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Amazon ist eine Gefahr für große Verlage

Die verlegerischen Aktivitäten von Amazon beschäftigen auch die deutsche Branche. buchreport.de hat sich umgehört und bringt die Einschätzungen in einer Serie. Joachim Kaps, Chef von Tokyopop Deutschland, geht davon aus, dass Amazon zunächst die Bestseller-Sahne des Buchmarkts abschöpfen will – weshalb der eigene Manga-Verlag nicht als erster betroffen sein werde.
In den USA widmen sich aktuell auflagenstarke Medien dem verstärkte Engagement von Amazon auf dem Feld der Buchverlage. In dieser Woche sorgt ein Schlagabtausch von Amazon und Barnes & Noble sowie die massive Kritik des US-Autorenverbands an de Amazon-Geschäftspraxis für Schlagzeilen (hier mehr). 
Hierzulande sondiert Amazon nach Medienberichten aktuell das Spielfeld der Verlage und knüpft insbesondere Kontakte zu Agenten, um ein eigenes Programm aufzubauen. Der deutsche Tokyopop-Statthalter Joachim Kaps bleibt zumindest in seiner „Nische“ gelassen. Fordert aber die Verlage dazu auf, ihr Verhältnis zu den Autoren permanent zu überdenken und zu verbessern, um nicht an den Rand gedrängt zu werden.
In den USA forciert Amazon sein Verlagsgeschäft und wirbt Verlagen die Autoren ab; auch in Deutschland wird erwartet, dass der Onliner bald aktiv wird. Wie schätzen Sie die Offensive ein? 
Natürlich würde man sich als Verleger wünschen, dass Amazon seine Prioritäten anders setzen und zunächst einmal darauf fokussieren würde, die illegalen Inhalte in seinen Katalogen in den Griff zu bekommen, aber das Wünschen allein hat die Welt ja leider selten verändert. Und es ist nun einmal ein Fakt, dass niemand etwas daran ändern können wird, dass nicht nur Amazon, sondern natürlich auch andere Inhaber alter und neuer Vertriebskanäle sich immer stärker auch selbst als Content Provider zu positionieren versuchen. Und gute Konkurrenz muss ja nichts Schlimmes sein, sondern kann ja durchaus auch das Geschäft beleben, insofern sind neue Anbieter grundsätzlich immer willkommen, ob sie nun Amazon, Google oder vielleicht auch schon bald Thalia heißen. Mit Blick auf Comics haben die letzten zehn Jahre allerdings auch bewiesen, dass nicht jeder Anbieter nur ob seiner Größe erfolgreich sein muss. So haben sich nach der Gründung von Tokyopop unter anderem Heyne (mit Printprodukten) und Droemer Knaur (Online und Print) mit Schwung und viel Geld in den deutschen Manga-Markt geworfen und ihn beide ebenso schnell wieder verlassen. Nicht alle Segmente sind so einfach zu bespielen, wie es von außen erscheinen mag. Inhaltliche Kompetenz spielt auch heute noch eine Rolle im  Verlagsgeschäft. 
Die kann sich Amazon aber einkaufen…
Natürlich. Ob sich dies aber in allen Bereichen der heutzutage sehr differenzierten und vom Long-Tail-Business geprägten Buchlandschaft wirtschaftlich auch immer lohnt, ist eine ganz andere Frage. Im ersten Schritt bedeuten die neuen Schritte von Amazon daher vor allem eine Gefahr für große Verlage, da das Unternehmen in der Vergangenheit in anderen Produktbereichen bereits gezeigt hat, wie dieses Geschäft läuft: Das aufgebaute Datenmaterial über die Interessen der Kunden wurde bislang immer dazu verwendet, die Sahne der bestehenden Märkte abzuschöpfen, indem man sich auf bereits erprobte Bestseller konzentriert.
Hier werden wir als Anbieter in einer Nische, auch wenn sich diese höchst erfreulich entwickelt, wohl nicht als Erster betroffen sein. Dennoch verfolgen wir das Engagement mit hohem Interesse.
Also keine Angst vor der Amazon-Attacke?
Bedrohlich kann Konkurrenz nur dann werden, wenn man im eigenen Handeln zu selbstsicher, nachlässig oder unflexibel wird. Da habe ich das Glück, mich auf ein gedanklich ausgesprochen munteres Team verlassen zu können, das Angriffe aller Art als eine Herausforderung, aber nicht als einen Grund zum Weglaufen betrachtet.
Müssen Verlage ihre Rolle gegenüber Autoren überdenken?
Verlage sollten ihre Rolle gegenüber AutorInnen ganz unabhängig vom Treiben anderer ohnehin jeden Tag überdenken und verbessern, denn ohne Autoren wäre die Verlegerei nun mal eine ausgesprochen langweilige Angelegenheit. Wir wollten unseren Autoren schon immer auch ein Partner sein, der ihre sehr spezifischen Bedürfnisse respektiert und sich so gut er kann auf sie einzustellen versucht. Das mag mühselig sein, schenkt einem aber eindeutig die besseren Bücher. Serien wie „Grimms Manga“ oder „Stupid Story“ hätten nicht entstehen und international erfolgreich werden können, wenn wir diese Grundregel nicht beachtet hätten. Und die „Wormworld Saga“ würde im Herbst nicht bei uns als Buch erscheinen, wenn wir das Interesse des Autors Daniel Lieske nicht respektiert hätten, seine mit über 1 Mio Lesern höchst erfolgreiche Webseite nicht auch weiterhin selbst steuern zu wollen. An all dem wird sich auch bei einer veränderten Aufstellung des Marktes nichts ändern. Wenn Autoren unzufrieden sind, konnten sie sich auch in der Vergangenheit einen neuen Verlag suchen. Nun gibt es eben einen mehr davon. Auch diesem Wettbewerb stellen wir uns gerne.
Es gibt Befürchtungen, dass Amazon immer größere Teile der Wertschöpfungskette (neben Buchhandel z.B. E-Book-Verleih, Selfpublishing, Verlag, Gebrauchtbuchgeschäft) vereint. Welche Perspektive ergibt sich mit Blick in die Zukunft?
Natürlich setzen sich Konzentrationsprozesse in allen Märkten auch in Zukunft fort, das ist eine gesellschaftliche Entwicklung, die trotz aller Krisen der letzten Jahre offensichtlich noch immer mehrheitlich so gewollt ist, sonst würde sie ja angehalten werden. Aber diese Prozesse stoßen – der zu Ende gehende Flächenkampf im deutschen Buchhandel zeigt das ja aktuell sehr deutlich – immer auch an ihre natürlichen Grenzen. Diese zu erkennen und für das eigene Unternehmen zu nutzen, scheint mir die Herausforderung der Stunde zu sein. 
Was heißt das mit Blick auf Amazon?
Wenn Amazon seine Rolle verändert und auch zum Verlag wird, müssen die Verlage umgekehrt nicht zwingend all ihre Produkte über Amazon vertreiben. Gerade im Web sind alternative Vertriebswege nur einen Klick von einer bestehenden Verkaufsfläche entfernt. Mein Team glaubt unverändert daran, dass wir bestimmte Dinge einfach besser können als andere – und wir fühlen uns darin nicht zuletzt dadurch bestätigt, dass unser Buchgeschäft auch in 2011 entgegen aller Trends wiederum deutlich gewachsen ist. Daran teilzuhaben, laden wir alle Vertriebspartner – natürlich inklusive Amazon – auch weiterhin herzlich ein, wenn dies für beide Seiten rentabel ist.
Die Fragen stellte Daniel Lenz
Weitere Stimmen zum Thema folgen in den kommenden Tagen

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