßt Sie

    agtrier

    PS: Die Piraten liegen nach einer heute veröffentlichten Umfrage nun bei 11% – bundesweit. Irgendwas machen die wohl richtig, oder?

  8. Sebastian Dederichs | 30. März 2012 um 20:55 | Antworten

    Sehr geehrter Herr Wengenroth,

    Bitte zeigen Sie mir ein Interview, einen Punkt im Parteiprogramm oder ein Video, in dem die Piratenpartei (Die Partei, nicht irgendein Möchtegern-Mitglied) wirklich sagt, das Sie die, wie Sie es formulieren „Freibier-Mentalität“ haben will. Ich bin Mitglied bei den Piraten und sehe unter dem Punkt Urheberrecht im Parteiprogramm nur den Wunsch, es zu ändern, es anzupassen an unsere Zeit.

    Und das richtet sich nicht nur an Sie: Bitte nutzt doch die Fachpresse des Buchhandels nicht für irgendwelche Politischen Diskussionen, gerade wenn es um die Piratenpartei geht. Von denen, die diese Diskussionen lostreten, hat meist noch nie jemand auch nur mit irgendeinem Piraten gesprochen, geschweige denn, sich einfach mal informiert. Da wird einfach mal ein Pamphlet nach dem anderen rausgehauen, um die Emporkömmlinge schlecht zu machen.

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