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Man muss nicht das E-Book verdammen

An der Bastei Lübbe Academy unterrichtet Andreas Eschbach angehende Autoren (Foto: O. Favre, Lübbe).

Das Internet hat in den vergangenen Jahren viele Lebensbereiche verändert. Welchen Einfluss es auf das Geschichtenerzählen hat, hat die „New York Times“ verschiedene englischsprachige Autoren gefragt. buchreport hat sich unter deutschen Schriftstellern umgehört, darunter Bastei Lübbe-Autor Andreas Eschbach.

Andreas Eschbach ist ein vielfach ausgezeichneter deutscher Schriftsteller. Seinen ersten Bestseller landete er 1998 mit „Das Jesus-Video“. Weitere erfolgreiche Romane schrieb er mit „Der Nobelpreis“, „Ausgebrannt“ und „Exponentialdrift“. Sein neuster Thriller „Der Jesus-Deal“ erscheint im Oktober bei Bastei Lübbe. Hier seine Webseite.

Inwiefern hat sich Ihr Arbeitsalltag in den vergangenen Jahren durch die Digitalisierung verändert?

Da ich seit den 80er-Jahren mit Computern zu tun habe und schon im Internet unterwegs war, als noch niemand geahnt hat, dass das mal was Wichtiges werden könnte, ist mein Arbeitsalltag natürlich schon lange stark von der Digitalisierung geprägt. Trotzdem gibt es auch bei mir noch Veränderungen. In den letzten Jahren war es die, dass ich mehr und mehr darauf verzichte, meine – ja nicht gerade dünnen – Manuskripte auf Papier auszudrucken. Stattdessen wandle ich sie in den verschiedenen Stadien der Entstehung ins E-Book-Format um, schiebe sie auf meinen E-Reader und lese sie bequem auf dem Sofa. Auch meinen Testlesern mute ich das inzwischen zu. Vorläufiger Meilenstein ist mein jüngster Roman „Der Jesus-Deal“, bei dem ich zum ersten Mal – von der ersten Rohfassung bis zur letzten Fahnenkorrektur – ohne eine einzige ausgedruckte Seite ausgekommen bin.

Was sind Ihre größten Hoffnungen und Sorgen in Bezug auf die Digitalisierung?

Nun, das ist eine Frage, auf die man abendfüllend antworten könnte. Natürlich ist die größte Hoffnung die, dass die Digitalisierung das Leben verbessert, und die Sorge die, dass sie es verschlechtern könnte.  Da es aber eine Entwicklung ist, die sich nur durch einen Atomkrieg aufhalten ließe, hoffe ich, dass unter dem Strich die Vorteile die Nachteile überwiegen werden.

Wie schätzen Sie den E-Book-Markt ein?

Meine Einschätzung ist, dass das E-Book sich als Medium weiter entwickeln und behaupten, dabei insbesondere den Taschenbüchern und Heftromanen Marktanteile abjagen und demnächst die Audiobooks an Bedeutung überrunden wird. Ängste, dass es das gedruckte Buch verdrängen könnte, plagen mich nicht; Ängste, dass es die Buchhandlungen verdrängen könnte, dagegen durchaus.

Ist der wachsende Selfpublishing-Markt Chance oder Bedrohung für Autoren, die vom Schreiben leben wollen?

Ich bin jemand, der Konkurrenz grundsätzlich begrüßt; sie belebt bekanntlich das Geschäft. Ich verfolge die Entwicklungen im Selfpublishing mit Interesse und viel Sympathie, gebe selber auch einiges an Geld aus für selbstpublizierte Romane und fühle mich nicht im Geringsten bedroht davon. Ich glaube, dass das Selfpublishing nicht nur eine große Chance für Autoren ist, die sich abseits der etablierten Schubladen bewegen wollen, sondern in Zukunft generell der Weg sein wird, wie Autoren zu Verlagen und Verlage zu Autoren kommen werden: Der Einstieg wird nicht mehr das unverlangt eingesandte Manuskript sein, das jemand mit glücklicher Hand aus dem großen Stapel fischt, sondern das selbstpublizierte E-Book, das sich aus eigener Kraft eine Fangemeinde erobert.

Wie groß ist die Gefahr, die von E-Book-Piraterie ausgeht?

Die E-Book-Piraterie – sozusagen die Zechprellerei des digitalen Zeitalters – ist natürlich ein Ärgernis. Aber was ich so mitkriege, wie sich die technischen und juristischen Verteidigungsmöglichkeiten der Verlage entwickeln, würde ich sagen, dass die Gefahr für die E-Book-Piraten selber inzwischen weitaus größer ist als die Gefahr für die Verlage.

Grundsätzlich halte ich es dennoch für die beste Gegenstrategie, E-Books schick formatiert zu einem vernünftigen Preis bequem und einfach verfügbar zu machen, am besten ohne DRM. Und dahin geht ja die Entwicklung erfreulicherweise. Wenn dann noch ein paar arme Schlucker „saugen gehen“, dann sollen sie halt.

Sind die Buchverlage schon fit fürs digitale Zeitalter?

Da gibt es solche und solche. Mein Verlag, Bastei Lübbe, engagiert sich ja bekanntlich sehr auf diesem Gebiet, ist demzufolge denkbar fit und macht meines Erachtens praktisch alles richtig. Einigen anderen Verlagen merkt man hingegen deutlich an, dass die sich im Grunde gegen diese Entwicklung stemmen und nur so viel machen, wie sie glauben, dass unbedingt nötig ist. Das halte ich für falsch. Man muss nicht das E-Book verdammen, nur weil man das gedruckte und gebundene Buch liebt. Das Herz eines Bücherfreundes sollte groß genug sein, um beide Erscheinungsformen lieben zu können.

Was wünschen Sie sich von ihnen?

Ich wünsche mir, dass sich Verlage darüber klar werden, dass ihre Funktion nicht die ist, Papier bedrucken und binden zu lassen und in Buchhandelsregale zu transportieren, sondern die, Qualitätsportale zu sein, für eine bestimmte Art von Literatur zu stehen und diese zu filtern, damit Leser, die eben diese Art Literatur suchen, sie zuverlässig finden – völlig gleichgültig, welches technische Medium sie bevorzugen. Die Verlage, die das jetzt verstehen, werden auch in Zukunft existieren und wichtig sein. Die anderen werden über kurz oder lang verschwinden.

Die weiteren Teile der Serie im Überblick:

Oliver Pötzsch

Daniel Lieske

Peter Stamm

Emily Bold

Markus Heitz

Jonas Winner

Zoë Beck

Rebecca Gablé

Kommentare

5 Kommentare zu "Man muss nicht das E-Book verdammen"

  1. Ich warte bis heute auf den nachvollziehbaren und stichhaltigen Nachweis, dass sich dadurch, dass eBooks auf einschlägigen Tauschbörsen zu finden sind, auch nur ein Buch weniger verkauft …

    • In der Tat sind absolute Zahlen auf diesem Gebiet schwer zu kriegen, da man hier keine Doppel-Blindstudien durchführen kann und auf Indizien angewiesen ist, z. B. das Verhältnis verkaufte Reader vs. verkaufte Ebooks oder der rapide Niedergang des russischen Buchmarkts.

      Sie würden Verlagen empfehlen, Ihre Ebooks aktiv auf Tauschbörsen
      einzustellen, weil die ohnehin nur für kostenlose Werbung sorgen? Auch
      gegen Ladendiebstahl und Schwarzfahren gehen nur ökonomische Narren vor?

  2. „[…]in Zukunft generell der Weg sein wird, wie Autoren zu Verlagen und Verlage zu Autoren kommen[…]“ – warum sollten Autoren in Zukunft, wenn sie bereits erfolgreich sind, einen Verlag an ihrem Erfolg herumparasitieren haben wollen?

  3. Zunächst einmal: Danke für diese Reihe, die ich mit großem Interesse lese!

    Ich freue mich besonders, hier mal ein differenzierteres Bild über E-Books und Digitalisierung zu lesen – kein grundsätzliches Verdammen, keine bedingungslose Euphorie. Gäbe es doch nur mehr Vertreter der Branche, die nicht auf die üblichen Schwarz-Weiß-Schablonen zurückgreifen. Dann blieben uns solche jahrelangen Diskussionen erspart und der Fokus könnte wieder mehr vom Reden aufs Machen wechseln.

  4. Ich lese diese Interviews ja immer sehr gerne, weil da die Piraterie-Gretchenfrage gestellt wird. Nur die Antworten verstehe ich nicht immer:

    „Aber was ich so mitkriege, wie sich die technischen und juristischen
    Verteidigungsmöglichkeiten der Verlage entwickeln, würde ich sagen, dass die Gefahr für die E-Book-Piraten selber inzwischen weitaus größer ist als die Gefahr für die Verlage.“

    Fakt ist doch, dass es deutschsprachigen wie internationalen Piraterieseiten bestens geht, dass sie beständig wachsen und sich vermehren und dass ihnen von kaum einem Verlag irgendwas entgegengesetzt wird. Auch b***.bz hat inzwischen – ein paar wenige Tage hat es gedauert – umgehostet und Nachfolger gefunden:

    http://www.youtube.com/watch?f

    Gelegentlich verschwinden einzelne Piratenseiten mal, aber das ist doch nicht wegen Verfolgungsdruck, sondern regelmäßig, weil die sich intern streiten. Vor was sollten die auch Angst haben? Vor Hui Buh dem Schlossgespenst? Catweazle? Vor den brutalen Methoden der spanischen Inquisition?

    Oder unsere russischen „Freunde“ von L*G*? Das sind Profi-Bibliothekare, und die streiten vielleicht auch mal, aber doch vermutlich nur um die (sehr hohe) Qualität der Metadaten o. ä.

    Auf beiden genannten Seiten ist Andreas Eschbach übrigens „bestens“ vertreten.

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