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Bibliophile Messies

„Unsere Bücher sind nichts mehr wert“, stellt Michael Allmaier in der „Zeit“ fest und bestellt den Entrümpler. Eine Trennungsgeschichte.
Um die 6000 Bücher besitzt Allmaier, sieben Meter Billy-Regale vom Boden bis zur Decke, zweireihig eingeräumt, einige Bücher begleiten ihn seit 40 Jahren. „Wer die Reihen mustert, lernt mich kennen, mehr, als mir lieb sein sollte.“
Weil die Liebe zum Buch jedoch zu groß geworden ist, sortiert Allmaier ein paar Hundert von ihnen aus. Zuvor habe er es bei einem Antiquar versucht, mehr als 12 Euro sprangen für einen Rucksack voller Bildbände jedoch nicht heraus.
Ähnlich sähe es bei Momox aus, einem Online-Dienst, der gebrauchte Bücher aufkauft. Die Preise spielten noch nicht einmal die Transportkosten ein. „Nicht, dass Literatur jemals eine gute Geldanlage war. Aber vor zehn Jahren zahlten Antiquare einem vielleicht ein Viertel des Neupreises; und selbst auf dem Flohmarkt waren noch ein, zwei Euro pro Band drin. Heute stehen neben den Hausmülltonnen ‚Bitte mitnehmen‘-Schachteln, aber niemand greift zu.“
8,5 Mrd Bücher ständen nach einer Schätzung in deutschen Haushalten, mit jedem Jahr kommen über 300 Mio neue dazu. Doch der Inhalt sei längst nicht mehr an Papier gebunden. Bibliotheken seien auf Festplatten verschwunden.
Das Ausmisten fällt schwer, obwohl in der Sammelei reichlich Angeberei und Selbstbetrug stecke. „Heute habe ich mehr Geld und weniger Zeit“, das lasse die Büchertürme wachsen. „Bei meinem aktuellen Lesetempo schaffe ich bis ans Lebensende bestenfalls noch einen Meter Billy“, schätzt Allmaier und sieht sich als einer der letzten der „Generation Billy“: „Unsere Kinder werden nach dem Bestatter den Büchermann rufen.“ 
Und dann stehen die Buchentrümpler da – das Ehepaar Fleckhaus. Nelly Fleckhaus ist die Tochter des Buchgestalters Willy Fleckhaus. Die eingesammelten Bücher verkauft das Ehepaar zum Teil online und verschenkt sie an Bedürftige.
Allmaier fühlt sich befreit, im Regal ist jetzt wieder Platz für neuen Stoff. Er stellt fest: „Wir können uns an unsere Bücher klammern, aber nicht an den Status, den sie früher mal hatten.“ „Zum Glück kennt die Buchwelt keine Messies. Uns nennt man bibliophil.“

Kommentare

5 Kommentare zu "Bibliophile Messies"

  1. Der BÜCHERRETTER hat es sich zur Aufgabe gemacht, nicht mehr gewollten Büchern eine neue Verwendung zu geben. http://www.bücherretter.de oder http://www.facebook.com/buecherretter

  2. Alte Bücher weggeben heißt auch, sich von einem Teil seiner Vergangenheit (Jugend?) zu trennen: was wäre ich ohne meine edition suhrkamp geworden, ohne Adorno’s Kulturindustriekritik – möglicherweise ein facebook-, twitter-, Trump-Anhänger? Nein auf meine „Regenbogen“ edition kann und will ich nicht verzichten

  3. Wenn niemand mehr Bücher geschenkt bekommen haben möchte, sollte man sich überlegen, ob man sich nicht lieber die E-Book-Version ins digitale Regal stellt.

  4. Bei mir stehen die Bücher zweireihig im Billy, einreihig obendrauf und die Luft zwischen Böden und Reihe wird mit querliegenden Exemplaren gefüllt – damit sind wir schon bei mindestens 10 Regalmeter pro Billy-Regal…

  5. Anmerkung eines Pedanten: Regalmeter mißt man nicht am Fußboden, sondern an den einzelnen Regalbrettern. Schon ein 80 cm breites Billy-Regal mit 6 Brettern ergibt demnach 4,8 Regalmeter (mindestens – man kann die Bücher ja auch noch obendrauf stellen).

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