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Ein Buchhändler muss sich vom Medium lösen

Den Buchhändlern im E-Commerce-Chor eine lautere Stimme verleihen will ein neuer Arbeitskreis im Sortimenter-Ausschuss des Börsenvereins (hier mehr). Sprecher Tobias Schmid, Leiter E-Commerce bei Osiander, skizziert im Interview die Herausforderungen.
Bei den kleineren Buchhändlern sagen nach einer buchreport-Umfrage aktuell drei von vier Sortimentern, dass ihre E-Book-Verkäufe nicht steigen. Was läuft schief?
Wir sind in unserem Arbeitskreis keine Wunderheiler, die dem Buchhandel sagen, wie er seine Geschäfte betreiben soll. Grundsätzlich rate ich aber den Sortimentern, mit dem Thema E-Book ganz offensiv umzugehen und das elektronische Lesen als eine Kernkompetenz des stationären Buchhandels herauszustellen: Durch eine entsprechende Präsentation von E-Readern, Info-Veranstaltungen für Kunden sowie Schulungen, mit denen sich der Buchhändler Basiswissen aneignet. So besteht zumindest die Hoffnung, dass der Kunde den Reader im Buchhandel kauft und nicht anderswo. 
Wie wird E-Commerce zur buchhändlerischen Kernkompetenz?
Ein Buchhändler muss sich vom Medium lösen. Dies gilt für das Medium der Information: Es ist egal, ob er Bücher auf Papier oder digital verkauft. Und dies gilt für das Verkaufsmedium: Er muss sich von dem Glauben lösen, dass sein Ladenlokal das einzige Forum sei, in dem Kunden seine Präsenz erwarten. Wenn die Kunden nicht erleben, dass der Buchhändler auch jenseits des Ladenlokals verfügbar ist, dann sind sie ganz schnell weg. Kunden sind untreue Wesen und ich muss immer wieder um ihre Gunst werben, damit sie nicht fremdgehen.
Bei Thalia heißt es neuerdings, es gehe nicht primär darum, sich gegen Amazon zu behaupten, sondern für die eigenen stationären Kunden die Nummer eins im Internet zu sein. Ist das eine gute Devise auch für kleinere Händler?
Durchaus. Die Zielrichtung eines regional verankerten Buchhändlers muss sein, dem Kunden zu signalisieren, dass es ihn auch online gibt, und zwar auch außerhalb der Öffnungszeiten. Wenn dies gelingt, ist viel gewonnen.
Also ist Kundenbindung wichtiger als Online-Umsatz?
Natürlich hat ein Buchhändler ein Problem, wenn der Webshop 100 Euro im Monat kostet, aber nur 50 Euro einbringt. Die Devise kann dann aber nicht sein, den Shop abzuschalten, sondern mehr für den Shop zu tun, damit der Umsatz wächst. Ich kann mir keine Buchhandlung vorstellen, die ohne Webshop mittelfristig erfolgreich ist. Die Kunden werden sonst wegrennen – oder aussterben.
Welche Ziele verfolgen Sie mit Ihrem Arbeitskreis?
Unsere Aufgabe ist es, den Kollegen als Ansprechpartner zur Verfügung zu stehen und dem Sortiment Hilfestellung zu leisten, auch bei strategischen Fragen, die im Alltagsgeschäft oft untergehen. Letztlich wollen wir auch branchenpolitisch daran arbeiten, dass aus den gemeinsamen Ideen auch etwas wird. Das Sortiment hat bislang in Sachen E-Commerce ein eher schwaches Stimmchen gegenüber den anderen Sparten. Wir müssen öffentlich Forderungen aufstellen und auch verstärkt Kritik üben an Entwicklungen, die wir für schädlich halten.   

Die Fragen stellte Daniel Lenz

aus: buchreport.express 48/2012

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