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Prestigeverlust der Preziosen

In der Welt nimmt Redakteur Tilman Krause seine Erfahrung mit dem Verkauf eines einstmals kostbaren Buchs (eine deutsche Erstausgabe von Marcel Prousts Eine Liebe von Swann in der Übersetzung von Franz Hessel) zum Anlass, eine Dystopie über den Wertverlust antiquarischer Bücher zu entwerfen. Seinen Befund ins Allgemeine hebend entwickelt er die These: Die Preise werden im Internet gemacht. Dort hinein stellen die Händler ihre Ware, und jeder kann sehen, für welche Summe die alten Bücher angeboten werden. Das senkt das Preisniveau ganz entscheidend. Nur absolute Rarissima sind davon nicht betroffen.

Doch Krause geht noch weiter: Er sieht nicht nur den schlichten pekuniären Wertverlust alter Bücher, sondern einen generellen Wandel im Umgang mit gedruckten Ausgaben: Wir haben uns angewöhnt, Bücher nicht mehr als Preziosen, sondern als Gebrauchsgegenstände zu betrachten. Werden sie unansehnlich, schmeißt man sie weg. Und was man für den eigenen Bedarf für unverzichtbar hält, kauft man sich neu. Umfangreiche Privatbibliotheken wirkten heute unfreiwillig komisch, für die jüngere Generation werde das E-Book ohnehin die gedruckte Buchsammlung als Zimmerschmuck und geistige Vistenkarte ihres Bewohners ablösen, prognostiziert Krause. 

Kommentare

5 Kommentare zu "Prestigeverlust der Preziosen"

  1. Habe ich ganz unterschiedliche Erfahrungen. Neulich brauchte ich aus gewissen Gründen einen bestimmten Ken Follett – kostete ca. 1 € zzgl. Porto 3 € (an dem verdient der Händler dann); war überrascht, dass es dann sogar die gebundene Ausgabe war.

    Vor ca. 25 Jahren „Frühe Schriften und typische Scheiße“ von Dieter Roth gekauft, damals um 50 DM im Antiquariat. Wird jetzt um 75 € gehandelt, und es sieht nicht danach aus, als würde es billiger, wie ich mir auch sonst nicht die geringsten Sorgen um den Wert meiner Dieter-Roth-Sammlung mache.

    Das Turing-Maschinen-Buch, das Oswald Wiener, Robert Hödicke und ich vor jetzt immerhin 17 Jahren geschrieben haben, ist im Neupreis wie antiquarisch (ungefähr die Hälfte) bis heute stabil geblieben; ist freilich ein mathematisch-informatisches Standardwerk. Allmählich steht die Neuauflage an – mal sehen, was dann passiert.

    Habe ein paar Sachen auf meinem Amazon-Verkäuferkonto. Manche sind einfach nichts mehr wert (das Gegenstück zum geschilderten Ken-Follett-Fall; „Des einen Leid, des anderen Freud“, wie ein Vorkommentator schrieb), manche sind Rara, die aber erstmal einen Käufer finden müssen und Geduld brauchen. Und schließlich solche, wo ich mit einem anderen Verkäufer um den niedrigsten Preis (auf relativ hohem Niveau; das wollen wir ja beide) kämpfe und er oder ich allenthalben mal 2 Cent runtergehen. Nun ja, so ist das auf transparenten Märkten.

    Zu dieser Transparenz gehört freilich auch, dass man fast jedes E-Book kurz nach Erscheinen (manchmal sogar schon vorher; Stichwort Leaks) umsonst kriegen kann, was den Preis für manch gedrucktes Buch drücken dürfte.

    Dann spielen gewisse Usancen der Buchbranche hinein, die halt stets auf die nächste Buchmesse und den nächsten Bestseller schielt und den Backkatalog rasch vergisst. Schön für Käufer, die es nicht ganz so eilig haben.

    Früher waren die Ankaufpreise in Antiquariaten auch schon ausreichend deprimierend und selten meinen hochgesteckten Erwartungen entsprechend. Zähneknirschend dann meistens doch verkauft. Heute weiß ich sehr genau, was ich erwarten kann, und Amazon nimmt zwar auch seine Gebühren, aber mir scheinen die Konditionen besser zu sein als früher im Antiquariat. Mal sehen, wie lange noch.

  2. Des einen Leid, des anderen Freud.
    Für Käufer sind fallende Preise schön.

  3. …kann ich nur zum Teil bestätigen. Sicherlich, die Zeiten ändern sich…doch bei einen selbst ausgeführten TEST mit eigener Bibliothek…stellte ich fest, nicht alles gibt es auf e-book DATEI und
    das Wissen ist nach Vernichtung des gedrucktes Buches vergessen.

  4. Es stimmt, dass die Preise für antiquar. Bücher im Internet gemacht werden. Über entsprechende Plattformen zum Preisvergleich kann der Kunde auch jederzeit die Preise unterschiedlicher Händler direkt vergleichen. Und Bücher, die deutlich teurer sind als bei der Konkurrenz, werden entweder gar nicht oder sehr viel später verkauft – nämlich erst dann, wenn die preiswerten Gebrauchtexemplare weg sind. Wer teurer anbietet, muss damit rechnen, auf den Verkauf länger warten zu müssen. Das trifft allerdings nicht nur auf antiquar. Bücher zu, sondern auch auf andere Bücher – wie generell auch auf andere Produkte (z.B. gebrauchte Autos, deren Preise ebenfalls übers Internet vergleichbar sind).
    Generell verändert das Internet das Gefühl der Verbraucher für Preise: Alles gibt es ja irgendwie auch immer noch „billiger“ – man muss nur lange genug suchen.
    Eine andere Frage ist die: Welchen Wert soll denn eine „Erstausgabe“ oder ein anderes Rarissimum haben, wenn der Inhalt derselbe ist wie bei einem preiswerteren Gebrauchtbuch? Da verändert sich gewiss etwas in der Wahrnehmung der Käufer. In früheren Jahrhunderten waren Bücher generell Raritäten, dann waren es immerhin noch die vergriffenen Bücher, doch jetzt ist fast alles immer und überall zu bekommen. Insofern gibt es wenig, das noch „rar“ wäre. Hier verändert das Internet sicher auch das Bewusstsein der Käufer – was viel gravierender ist als Veränderungen im Preis. Dann aber u.U. Veränderungen in den Geschäftsmodellen von Gebrauchtbuchhändlern nach sich ziehen wird.
    Was mich betrifft, so habe eine riesige Privatbibliothek. Und dennoch verhalte ich mich ähnlich, wie es Krause beschreibt: Nicht mehr benötigte Bücher werden gebraucht weiterverkauft oder -verschenkt, um Platz zu sparen (schließlich haben Bibliotheken immense Folgekosten: zusätzliche Räume und Miete, jede Menge Möbel…). Beim Verkauf schaue ich mir vorher genau den Wiederbeschaffungswert an: Ist der niedrig, dann verkaufe ich ein nicht mehr benötigtes Buch lieber, als es meiner Bibliothek einzuverleiben.

  5. In einer gewissen Weise hat Herr Tilman Krause recht, wenn er in seinem Statement feststellt, dass die ,Preise im Internet gemacht werden`. Die ganz alten Rarissima nimmt er aus, denn diese werden bei den großen Antiquariatsmessen, wie der Stuttgarter Antiquariatsmesse oder an Auktionshäusern, die auf den Verkauf von wervollen Büchern und Graphiken spezialisiert sind.
    Die junge Generation von heute hat so oder so ein Verhältnis zum gedruckten Buch, was man hier jetzt nicht so richtig darstellen kann. Zumeist rennen junge Leute ja bewusst den Trends ihrer Generation nach und meinen, dass dies dann das wahre Glück auf Erden sei.
    Man sollte also alles einmal mit Maß und Ziel sehen und auch manche Dinge mit einem kritischen Auge beleuchten.
    Es gibt sicher weiterhin auch Sammler für das alte Buch. Und man sollte nicht immer gleich alles abwerten wollen.
    Bücher werden sicher überleben und somit eingeschlossen auch die alten Bücher.
    Entscheidend ist eben auch, aus welchen Elternhäuser junge Menschen kommen. Wenn dort nie ein Buch gelesen oder vorhanden gewesen ist, wird es natürlich schwer, diese Jugendlichen zum Lesen eines Buches zu überzeugen.
    Und wichtig ist in erster Linie auch, ob Bücher in den Schulen im Fach Literatur vermittelt werden.
    Trotzdem sollte man da schon mit Zuvwersicht nach vorne sehen und nicht nur alles negativ beurteilen wollen.
    Bücher haben innerhalb der Vielzahl unserer Medien ihren Platz.
    Und dies gilt jetzt für neue Bücher und auch für das alte Buch.
    H. Kraft

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